Weißweinkolumne: Die schöne neue rechte Medienwelt.

Rechtspopulisten sorgen für Kontroversen und Kontroversen sorgen für Auflagen und Einschaltquoten. Aus der Sicht profitorientierter Medienhäuser ist es daher kaum verwunderlich, dass man hin und wieder Populisten wie Donald Trump, Beatrix von Storch, Frauke Petry oder Marine le Pen eine Bühne zur Selbstdarstellung bietet, so sehr man schließlich deren Ansichten verabscheuen mag, lassen sich doch rechte Provokationen fantastisch kapitalisieren.

Auch ist es nachvollziehbar, dass die – offiziell nicht gewinnorientierten – öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sich regelmäßig kontroverse gestalten vom rechten Rand einladen, man will schließlich relevant bleiben und irgendwie auch ein bisschen politische Bildung betreiben. Nicht nachvollziehbar ist dagegen, wie es sein kann, dass nicht, nachdem eben jene Rechtspopulisten, denen die „Mainstream-Medien“ regelmäßig und bereitwillig stundenweise freier Selbstdarstellungszeit in Interviews und Talkrunden zukommen ließen, einen großen Teil der Presse von einer Veranstaltung ausschließt, ein Aufschrei zorniger Empörung durch die Medienhäuser grollt!

Wie kann es denn sein, dass die deutsche Presse es Funktionären der AfD durchgehen lässt, ungeliebten Medienvertretern die Akkreditierungen für einen offiziellen Kongress der Fraktion „Europa der Nationen und Freiheit“ (ENF) im Europäischen Parlament zu verweigern? Nicht einmal ARD und ZDF gelang es, Journalisten für die Zusammenkunft der europäischen Rechtspopulisten zu akkreditieren. Die ENF, der auch die wenigen AfD-Abgeordneten im Europaparlament angehören, betreibt hier einen klaren Presseboykott, dem die Presse nur in einer einzigen Weise angemessen begegnen kann: Mit einem solidarischen Rechtspopulistenboykott! Keine Frauke Petry mehr bei Anne Will, kein Alexander Gauland mehr bei Hart aber fair, keine Beatrix von Storch mehr im Spiegel-Interview, bis sich die Beteiligten öffentlich für ihre unfassbar Beleidigung der Pressefreiheit – eines urdemokratischen Wertes – entschuldigt haben.

Hintergrund: Kürzlich wurde bekannt, dass mehrere Medienvertreter, darunter Journalisten zahlreicher großer Medienhäuser, von der Versammlung der rechtspopulistischen EU-Abgeordneten im rheinland-pfälzischen Koblenz ausgeladen wurden – offenbar auch auf Betreiben des umstrittenen AfD-Abgeordneten Marcus Pretzell.

Zwar gibt es Kritik am Gebaren der Kongressorganisatoren, so ließ das ZDF erklären: „Es ist ein Angriff auf die Pressefreiheit, dass ZDF-Reporter von dem Kongress ausgeschlossen werden.“ Und die ARD gibt an, „rechtliche Schritte“ prüfen zu wollen, von Solidarität in der Presse ist aber nichts zu spüren, auch nicht von entschiedenem auftreten.

Dass am Montagabend mit der AfD-Vorsitzenden Frauke Petry ausgerechnet eine der prominentesten Teilnehmerinnen des Kongresses und die Ehefrau Marcus Pretzells, des Abgeordneten, der mitteilen ließ, dass „GEZ-Medien“ der Zutritt zu der Versammlung verwehrt sei, bei „Hart aber Fair“ zu Gast ist, ist dabei schon fast ein Treppenwitz. Ein ARD-Sprecher erklärt dazu gegenüber dem Berliner Tagesspiegel: „Grundsätzlich: Bei uns sind die Standards der Berichterstattung nicht davon beeinflusst, wie die Parteien sich unserem Sender oder der ARD gegenüber verhalten.“ Dies ist ein Fehler! Wenn es einer politische Kraft in so offensichtlicher Weise an jeglichem Respekt vor der Pressefreiheit mangelt, dann haben die Medien auch das Recht – und ich will sogar sagen die Pflicht – dagegen entschlossen und radikal vorzugehen. Wenn Politiker die Presse nicht respektieren, darf diese sich nicht duckmäuserisch fügen, sie muss dann erst Recht beweisen, welches ihre Aufgabe in einer demokratischen Gesellschaft ist!

Die ARD aber duckmäuserisch wie eh und je bedenkt nicht einmal eine Themenänderung für die Sendung am Montag. Wie geplant soll es zum Auftakt in das Superwahljahr 2017 – mittlerweile scheint ja jedes zweite Jahr „Superwahljahr“ zu sein – um die „konkreten Konzepte der Parteien bei den zentralen Themen Sicherheit, Steuern und Rente“ gehen. Trotz aller Kritik an der Ausladung vom Treffen der ENF-Fraktion in Koblenz sei es für den Zuschauer interessant zu erfahren, welche Antworten die AfD auf diesen Gebieten zu bieten habe, so der ARD-Sprecher.

Und sicherlich: Bei Umfragewerten wischen 12 und 15 Prozent scheint es journalistisch durchaus geboten, sich mit den Positionen der AfD auseinander zu setzen. Wenn aber die AfD bzw. die ENF an anderer Stelle eine journalistische Beurteilung ihrer Positionen durch einen klaren Akt der Zensur schlicht verweigert (was insofern wunderbar ironisch ist, als dass unter den Wählern dieser Partei so viele „Lügenpresse“-Schreier sind, dass man sie kaum zählen kann), gibt es keinen Grund, warum nicht die ARD die Gelegenheit zum Gegenschlag nutzen sollte. Entweder durch kurzfirstiges Ausladen von Frauke Petry, oder durch ebenso kurzfristiges Ändern des Themenschwerpunktes. Wenn man sich in solch einer Position schon verpflichtet sieht, Politiker einzuladen, die keinerlei Respekt vor der Presse haben, warum dann nicht über die Pressefreiheit reden? Schließlich sagt es die ARD ja selbst: „Der Zuschauer soll sich ein eigenes Bild machen können, und dies nicht nur durch eine Diskussion über die AfD, sondern auch durch ein direktes Befragen ihrer Vertreter.“ Das kann doch auch für das Thema Pressefreiheit gelten, oder?

Also liebe ARD, ihr habt zwei Möglichkeiten: Petry und Konsorten boykottieren, oder eine öffentliche und aggressive Debatte über die Pressefreiheit anstoßen – im Dialog mit der AfD! Entscheidet euch!

In diesem Sinne: Prost!

Weißweinkolumne: Von der Hoffnung.

In den vergangenen Wochen habe ich kaum etwas schreiben können, zu hoffnungslos scheint zur Zeit die Lage: In den USA hat ein Clown, der kein Verständnis davon hat, wie die Welt funktioniert, aber gerne mit Sprengstoffen – und weiblichen Genitalien – herumspielt, ernsthafte Chancen auf das höchste Amt des Landes und hier in Deutschland kommt die rechtspopulistische AfD, die sich laut deren Vorsitzenden Frauke Petry auf der selben Seite wie Mr. Trump sieht, auf Umfragewerte von bis zu 15 Prozent.

