Weißweinkolumne: Die schöne neue rechte Medienwelt.

Rechtspopulisten sorgen für Kontroversen und Kontroversen sorgen für Auflagen und Einschaltquoten. Aus der Sicht profitorientierter Medienhäuser ist es daher kaum verwunderlich, dass man hin und wieder Populisten wie Donald Trump, Beatrix von Storch, Frauke Petry oder Marine le Pen eine Bühne zur Selbstdarstellung bietet, so sehr man schließlich deren Ansichten verabscheuen mag, lassen sich doch rechte Provokationen fantastisch kapitalisieren.

Auch ist es nachvollziehbar, dass die – offiziell nicht gewinnorientierten – öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sich regelmäßig kontroverse gestalten vom rechten Rand einladen, man will schließlich relevant bleiben und irgendwie auch ein bisschen politische Bildung betreiben. Nicht nachvollziehbar ist dagegen, wie es sein kann, dass nicht, nachdem eben jene Rechtspopulisten, denen die „Mainstream-Medien“ regelmäßig und bereitwillig stundenweise freier Selbstdarstellungszeit in Interviews und Talkrunden zukommen ließen, einen großen Teil der Presse von einer Veranstaltung ausschließt, ein Aufschrei zorniger Empörung durch die Medienhäuser grollt!

Wie kann es denn sein, dass die deutsche Presse es Funktionären der AfD durchgehen lässt, ungeliebten Medienvertretern die Akkreditierungen für einen offiziellen Kongress der Fraktion „Europa der Nationen und Freiheit“ (ENF) im Europäischen Parlament zu verweigern? Nicht einmal ARD und ZDF gelang es, Journalisten für die Zusammenkunft der europäischen Rechtspopulisten zu akkreditieren. Die ENF, der auch die wenigen AfD-Abgeordneten im Europaparlament angehören, betreibt hier einen klaren Presseboykott, dem die Presse nur in einer einzigen Weise angemessen begegnen kann: Mit einem solidarischen Rechtspopulistenboykott! Keine Frauke Petry mehr bei Anne Will, kein Alexander Gauland mehr bei Hart aber fair, keine Beatrix von Storch mehr im Spiegel-Interview, bis sich die Beteiligten öffentlich für ihre unfassbar Beleidigung der Pressefreiheit – eines urdemokratischen Wertes – entschuldigt haben.

Hintergrund: Kürzlich wurde bekannt, dass mehrere Medienvertreter, darunter Journalisten zahlreicher großer Medienhäuser, von der Versammlung der rechtspopulistischen EU-Abgeordneten im rheinland-pfälzischen Koblenz ausgeladen wurden – offenbar auch auf Betreiben des umstrittenen AfD-Abgeordneten Marcus Pretzell.

Zwar gibt es Kritik am Gebaren der Kongressorganisatoren, so ließ das ZDF erklären: „Es ist ein Angriff auf die Pressefreiheit, dass ZDF-Reporter von dem Kongress ausgeschlossen werden.“ Und die ARD gibt an, „rechtliche Schritte“ prüfen zu wollen, von Solidarität in der Presse ist aber nichts zu spüren, auch nicht von entschiedenem auftreten.

Dass am Montagabend mit der AfD-Vorsitzenden Frauke Petry ausgerechnet eine der prominentesten Teilnehmerinnen des Kongresses und die Ehefrau Marcus Pretzells, des Abgeordneten, der mitteilen ließ, dass „GEZ-Medien“ der Zutritt zu der Versammlung verwehrt sei, bei „Hart aber Fair“ zu Gast ist, ist dabei schon fast ein Treppenwitz. Ein ARD-Sprecher erklärt dazu gegenüber dem Berliner Tagesspiegel: „Grundsätzlich: Bei uns sind die Standards der Berichterstattung nicht davon beeinflusst, wie die Parteien sich unserem Sender oder der ARD gegenüber verhalten.“ Dies ist ein Fehler! Wenn es einer politische Kraft in so offensichtlicher Weise an jeglichem Respekt vor der Pressefreiheit mangelt, dann haben die Medien auch das Recht – und ich will sogar sagen die Pflicht – dagegen entschlossen und radikal vorzugehen. Wenn Politiker die Presse nicht respektieren, darf diese sich nicht duckmäuserisch fügen, sie muss dann erst Recht beweisen, welches ihre Aufgabe in einer demokratischen Gesellschaft ist!