Ähnlich wie mir scheint es auch den demokratischen Kräften diesseits und jenseits des Atlantiks zu gehen. In Amerika haben sich die Anhänger von Bernie Sanders größtenteils damit abgefunden, für Hillary Clinton, die sprichwörtlich und zweifelsfrei das geringere von zwei Übeln darstellt, zu stimmen, während sie langsam aber sicher die „politische Revolution“ des Senators aus den Augen verlieren und in der Bundesrepublik ist die Linkspartei so „saft- und kraftlos“ wie eh und je. Selbst die mediale Gleichsetzung von Petry und Wagenknecht konnte Linken nicht mehr als ein empörtes Kopfschütteln abgewinnen. Die Unionsparteien haben sich derweil mit der AfD abgefunden und es scheint als stünde zwischen einer schwarz-braunen Koalition nur noch eine Person: Angela Merkel.

Sollte aber ausgerechnet das deutsche Äquivalent zu Hillary Clinton, eine Opportunistin und Konzernfreundin die letzte Linie zwischen uns und dem Faschismus sein? Ich glaube nicht, weshalb die Linke – einig und stark – dringend ihre Stimme wiederfinden muss. In einer Zeit, in der Homophobie, Sexismus, Rassismus, Klassismus, Faschismus und allerlei andere – bis vor kurzem zur Ausrottung freigegebenen – Menschenfeindlichkeiten, die auf „Mus“ enden, von der Rechten im großen Maße wieder salonfähig gemacht werden, müssen wir zum Sammelpunkt aller redlicher Demokraten werden! Unabhängig davon, was uns ideologisch trennt, müssen sich die antifaschistischen Kräfte heute zumindest in einem einig sein: Im Nein zur AfD!

Wir müssen die Hoffnung sein,

In diesem Sinne: Prost!

Weißweinkolumne: Wollte Donald Trump seine Kontrahentin erschießen lassen?

Hätte mir vorige Woche jemand gesagt, es würde der Tag kommen, da ich den republikanischen US-Präsidentschaftskandidaten Donald Trump vor den Massenmedien verteidige, ich hätte ihn höchstens mit einer hochgezogenen Augenbraue bedacht, doch er hätte recht gehabt: Der folgende Text verteidigt tatsächlich eine Einlassung des gefährlichen Protofaschisten und Atomwaffenbefürworters.

Es läuft derzeit nicht gut um die Trump-Kampagne, zunächst verwickelte der Kandidat sich in eine Fehde mit den Eltern eines gefallenen US-Offiziers, dann machte seine uninformierte Haltung zur Nutzung von Atomwaffen Schlagzeilen, danach geriet der Kandidat, der sich gern als Populist gibt, in die Kritik für seine wirtschaftspolitischen Pläne, welche insbesondere Großkonzernen und -Verdienern nutzen würden, und nun auch noch das: Mit einem kontroversen Aufruf an die „Second Amendment People“, die extremen Waffennarren in den USA sorgte der Neu-Republikaner nicht nur im Clinton-Lager für Empörung, auch in Sozialen Netzwerken – sowie in den meisten amerikanischen Zeitungen – folgte ein regelrechter Shitstorm.

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Der Nominierungsparteitag der republikanischen Partei Cleveland, Ohio in die Moderne übertragen. Protz und Gigantomanie a la Trump beherrschen das Bild.

Thema dieses Shitstorms ist insbesondere ein Nebensatz des Rechtspopulisten, der bei einem Wahlkampfauftritt in Wilmington (North Carolina) fiel – er sollte sich vielleicht wirklich hüten, von seinem Redeskript abzuweichen. In dem kritisierten Teil seiner Rede ging es um die etwaige Ernennung von Richtern für den Obersten US-Gerichtshof durch seine demokratische Gegenkandidatin Hillary Clinton, sollte diese ins weiße Haus einziehen. Nach dem unerwarteten Tod des rechtskonservativen Richters Antonin Scalia am 13. Februar ist dort bereits ein Sitz vakant und mindestens zwei weitere Richter deuteten jüngst an, sich demnächst zur Ruhe setzen zu wollen. Der nächste US-Präsident wird demnach wohl drei Juristen an das höchste Gericht der Vereinigten Staaten berufen dürfen, wobei es für die Verfassungsauslegung des Bundesgerichts ausschlaggebend sein kann, ob es mehrheitlich konservativ oder liberal besetzt ist.

Dies besorgt insbesondere die Waffenlobby, die – berechtigterweise – glaubt, ein liberales oberstes Gericht könnte das Addendum künftig nicht mehr als Recht zur Generalbewaffnung der amerikanischen Bevölkerung auslegen.

Trump suggerierte dementsprechend, es würde ein furchtbarer Tag, wenn Clinton die bisher republikanische Mehrheit im Bundesgericht kippte. Wörtlich erklärte er:

„Wenn sie dazu kommt, ihre Richter zu ernennen, gibt es nichts, was ihr tun könnt Leute, obwohl bei den Second Amendment, vielleicht gibt es da doch was, ich weiß es nicht… Aber ich sage euch: Das wäre ein furchtbarer Tag.

Nun wird ihm dies von vielen Medien und Politikern als Aufruf zur politischen Ermordung ausgelegt, so erklärte Clintons Wahlkampfmanager Robby Mook, was der Republikaner da sage, sei brandgefährlich: „Jemand, der Präsident der Vereinigten Staaten werden will, sollte in keiner wie auch immer gearteten Weise Gewaltanwendung propagieren.“

Die Trump-Kampagne dagegen bezeichnete diese Vorwürfe lediglich als lächerlich. Wie ein Trump-Sprecher erklärte, gehe es dem Kandidaten doch nur um die Einigkeit der Waffenlobby, die schließlich eine große politische Macht entfalte und für den Republikaner stimmen solle. Auch Vizepräsidentschaftskandidat Mike Pence betonte im Sender WCAU, dass Trump natürlich nicht dazu aufgerufen habe, Gewalt gegen seine Rivalin anzuwenden. In Hunderten E-Mails an Journalisten bemühte sich das Wahlkampfteam, seine Äußerungen zu relativieren, bis hin zum schlechten Witz, den der Kandidat halt gemacht habe.

Und tatsächlich stellt sich die Frage, ob Trump hier meinte, was interpretiert wurde. Nach meiner Einlassung lässt sich die Aussage in dreierlei Hinsicht interpretieren:
1. Trump rief tatsächlich – scherzhaft oder nicht – zur Tötung von Hillary Clinton oder den von ihr benannten Richtern auf.
2. Trump forderte auf diese – unglücklich formulierte Weise – die amerikanischen Waffennarren dazu auf, ihre „Second Amendment Rechte“ an erste Stelle zu stellen und im November für ihm zu stimmen, statt für Hillary, weil er der „Second Amendment Kandidat“ sei.
3. Er rief zu Protesten der Waffenlobby gegen die Schmälerung eben dieser Rechte auf.

Im Sender Fox News erklärte der Präsidentschaftskandidat lediglich, er habe sich auf die Macht der Waffenrechtsbewegung bezogen. Ich tendiere dazu – das mag jetzt Kenner dieser Kolumne erschrecken – ihm zu glauben. Donald Trump sagte genug grauenvolle Dinge, als dass man sich nicht auf diese – mehrdeutige – Aussage stürzen muss, um ihn politisch zu attackieren. Dass sich dagegen Medien wie Politiker mittlerweile in jedem kleinen Fauxpas des Rechtspopulisten verbeißen zeigt, dass es mit journalistischer Unbefangenheit in den USA mittlerweile nicht mehr weit her ist. Trump soll nicht nur verlieren, er soll vernichtet werden! Einzig das televisionäre Zentralorgan der republikanischen Partei, Fox News, sowie einige erzkonservative Radiomoderatoren scheint noch auf der Seite des Milliardärs zu stehen.

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Filmstar Charlton Heston auf Propagandatour – Die N.R.A hat ein jährliches Budget von 250 Millionen Dollar.

Tatsächlich ist die amerikanische Waffenlobby, die National Rifle Association (NRA), eine der einflussreichsten Lobbyorganisationen in den Vereinigten Staaten. Hinter ihr stehen fünf Millionen Mitglieder und die Waffenindustrie, die so ihre Profite absichern wollen. Analysten schätzen, dass der Umsatz der Produzenten von Handfeuerwaffen und Munition in den USA seit 2011 mit Wachstumsraten von 6,4 Prozent auf ein Jahresvolumen von 16 Milliarden Dollar angewachsen ist. Die amerikanische Waffenindustrie produzierte 2014 laut der zuständigen Kontrollbehörde für Alkohol, Tabak und Feuerwaffen (ATF) etwa 3,6 Millionen Pistolen, rund 744.000 Revolver und über 3,3 Millionen Langwaffen. Während sich Trump für seine Kandidatur die offizielle Unterstützung der NRA geholt hat, kündigte Clinton an, sie wolle Verkäufe schärfer so regulieren, dass keine Waffen in die Hände von Kriminellen, potenziellen Terroristen oder mental labilen Menschen gelangen können. Das Verfassungsrecht auf privaten Waffenbesitz jedoch werde sie keineswegs antasten.

Trump jedoch versicherte der NRA, der man wohl als republikanischer Kandidat traditionell zu Kreuze kriechen muss, er werde das Waffenrecht in keinster Weise verschärfen, während er noch vor wenigen Jahren lauthals das Verbot vom Kriegswaffenverkauf an Privatleute propagierte – eine Forderung, die auch der scheidende Präsident Barack Obama erfolglos vorantrieb. Die Regierung Obamas scheiterte bei der Verschärfung des Waffenrechts immer wieder am Widerstand der republikanischen Partei.

All dies gesagt, bin ich bereit eine Prophezeiung zu machen: Donald Trump wird nicht der nächste Staatschef der Vereinigten Staaten werden! Mit seiner Fehde gegen die Famile Kahn und seiner kontroversen Haltung in der Atomwaffen-Frage, hat er sich in den Augen vieler – auch typisch republikanischer – Wähler disqualifiziert.

Hinzu kommt, dass die alte Garde republikanischer Großspender mittlerweile ihren eigenen Kandidaten, den ehemaligen Banker und CIA-Mitarbeiter Evan McMullin, aufgestellt hat, der sich zwar kaum Erfolg ausrechnet, dessen Aufgabe es aber wohl nur ist, ein oder zwei traditionell republikanische Staaten gegen Trump zu gewinnen. Auf diese Weise wollen republikanische Spender – die meist dem organisierten Finanzkapital entstammen – eine Präsidentschaft des instabilen Donald Trump verhindern, ohne gegenüber ihren Mitstreitern das Gesicht zu verlieren, indem sie seine Gegnerin, Hillary Clinton, unterstützen, mit der sie – trotz ihres etwas weniger konzernfreundlichen Wirtschaftsprogramms – deutlich besser leben können, als mit einem Mann, der unter anderem Vorschlug, die USA mögen einfach aufhören, ihre horrenden Staatsschulden zu begleichen.

Ein weiterer Faktor, der zu Trumps Niederlage beitragen wird, heißt Gary E. Johnson, war von 1995 bis 2003 Gouverneur des Bundesstaates New Mexico und erreicht als Kandidat der Libertarian Party (Republikaner ohne religiösen Fundamentalismus) nationale Umfragewerte von rund 10 Prozent.

Dementsprechend sei gesagt: Hillary Clinton wird, sofern nicht eine völlig unerwartete Wendung eintritt – oder sie tatsächlich erschossen wird, die erste Präsidentin der Vereinigten Staaten von Amerika! Man mag das feiern oder nicht, ich jedenfalls hoffe für die amerikanische Bevölkerung – und die Welt – dass die progressiven Kräfte der USA – allen voran die Anhängerschaft von Senator Bernie Sanders – Clinton auf ihre jüngsten sozialliberalen Versprechungen festnageln werden. 

In diesem Sinne: Prost!

Weißweinkolumne: Darf ein Supermarkt gezwungen werden, Alkohol zu verkaufen?

Die Rechte feiert das freie Unternehmertum in der Regel als die zentrale Stütze der Gesellschaft, staatliche Restriktionen und Einmischungen sind unerwünscht – bis ein muslimischer Supermarktbetreiber daherkommt und im Pariser Vorort Colombes aus religiösen Gründen keinen Alkohol und kein Schweinefleisch mehr verkauft, dann lehnen sich – vor allem extremere – Rechte aus dem Fenster und rufen. „Hier ist Europa, nicht Arabien.“ Worauf die französischen Behörden reagierten, indem sie den Halal-Supermarkt unter Androhung der Schließung dazu aufforderten, Alkohol und Schweinefleisch zu verkaufen.

Erzählt man die Geschichte so, erscheint die Antwort zunächst einfach: Die Unternehmerische Freiheit sollte es den Betreibern eines Ladengeschäfts erlauben, ins Angebot zu nehmen, was sie wollen. Die Sortimentsbildung ist schließlich eine zentrale – wenn nicht die zentrale – unternehmerische Entscheidung, die ein Einzelhändler treffen muss. Behörden haben sich dementsprechend – sofern keine illegalen Geschäfte vorliegen – nicht in die Sortimentsplanung von Einzelhändlern einzumischen, schließlich muss diese auch sicherstellen können, dass die angebotenen Waren sich verkaufen. Ganz einfach, oder?