Die ARD aber duckmäuserisch wie eh und je bedenkt nicht einmal eine Themenänderung für die Sendung am Montag. Wie geplant soll es zum Auftakt in das Superwahljahr 2017 – mittlerweile scheint ja jedes zweite Jahr „Superwahljahr“ zu sein – um die „konkreten Konzepte der Parteien bei den zentralen Themen Sicherheit, Steuern und Rente“ gehen. Trotz aller Kritik an der Ausladung vom Treffen der ENF-Fraktion in Koblenz sei es für den Zuschauer interessant zu erfahren, welche Antworten die AfD auf diesen Gebieten zu bieten habe, so der ARD-Sprecher.

Und sicherlich: Bei Umfragewerten wischen 12 und 15 Prozent scheint es journalistisch durchaus geboten, sich mit den Positionen der AfD auseinander zu setzen. Wenn aber die AfD bzw. die ENF an anderer Stelle eine journalistische Beurteilung ihrer Positionen durch einen klaren Akt der Zensur schlicht verweigert (was insofern wunderbar ironisch ist, als dass unter den Wählern dieser Partei so viele „Lügenpresse“-Schreier sind, dass man sie kaum zählen kann), gibt es keinen Grund, warum nicht die ARD die Gelegenheit zum Gegenschlag nutzen sollte. Entweder durch kurzfirstiges Ausladen von Frauke Petry, oder durch ebenso kurzfristiges Ändern des Themenschwerpunktes. Wenn man sich in solch einer Position schon verpflichtet sieht, Politiker einzuladen, die keinerlei Respekt vor der Presse haben, warum dann nicht über die Pressefreiheit reden? Schließlich sagt es die ARD ja selbst: „Der Zuschauer soll sich ein eigenes Bild machen können, und dies nicht nur durch eine Diskussion über die AfD, sondern auch durch ein direktes Befragen ihrer Vertreter.“ Das kann doch auch für das Thema Pressefreiheit gelten, oder?

Also liebe ARD, ihr habt zwei Möglichkeiten: Petry und Konsorten boykottieren, oder eine öffentliche und aggressive Debatte über die Pressefreiheit anstoßen – im Dialog mit der AfD! Entscheidet euch!

In diesem Sinne: Prost!

Polizistin spioniert Kollegen für RTL aus.

Köln. Weite Kreise zieht derzeit der Fall einer Kölner Polizistin, die ihre Kollegen monatelang im Dienst mit versteckten Kameras gefilmt und dabei dienstliche und private Gespräche mit getarnten Mikros mitgeschnitten haben soll. Die junge Frau wurde mittlerweile suspendiert und soll aus dem Dienst entlassen werden. Hinter den heimlichen Aufnahmen steckt offenbar eine Kollaboration mit dem Privatsender RTL.

Auf Anfrage der deutschen Presseagentur teilte die Kölner Polizei am Dienstag mit: „Wir ermitteln gegen drei Einzelpersonen – eine Polizeibeamtin, eine RTL-Journalistin und einen Kameramann“  Gegen den Kölner TV-Sender RTL werde dagegen entgegen anders lautender Meldungen nicht wegen verbotener Recherchen mit versteckter Kamera ermittelt. Die Polizistin und die beiden Journalisten waren in der vergangenen Woche bei heimlichen Dreharbeiten am Kölner Hauptbahnhof enttarnt worden. Gegen die Polizistin wird wegen des Verdachts der Verletzung von Privatgeheimnissen ermittelt, während gegen den Kameramann und die RTL-Reporterin strafrechtliche Untersuchungen wegen Beihilfe und Anstiftung laufen.