Leider scheint die Lage aber so einfach in diesem Falle nicht zu sein, denn nach der Argumentation der Stadtverwaltung habe das Geschäft, das ein islamkonformes Angebot führt, gegen Auflagen aus dem Pachtvertrag verstoßen, indem es bestimmte Produkte aus seinem Angebot verbannte. Der Laden diene damit nicht „den republikanischen Prinzipien entsprechend der Allgemeinheit“, sondern nur einer bestimmten Gruppe.

„Bürgermeisterin Nicole Goua hat den Laden selbst besucht und den Besitzer aufgefordert, Alkohol und Produkte, die nicht halal sind, zu verkaufen“, erklärte der Sprecher der Stadt, Jérôme Besnard. Insbesondere ältere Anwohner hätten sich demnach beschwert, dass sie in dem Supermarkt nicht „das komplette Sortiment“ kaufen könnten und deswegen weite Strecken in Kauf nehmen müssten. Auch eine gesamtgesellschaftliche Komponente habe also die Position der Administration. Zudem wolle man so die soziale Durchmischung fördern: „Wir wollen keine Viertel, in denen nur Moslems leben und wir wollen keine Viertel, in denen gar keine Moslems leben,“ so Besnard.

Die Argumentation der Stadtverwaltung besticht zwar durch ihren sozialen Charakter, und ich würde dazu neigen, ihr zuzustimmen, handelte es sich bei dem Lebensmittelgeschäft, das eine essentielle Aufgabe in der Nahversorgung übernimmt, beispielsweise um einen veganen Supermarkt, der seinen Kunden gar keine Möglichkeit gibt, sich mit Fleisch einzudecken. Allerdings fällt es mir schwer, ein Grundrecht auf Schweinefleisch zu erkennen. Wieso ist es den Anwohnern nicht zuzumuten auf – in der Regel ohnehin gesünderes – Geflügelfleisch zurück zu greifen? Sofern das Geschäft zuverlässig die Versorgung der Nachbarschaft mir Grundnahrungsmitteln übernimmt, dürfte er seiner sozialen Pflicht als Nahversorger in hinreichendem Maße nachkommen.

Etwas anders stellt sich die Verpflichtung des Geschäfts dar, Alkohol zu verkaufen. Eine solche Verordnung ist höchstens ein schlechter Witz, insbesondere, wenn man versucht sie mit den sozialen Pflichten eines Unternehmers zu begründen! Inwieweit kann es sozial unverträglich sein, keinen Alkohol zu verkaufen, wenn man doch argumentieren könnte, dass es in französischen Metropolen Stadtteile gibt, die friedlicher und sicherer wären, wäre es schwerer für junge Menschen, an Alkohol zu kommen? Nein, diese Forderung der Stadtverwaltung ist schlicht absurd!

Aber nicht nur das, die Einlassungen der Administration sind für kleinere Einzelhandelsbetriebe – und Kommunen – auch brandgefährlich: Wenn der Händler nicht mehr frei in seiner Sortimentsgestaltung ist, kann ihn dies schließlich mittelfristig in eine schwere wirtschaftliche Krise stürzen, so sich die ihm aufgezwungenen Produkte nicht ausreichend verkaufen, oder nicht die notwendigen Kalkulationen erwirtschaften. Dies trifft insofern vor allem kleinere Unternehmen, als dass sich große Supermarktketten problemlos Produktgruppen leisten können, die für sich genommen keine Profite einfahren – was sie aus unterschiedlichsten marketingtaktischen Gründen auch tun, weil sie die Verluste einer Produktgruppe mit den Gewinnen einer anderen ausgleichen können. Dementsprechend geht es in diesem Fall nicht nur um die Gewährleistung unternehmerischer oder religiöser Freiheit, es geht auch darum, keinen gesellschaftlichen Präzedenzfall zu schaffen, der kleinere Einzelhändler, soweit unter Druck setzt, dass sie ihrer sozialen Aufgabe als Nahversorger in naher Zukunft überhaupt nicht mehr nachkommen können.

So argumentiert auch der Inhaber des Geschäfts, Soulemane Yalcin, der sich, der Aufforderung nachzukommen, nicht von einem religiösen, sondern von einem nüchtern unternehmerischen Standpunkt aus: „Ich orientiere mich an der Nachfrage der Kunden“, sagte Yalcin, der seinen Supermarkt in einer sozial eher schwachen Gegend mit vielen staatlichen Wohnungen – und vielen Muslimen – betreibt, der Boulevardzeitung Le Parisien. Die Entscheidung für Halal-Produkte habe er dementsprechend aus rein geschäftlichen Gründen getroffen.

Mit einem Anwalt geht er deshalb gegen die Entscheidung der Stadtverwaltung vor: Yalcin argumentiert dabei, dass der Pachtvertrag, der noch bis 2019 läuft, einen Halal-Betrieb nicht ausschließe. In dem Vertrag sei lediglich von einem „Lebensmittelladen mit zugehörigen Aktivitäten“ die Rede. Die Frage, wie dies zu verstehen ist, wird nun ein Gericht klären. Die Verhandlung soll im Oktober beginnen.

Ich wäre schockiert, würde der Einzelhändler diesen Prozess verlieren, denn tatsächlich ist die Forderung der Stadtverwaltung für ihn existenzbedrohend, einerseits weil er wie erwähnt gezwungen würde Produktgruppen einzulisten, die nur Verluste generieren – für deren Verkauf er übrigens zusätzliche Investitionen tätigen müsste, um eine strikte Trennung von konventionellem und Halal-Fleisch gewährleisten zu können – und andererseits weil er befürchten muss jene Stammkunden zu verlieren, die aufgrund seines Profils bei ihm einkaufen.

Der Kleinunternehmer darf also nicht gezwungen werden, Schweinefleisch und Alkohol zu vertreiben!

In diesem Sinne: Prost!

Weißweinkolumne: Die Würde des Amtes – Am Arsch!

Wurde vor einigen Jahren noch in Anbetracht des beleidigten Abgangs von Präsidentendarsteller Horst-Köhler und der „Klinkerhaus-Affäre“ um seinen Nachfolger Christian Wulff über die Amtswürde des deutschen Staatsoberhaupts debattiert, so ist den Zeitungen heute die Ankündigung des Parteienkollektivs der Freien Wähler, den TV-Richter Alexander Hold als Präsidentschaftskandidaten in Rennen zu schicken, kaum mehr eine Meldung wert. Warum diskutiert bei einem solchen Vorschlag niemand über die Würde des Amtes?

In einem Zeitalter, in dem ein mehrfach gescheiterter Unternehmer, Marketingprofi und Reality-Star US-Präsident werden könnte, ist es wohl einfach konsequent, dass in Deutschland ein umstrittener TV-Richter als Kandidat für die Bundespräsidentenwahl auserkoren wird. Es ist das erste Mal, dass die Freien Wähler, die als zumeist konservative Kraft in vielen süddeutschen Kommunalparlamenten vertreten sind, einen eigenen Kandidaten aufstellen. Dabei sei die Entscheidung, sich ausgerechnet durch die Nominierung einer Ikone des Sat1-Billigfernsehens lächerlich zu machen, laut Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger einhellig auf allen Ebenen der Wählervereinigung getroffen worden. Da muss man sich doch fragen, wer bei den Freien Wählern entsprechende Funktionen ausfüllt.

Meine Empörung wird dabei nur wenig durch den Umstand abgemildert, dass der umstrittene Doku-Soap-Jurist als Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler im Kemptener Stadtrat laut Aiwanger ein „langjähriger Freier Wähler, der die Kommunalpolitik von der Pike auf kennt“ sei, für den man sich ganz bewusst entschieden habe. Letzteres zeigt nämlich einzig, dass es in der Bundesrepublik, insbesondere im elitaristisch geprägten bayrischen Freistaat, Personen gibt, die an die Bundespolitik die selben Maßstäbe anlegen, wie das Privatfernsehen an sein unterirdisches Nachmittagsprogramm. „Wir sind überzeugt, mit ihm ein richtiges Zeichen zu setzen, für den Rechtsstaat“, argumentierte Aiwanger. Welches Zeichen das sein soll, verrät er dabei allerdings nicht.

In zweitausend Folgen spielte Hold bis 2013 den Richter in der gleichnamigen Krawall-Gerichtsshow auf Sat1 und vermittelte damit einer ganzen Generation schlecht gebildeter Konsumenten des Nachmittagsfernsehens ein falsches Bild vom deutschen Justizsystem. Dass die Freien Wähler, die laut Aiwanger im Februar zehn Delegierte zur Bundesversammlung schicken werden, nun ausgerechnet ihn zum Kandidaten nominierten, ist auch deshalb skandalös, weil Juristenverbände Sendungen wie „Richter Alexander Hold“ oder „Richterin Barabara Salesch“, in denen Beweisaufnahme, Plädoyers und Urteilsspruch meist binnen zwanzig Minuten stattfanden, immer wieder eine zutiefst verzerrte Darstellung von Gerichtsverfahren vorwarfen. Da stellt sich doch die Frage, ob es duldbar ist, dass jemand, der das Justizwesen offenbar nur für einen Quell billiger Talkshow-Unterhaltung hält, fähig ist, das höchste Staatsamt in diesem Lande auszufüllen.

Glücklicherweise hat der „Richter“ allerdings keine großen Chancen auf das Amt, dennoch ist allein die Überlegung, dass es Personen in diesem Land gibt, die finden, ein solcher Vertreter des Krawallfernsehens sollte Deutschland künftig in der Welt vertreten, erschreckend. Einmal mehr zeigt die Nominierung der Freien Wähler, dass die Politbühne auch in Deutschland zunehmend zum Kasperletheater verkommt! Was haben wir wohl als nächstes zu erwarten? Wird die AfD Britt Hagedorn nominieren? Wird Vera Int-Veen Spitzenkandidatin der Grünen? Oder wie wäre es mit Oliver Pocher?

In diesem Sinne: Prost!

Weißweinkolumne: Bundeszynismusminister De Maizière und die Grünen.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sieht eine „Entwarnung“ in der Flüchtlingskrise nicht gegeben, zwar sei die Zahl der in den Erstaufnahmezentren registrierten Flüchtlinge im Juni signifikant auf auf 16.000 Personen gefallen, während es im Januar noch 92.000 Personen gewesen seien, was zeige, dass „die deutschen und europäischen Maßnahmen wirken“.

Die Lage sei jedoch weiterhin labil, weshalb sich der Innenminister nicht auf eine Prognose für die Gesamtzahl der ankommenden Flüchtlinge für 2016 festlegen wollte.

Auch habe das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) im ersten Halbjahr über die Asylanträge von 283.000 Personen entschieden, was einem Anstieg um fast 150 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gleichkomme. In den ersten sechs Monaten wurden rund 222.000 Migranten in Deutschland registriert. Knapp 397.000 Asylanträge wurden eingereicht, rund 122 Prozent mehr als im ersten Halbjahr 2015. Die hohe Zahl hängt damit zusammen, dass ein großer Teil der rund eine Million Flüchtlinge aus dem vergangenen Jahr erst jetzt ihren Antrag bei der Asylbehörde einreichen können.

De Maiziere sagte, die Ankunftszahlen zeigten, „dass wir insgesamt in diesem Halbjahr von einer deutlichen Entspannung bei der Flüchtlingskrise ausgehen können“. Womit er meint, man könne von einer Entspannung der Flüchtlingsankunftszahlen in Deutschland ausgehen. Was einmal mehr den Zynismus der deutschen Politik belegt: Von einer „Entspannung“ der größten humanitären Katastrophe seit dem zweiten Weltkrieg wird gesprochen, wenn sie beginnt, Deutschland nicht mehr zu betreffen. Ein Problem ist schließlich kein deutsches Problem, wenn man es für ein paar läppische Milliarden Euros an die Türkei outsourcen kann. Wobei bisher unklar ist, was der wahre Preis für dieses Geschäft sein wird. Das Erdogan-Regime jedenfalls wird es sich nicht nehmen lassen, das EU-Türkei-Abkommen auch als Druckmittel gegen Europa zu verwenden.

Neben dem „Funktionieren“ des Türkei-EU-Abkommens, zeigte sich der Innenminister besonders erfreut über die erfolgreiche Schließung der Balkanroute. Auch würden die über die Mittelmeerroute meist aus Libyen in Italien ankommenden Flüchtlinge nun dort registriert statt wie früher einfach weitergeleitet zu werden. Es sei jedoch unklar, ob dies so bleibe. Und auch für die Türkei meldete De Maizière vorsichtshalber Zweifel an: „ich würde nicht die Hand dafür ins Feuer legen, dass das auch in den nächsten Monaten so bleibt.“ Auch die Lage entlang der Balkanroute könne sich verschlechtern. Diese sei vor allem für große Gruppen dicht. Schleuser brächten aber vermehrt kleine Gruppen über die grünen Grenzen nach Deutschland. Es gebe schließlich auch Bewegungen über Italien und die Schweiz nach Deutschland.

File photo of a mounted policeman leading a group of migrants near Dobova
Flüchtlinge auf der Balkanroute Anfang 2015: Die Schließung der Balkanroute wird von De Maizière als großer Erfolg gefeiert.