Der Kölner Polizeipräsident Jürgen Mathies beschrieb das Verhalten der Polizistin, die offenbar einer in der Nähe von Köln stationierten Einsatzhundertschaft angehörte, in einer Mitteilung als schweren Vertrauensbruch: „Ich bin erschüttert und empört über das Verhalten dieser jungen Frau. Das für mich, meine Behörde und insbesondere auch meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter notwendige Vertrauen gegenüber dieser Beamtin ist unwiderruflich zerrüttet“.

Es mag nun den einen oder anderen entsetzen, aber damit hat er völlig recht! Polizisten müssen sich täglich in brenzlichen Situationen auf ihre Partner verlassen können, wie aber sollen sie einander vertrauen, wenn bekannt wird, dass ihre Kollegen unter Umständen Privatgespräche mithören und aufzeichnen? Die Suspendierung und Entlassung der jungen Frau ist demnach völlig gerechtfertigt! Der Bürger möchte nicht, dass er von der Polizei unter einem Generalverdacht pauschal überwacht wird, und so darf es auch nicht sein, dass sich Polizisten mit einzelnen Medienmachern zusammentun und wiederum die Sicherheitsbehörden unter einen Generalverdacht stellen.

Völlig anders sähe das übrigens aus, stellte sich im Rahmen der nun eingeleiteten Ermittlungen heraus, dass die investigative Aktion auf konkreten Anhaltspunkten für polizeiliches Fehlverhalten fußte. Bisher jedoch gab sich RTL sehr bedeckt zu der Thematik, so ist bisher auch nicht klar, für welche Sendung die Aufnahmen bestimmt waren. Bekannt ist jedoch, dass die investigativjournalistische Sendung „Team Wallraff“ nicht in den Fall involviert war. Das aufgenommene Material sei mittlerweile vollständig an die Staatsanwaltschaft übergeben worden, heißt es aus Polizeikreisen.

Zur Intention der heimlichen Dreharbeiten erklärte RTL bisher einzig gegenüber dem Branchendienst DWDL.de: „Vor dem Hintergrund, dass die Polizei auch angesichts der erhöhten Sicherheitsgefährdung hierzulande vor immer größeren Herausforderungen steht, stellen sich auch Fragen nach dem inneren Zustand – sprich: den Arbeitsbedingungen bei der Polizei.“ Man wollte demnach Einblicke in die Arbeitsabläufe des Polizeialltags bekommen, um zu dokumentieren, welchen Bedingungen Polizisten ausgesetzt seien. „Wir haben in diesem Zusammenhang diverse Hinweise von Insidern, unter anderem über erheblichen Arbeitsdruck und Stress in der Belegschaft sowie zum Teil Übergriffe und Respektlosigkeiten gegenüber Polizisten im Einsatz, erhalten“, so RTL.

Die Frage ist nun, ob dies verdeckte Fernsehaufnahmen inklusive offenbar tiefer Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte der Polizeibeamten rechtfertigt. Eine Frage, die während der kommenden Prozesse zu klären sein wird. Tendenziell scheint jedoch, geht man davon aus, dass Polizisten die selben Persönlichkeitsrechte besitzen wie Zivilisten, eine Neigung zum „Nein“ in diesem Falle angebracht.

Weißweinkolumne: Die Würde des Amtes – Am Arsch!