Laut De Maizière will das Innenministerium auch daran arbeiten, die Zahl der „freiwilligen Ausreisen“ und Abschiebungen zu erhöhen. Sofern sich die bisherige Entwicklung fortsetze, sei eine Zahl von 100.000 erreichbar. Aber diese sei noch nicht gut genug. Zudem mahnte der Minister die Grünen, die Einstufung von Marokko, Algerien und Tunesien als sichere Herkunftsländer nicht mehr abzulehnen. Hier hofft die Regierung auf eine Einigung im Bundesrat im September. Ansonsten werde die Zahl der Einreisen von dort stark steigen, sagte de Maizière. Was eine Aussage ist, die an Zynismus kaum mehr zu übertreffen ist. Man stelle sich nur einmal vor jemand schlüge vor, Nordkorea für sicher zu erklären, weil von dort zu viele Flüchtlinge in die Bundesrepublik einreisten. Der Bundesinnenminister, der erst vor Kurzem die Unverschämtheit besaß Flüchtlingsärzten  – anhand von erfundenen Zahlen –  zu unterstellen, sie würden den deutschen Staat in seiner Abschiebepraxis behindern, argumentiert nun also ernsthaft, die Grünen müssten die große Koalition im Bundesrat darin unterstützen, die Maghreb-Staaten für sicher zu erklären, um marokkanische, algerische und tunesische Asylbewerber aus Deutschland fernhalten zu können?

Aber selbstverständlich ist er nicht der erste Konservative, der von den Grünen Unterstützung im Bundesrat fordert, tatsächlich gibt es kaum einen Innenpolitiker der Unionsparteien, der sich noch nicht dahingehend geäußert hat.

Die Bundestagsentscheidung vom 13. Mai, die drei nordwestafrikanischen Länder als sichere Herkunftsstaaten einzustufen, sowie der daraus folgende Druck auf die Grünen, sind dabei in erster Linie Ausdruck einer inhumanen Abschreckungs- und Abschottungspolitik der großen Koalition, die auch als Reaktion auf das Erstarken der rechtspopulistischen AfD verstanden werden muss. Deren Klientel soll mit derartiger Politik den etablierten Parteien wieder zugeführt werden. Letzteres ist allerdings zweifelsohne zum Scheitern verurteilt.

„Der Grünen-Abgeordnete Jürgen Trittin sagte im Vorfeld der Entscheidung im Mai wörtlich: „Das sind keine sicheren Herkunftsländer. Punkt.“ Sollten die Grünen im Bundesrat nun tatsächlich gegenüber dem Drängen der Konservativen einknicken, was in Anbetracht der zunehmenden innerparteilichen Macht konservatistischer Strömungen nicht auszuschließen ist, hätte damit wohl die Partei, deren Vorsitzende behauptete, es gäbe keine Partei links der Grünen, ihre Glaubwürdigkeit als progressive Partei endgültig verloren. Jedoch ist fast davon auszugehen, dass sich die Partei, die einst ihre Mitglieder aus der Friedensbewegung rekrutierte, mit dem Blick auf die „AfD-Bedrohung“ erneut von den Konservativen zur Verschärfung des Asylrechts instrumentalisieren lässt.

Dabei ist die Forderung der Koalition, die Innenminister De Maizière gerne in jedem Interview herunter betet, Marokko, Algerien und Tunesien zu sicheren Drittstaaten zu erklären, durchaus als abstrus einzustufen. Dort herrscht eine desolate Menschenrechtslage und die systematische Verfolgungen von Oppositionspolitikern, Journalisten und Menschen mit abweichender sexueller Orientierung steht an der Tagesordnung, wie die Menschenrechtsorganisationen Amnesty und Pro Asyl in einem offenen Brief an alle MinisterpräsidentInnen eindringlich schilderten.

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Im Mittelmeer ertrinken täglich Flüchtlinge, dennoch ist Thomas De Maizières größtes Problem, wie man die Überlebenden davon abhält nach Deutschland zu kommen. Zynismus pur.

Wir haben übrigens keinen Zweifel daran, dass Bundesinnenminister De Maizière in die Geschichte eingehen wird, als der schlimmste Innenminister, den die Bundesrepublik je hatte. Nachdem er sein fehlendes politisches Feingefühl zuletzt mit dem Vorschlag zeigte, eine nationale Wachmiliz – mit schlecht ausgebildeten Waffenträgern – gründen zu wollen, um der Gründung rechtsextremer Bürgerwehren vorweg zu greifen, belegt er in diesem Fall einmal mehr, dass er eben nur ein konservativer Zyniker ist. Und dennoch gehört er zu den beliebtesten Politikern dieses Landes. Unfassbar!

In diesem Sinne: Prost!

Weißweinkolumne: Provokation im Mittelmeer – oder warum Stargate unrealistisch ist.

Stargate SG1 gehörte in meiner Jugend zu meinen absoluten Lieblingsserien. Der Gedanke mit einem einzigen Schritt quer durch die Galaxie zu reisen, faszinierte mich ungemein. Mich ärgerte allerdings immer das unverhältnismäßig positive, fast verklärende Bild, welches die Sciencefiction-Serie vom amerikanischen Militär zeichnete. Für die positive Darstellung insbesondere der US Airforce wurde schließlich am 14. September 2004 der Darsteller Jack O’Neills und ausführende Produzent der Serie, Richard Dean Anderson, zum Brigadegeneral ehrenhalber ernannt. Eine Auszeichnung, von der ich persönlich nicht wüsste, ob ich stolz auf sie wäre.

Tatsächlich wird die US Luftwaffe, während die zivile Administration der USA durchaus ihr Fett weg kriegt, teils als korrupt und von außerirdischen Kräften unterwandert dargestellt wird, unwahrscheinlich heroisch gezeigt, als diplomatische Speerspitze der Erde im Weltraum. Unwahrscheinlich aus heutiger Sicht ist auch die Darstellung internationaler Zusammenarbeit im Stargate-Programm, wie sie in den späteren Staffeln gezeigt wird.

Vielleicht sogar das unrealistischste an der Serie war die Kooperation von russischen und amerikanischen Militärs im Weltraumprogramm der Luftwaffe. Wer könnte sich heute vorstellen, dass russische und amerikanische Soldaten gemeinsam auf Forschungsreise in den Weltraum aufbrechen, wer könnte sich heute vorstellen, dass sie auf einer Militärbasis oder gar auf einem interstellaren Raumflug zusammen arbeiten? Kaum jemand.

Das Stargate-Szenario, wirkt umso entfernter, wenn man die teils ins Alberne gehenden gegenseitigen Provokationen der beiden Großmächte beobachtet. Der letzte derartige Vorfall spielte sich kürzlich im östlichen Mittelmeer ab: Dort näherte sich die russische Fregatte „Jaroslaw Mudri“ dem US-Kreuzer „USS San Jacinto“ nach Berichten der US-Marine auf eine „nicht gerechtfertigte Distanz“. Bei dem Zwischenfall am vergangenen Donnerstag habe das russische Schiff im Kielwasser der „San Jacinto“ auf „wenig professionelle Weise“ hin und her manövriert. Wie ich bereits erwähnte: Provokationen, die ins Alberne abdriften! Ähnliche gegenseitige Vorwürfe gab es in den vergangene Monaten zuhauf, meist betrafen sie die Annäherung von Militärflugzeugen über dem Baltikum, aber auch im Mittelmeer kam es schon zu Zusammenstößen zwischen den Großmächten.

Da ist es nicht von der Hand zu weisen, dass es früher oder später zu dem kommen könnte, was das amerikanische Europakommando „gefährliche Fehlkalkulationen oder Unfälle“ nennt. Eine Phrase die nichts anderes bedeutet als: „Irgendwann könnte mal jemand das Feuer eröffnen!“ Bei diesen Aussichten wünscht man sich doch die unrealistische Welt von Stargate SG1 zurück, in der der kalte Krieg endgültig vorbei war, und Menschen aller Nationen an der Eroberung des Weltraums arbeiteten statt sich gegenseitig zu bekriegen.

In diesem Sinne: Prost!

Weißweinkolumne: Wie das alte Europa das Junge besiegt – immer wieder!

Es gibt Tage, da überkommt mich der Reflex, das „Demokratisch.“ aus unserem Slogan heraus zu reißen und zu verbrennen! Es gibt Tage, da will ich kein Demokrat sein, meistens sind das die Tage, an denen sich wieder einmal zeigt, wie unfassbar dämlich demokratische Entscheidungsprozesse enden können. So ging es mir, als ich am Abend der Landtagswahlen in Baden-Württemberg das Ergebnis der unseligen AfD sah, als die CDU bei der Bundestagswahl 2013 die absolute Mehrheit nur so knapp verfehlte, dass sie nun die alte Sozialdemokratie nur als persönlichen Prügelknaben braucht und so ging es mir, als ich das Ergebnis des BREXIT-Votums am Freitag sah. Direkte Demokratie kann ganz schön in die Hose gehen!

Das Abstimmungsergebnis von 51,9 Prozent für „Leave“ zu 48,1 Prozent für „Remain“ mag ein Sieg der Antieuropäer über die Weltbürger, ein Sieg der Xenophobie über die Offenheit, ein Sieg der Angst über die Courage sein, aber insbesondere ist das Ergebnis ein Sieg der Vergangenheit über die Zukunft. Denn ganz andere, durchaus interessante Ergebnisse ergeben sich, wenn man sich die Altersverteilung der Abstimmungsergebnisse anschaut:

66 Prozent der unter 25-Jährigen und 52-Prozent der 25-49-Jährigen stimmten in Großbritannien für einen Verbleib in der Europäischen Union. Jene Wähler, die für den Austritt aus der EU gestimmt haben waren zum größten Teil über 50. Menschen, die nicht mehr mit der getroffenen Entscheidung leben müssen, Menschen, die dem gestrigen Europa, dem gestrigen Großbritannien angehören. Man mag das tragisch finden, aber letztlich ist auch dies eine Konsequenz aus der Überalterung de Gesellschaft. Die Alten haben die demokratische Macht, sie bestimmen in Europa, wer regiert, sie bestimmen wie regiert wird, nicht umsonst gibt es von den Unionsparteien regelmäßige politische Bonbons für die Rentner von heute, auf Kosten der jüngeren Generationen. Versetzt man sich in die Lage der Unionsparteien ist das durchaus ein logisches Verhalten, immerhin haben sie unter jungen Bürgern quasi keine Wähler, da müssen eben die Altern so lange wie möglich konserviert werden. Ob wohl auch in Deutschland, nach russischem Vorbild, alte Menschen am Wahltag massenweise mit Bussen in die Wahllokale gekarrt werden? Wundern würde es mich nicht.

Vielleicht sollte man, ähnlich wie es ein Mindestalter zum wählen gibt, auch ein Maximalalter einführen? Oder vielleicht sollte die Jugend einfach lauter werden und den Alten die Moralpistole auf die Brust setzen! Ich weiß es nicht! Es ist zum Verzweifeln!

Durchaus zu Recht fühlt sich nun die britische Jugend von der älteren Generation betrogen! In den großen Städten gibt es Demonstrationen, eine Petition, die eine erneute Abstimmung über den EU-Verbleib fordert, wurde bereits von über 2 Millionen Menschen unterschrieben. Der tatsächliche Austritt aus der EU scheint alles andere als sicher, zumal auch viele Abgeordnete des Unterhauses deutlich machten, sie werden nach ihrem Gewissen abstimmen und sie betrachteten das Referendum nur als Ratschlag der Bevölkerung. Überhaupt wird dieser Punkt in der ganzen Sache oft vergessen: Die Entscheidung, ob Großbritannien in der EU bleibt oder nicht, trifft das Parlament! Dem Referendum folgt keine rechtliche Obligation. Die Jugend hat nun die Chance, sich mit den Parlamentariern zu verbünden, eine Allianz der Zukunft zu bilden gegen das Bollwerk der Vergangenheit. Sicher jedenfalls ist beim BREXIT noch gar nichts, abgesehen davon, dass bei der Abstimmung wieder einmal das alte über das neue Europa gesiegt hat.

Möge niemals wieder die Vergangenheit über die Zukunft siegen!
In diesem Sinne: Cheers!

Ausführliche Informationen zum BREXIT-Votum und dessen Bedeutung für die EU finden Sie hier.

Weißweinkolumne: Veganer Terror, oder mein Hass auf Netzveganer.

Kennen Sie Netzveganer? Nicht Veganer, die auch das Internet nutzen, gegen die ist nichts einzuwenden, auch gegen Veganer, die das Netz verwenden, um vernünftig über ihre Ernährungsweise aufzuklären und zu diskutieren nicht. Netzveganer aber gehören zu jener Art Mensch, die immer Recht haben, auch wenn jeglicher wissenschaftlicher Beleg gegen sie spricht. Netzveganer sind eine Art lose verknüpfter Sekte von Fanatikern, die Al Qaida der Ernährungsphilosophie. Taub für vernünftige Argumente, fundamental der reinen Lehre zugehörig, jederzeit bereit „ungläubige“ Fleischesser und gemäßigte Vegetarier mit einstudierten, immer gleichen Hetzpredigten zu überziehen.

Ja die Gesellschaft verbrät und konsumiert zu viel Fleisch und tierische Produkte, die industrielle Tierhaltung ist mitverantwortlich für den Klimawandel und die Abholzung der Regenwälder. Das sehe ich ein. Aber wenn ein Mitglied der wachsenden veganen Terrormiliz  mich darüber zu belehren versucht, schaltet aus irgendeinem Grunde meine Vernunft ab. Es ist als sträubte sich mein Verstand dagegen die Wahrheit aus jeglicher Art fanatischer Hetzrede zu filtern, er macht dann einfach dicht und ich bekomme Lust auf ein fettes T-Bone-Steak mit Chicken-Wings als Beilage. Eine widerwärtige Trotzreaktion. Meine Verachtung gegen diese Art von Menschen ist mittlerweile so groß, dass ich auch gegenüber „normalen“ Veganern gewisse Vorurteile habe. Bin ich veganophob? Funktioniert so nicht auch die Islamophobie? Sind nicht auch im Islam ein paar fundamentalistische Spinner der Grund für die Vorverurteilung einer ganzen Religion?

Aus Respekt vor gemäßigten Veganern trinke ich heute einen veganen Wein, wussten Sie, dass es das gibt? Ich auch nicht bis vor kurzem. Oder wussten Sie, dass Bio-Äpfel niemals vegan sind? Ich auch nicht, bis mir ein befreundeter Bio-Landwirt von einem Gespräch in seinem Hofladen berichtete: Eine Frau mittleren Alters habe den Laden betreten und die Verkäuferin in jenem Hofladen gefragt, ob denn die angebotenen Äpfel auch vegan seien, worauf die Verkäuferin wahrheitsgemäß angab, diese seien nicht gewachst, jedoch könne man nie hundertprozentig sicher sein, ob nicht in einem ungespritzten Apfel ein Wurm gewesen sei. Die Kundin sei daraufhin sehr enttäuscht von dannen gezogen. Diese Anekdote zeigt doch Eindrücklich die Absurdität dieser Ernährungsphilosophie, denn einerseits wollen fanatische Veganer keinesfalls auch nur Spuren tierischer Produkte zu sich nehmen, aber andererseits muss bitteschön auch alles Bio sein. Man will die eierlegende Wollmilchsau in Gemüseform.

Nun hätte ich wie gesagt kein Problem damit, hätte sogar einen gewissen Respekt vor Menschen, die sich in dieser Art bewusst umweltschonend ernähren, wenn es nicht einerseits diese wachsende fundamentalistische Schule gäbe und wenn nicht andererseits beinahe jeden Tag ein Missionar dieser Schule versuchen würde mich zu bekehren. Der fanatische, militante Netzveganismus jedoch macht es mir zu häufig unmöglich, mich unvoreingenommen mit der Materie zu befassen.

In diesem Sinne: Prost!

Weißweinkolumne: Von linken Gutmenschen und türkischen Basaren

Ich lese gerne die Zeit, das war schon in der Schulzeit so, ich konnte mit Tageszeitungen nie etwas anfangen, zu viel Text für zu wenig Tag. Bei uns in der Schule lagen immer kostenlos zwei Zeitungen aus: Täglich die FAZ und wöchentlich die Zeit. Hätte mich erstere damals nicht mit ihren alltäglichen Bleiwüsten erschlagen, vielleicht wäre ich dann heute ein Konservativer. So aber hat mich die links-liberale Zeit geprägt und mit den Jahren entwickelte sich eine linke Gesinnung, die je nach Jahreszeit mehr ins Radikale oder Gemäßigte schwankte. Und so lese ich auch heute noch gern die Zeit, stimme mit manchem überein, widerspreche vielem.

Auch heute las ich die Zeit (online). Beim Schmunzeln über einen durchaus unterhaltsamen Beitrag von Tagesspiegel-Redakteur Harald Martenstein, den ich intellektuell sehr schätze (Ich erinnere mich auch immer gerne an seine Beiträge im Zeitmagazin aus meiner Jugend), kam mir der Gedanke, Linke könnten hin und wieder doch etwas zur Übertreibung neigen, insbesondere in der Rassismusdebatte.

Im erwähnten Werk, das hiermit durchaus empfohlen sei, wirft Martensteins erzählerisches Ich einem Sicherheitsbeamten vor, eine rassistische Bemerkung gemacht zu haben, als dieser meint: „Wir sind doch hier nicht auf dem türkischen Basar“. Das erzählerische Ich will damit zwar nur von seinem eigenen Fehlverhalten ablenken, und die Machtverhältnisse in der Diskussion mit dem Kontrolleur umkehren (was ihm auch teilweise gelingt), der Autor jedoch schneidet damit gleich zwei gesellschaftlich relevante Fragen an. Erstens: Ist es in Deutschland möglich, die eigentlich zentralen Punkte einer Debatte mittels stumpfer Rassismusvorwürfe weg zu wischen? Und Zweitens: Sehen wir mittlerweile eventuell auch Rassismus, wo gar keiner ist?

Die erste Frage lässt sich im Falle der Linken mit einem klaren Ja und in Bezug auf Deutschland mit einem klaren Jein beantworten. Als Sarah Wagenknecht vor einigen Wochen von den Grenzen der Aufnahmefähigkeit in Sachen Flüchtlingen sprach, wurde in der Linken keine wirkliche Debatte geführt, stattdessen wurde sie in den ersten Tagen nach ihrer Äußerung von fast allen Parteiströmungen für ihre Überlegungen verdammt. Ihre Äußerungen seien rassistisch und auf einer Linie mit NPD, PEGIDA und AfD hieß es, und schon war die notwendige Debatte erst mal vom Tisch.

Ähnlich sieht es bei der medialen Auseinandersetzung mit der AfD aus, statt sich konkret und detailliert mit den Forderungen der rechtspopulistischen Partei und ihrer Mitglieder auseinander zu setzen und die Partei auf diese Weise zu stellen, schießen sich die Medien zunehmend auf die provokantesten Aussagen einiger weniger Parteikader ein, wobei zu befürchten steht, dass die mediale Aufmerksamkeit, die beispielsweise ein Alexander Gauland derzeit erhält, diesem auch noch nutzt. Aber derlei provokante Persönlichkeiten garantieren natürlich eine gewisse Einschaltquote. Auch hier bleibt die eigentliche Debatte auf der Strecke.

Die zweite Frage ist weniger einfach zu beantworten, weshalb ich sie nur für mich persönlich beantworte: Aus meiner Sicht, und ich bin mir fast sicher Herr Martenstein wird mir beipflichten, ist beispielsweise die Aussage „Wir sind doch hier nicht auf dem türkischen Basar“ keineswegs rassistisch. Ja sie spielt mit einer kulturellen Besonderheit des Orients, aber weshalb muss das bösartig sein? Waren sie schon mal auf einem türkischen Basar? Dort wird gefeilscht. Das ist Fakt und wundervoll. Bei anderen Gelegenheiten verhält sich das anders, sagt jemand in meiner Gegenwart „Zigeuner“ oder „Neger“, so korrigiere ich ihn mittlerweile fast reflexartig, was auch zu peinlichen Situationen führen kann. So kam es beispielsweise eines Abends, als ich eine Bekannte von der Arbeit im Supermarkt abholte zu folgendem Dialog:

Arbeitskollegin meiner Bekannten (zu meiner Bekannten): Heute Morgen war wieder der Neger einkaufen, der große mit der Lederjacke, weißte?
Ich: Sie meinen sicher, der Schwarze mit der Lederjacke, oder?Sie (mich verdutzt anguckend): Bitte was?
Ich: Naja, Neger ist doch ziemlich rassistisch, das sagt man nicht mehr.
Sie (ärgerlich): Achja? Ich bin mit einem Schwarzen verheiratet und habe zwei Kinder mit ihm, ich bin also rassistisch?

Selbst wenn uns also etwas übel aufstößt, sollten wir uns vielleicht manchmal einen kleinen Moment zurückhalten, ehe wir uns unseren Gutmenschenreflexen hingeben.

In diesem Sinne: Prost!