Wurde vor einigen Jahren noch in Anbetracht des beleidigten Abgangs von Präsidentendarsteller Horst-Köhler und der „Klinkerhaus-Affäre“ um seinen Nachfolger Christian Wulff über die Amtswürde des deutschen Staatsoberhaupts debattiert, so ist den Zeitungen heute die Ankündigung des Parteienkollektivs der Freien Wähler, den TV-Richter Alexander Hold als Präsidentschaftskandidaten in Rennen zu schicken, kaum mehr eine Meldung wert. Warum diskutiert bei einem solchen Vorschlag niemand über die Würde des Amtes?

In einem Zeitalter, in dem ein mehrfach gescheiterter Unternehmer, Marketingprofi und Reality-Star US-Präsident werden könnte, ist es wohl einfach konsequent, dass in Deutschland ein umstrittener TV-Richter als Kandidat für die Bundespräsidentenwahl auserkoren wird. Es ist das erste Mal, dass die Freien Wähler, die als zumeist konservative Kraft in vielen süddeutschen Kommunalparlamenten vertreten sind, einen eigenen Kandidaten aufstellen. Dabei sei die Entscheidung, sich ausgerechnet durch die Nominierung einer Ikone des Sat1-Billigfernsehens lächerlich zu machen, laut Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger einhellig auf allen Ebenen der Wählervereinigung getroffen worden. Da muss man sich doch fragen, wer bei den Freien Wählern entsprechende Funktionen ausfüllt.

Meine Empörung wird dabei nur wenig durch den Umstand abgemildert, dass der umstrittene Doku-Soap-Jurist als Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler im Kemptener Stadtrat laut Aiwanger ein „langjähriger Freier Wähler, der die Kommunalpolitik von der Pike auf kennt“ sei, für den man sich ganz bewusst entschieden habe. Letzteres zeigt nämlich einzig, dass es in der Bundesrepublik, insbesondere im elitaristisch geprägten bayrischen Freistaat, Personen gibt, die an die Bundespolitik die selben Maßstäbe anlegen, wie das Privatfernsehen an sein unterirdisches Nachmittagsprogramm. „Wir sind überzeugt, mit ihm ein richtiges Zeichen zu setzen, für den Rechtsstaat“, argumentierte Aiwanger. Welches Zeichen das sein soll, verrät er dabei allerdings nicht.

In zweitausend Folgen spielte Hold bis 2013 den Richter in der gleichnamigen Krawall-Gerichtsshow auf Sat1 und vermittelte damit einer ganzen Generation schlecht gebildeter Konsumenten des Nachmittagsfernsehens ein falsches Bild vom deutschen Justizsystem. Dass die Freien Wähler, die laut Aiwanger im Februar zehn Delegierte zur Bundesversammlung schicken werden, nun ausgerechnet ihn zum Kandidaten nominierten, ist auch deshalb skandalös, weil Juristenverbände Sendungen wie „Richter Alexander Hold“ oder „Richterin Barabara Salesch“, in denen Beweisaufnahme, Plädoyers und Urteilsspruch meist binnen zwanzig Minuten stattfanden, immer wieder eine zutiefst verzerrte Darstellung von Gerichtsverfahren vorwarfen. Da stellt sich doch die Frage, ob es duldbar ist, dass jemand, der das Justizwesen offenbar nur für einen Quell billiger Talkshow-Unterhaltung hält, fähig ist, das höchste Staatsamt in diesem Lande auszufüllen.

Glücklicherweise hat der „Richter“ allerdings keine großen Chancen auf das Amt, dennoch ist allein die Überlegung, dass es Personen in diesem Land gibt, die finden, ein solcher Vertreter des Krawallfernsehens sollte Deutschland künftig in der Welt vertreten, erschreckend. Einmal mehr zeigt die Nominierung der Freien Wähler, dass die Politbühne auch in Deutschland zunehmend zum Kasperletheater verkommt! Was haben wir wohl als nächstes zu erwarten? Wird die AfD Britt Hagedorn nominieren? Wird Vera Int-Veen Spitzenkandidatin der Grünen? Oder wie wäre es mit Oliver Pocher?

In diesem Sinne: Prost!

Warum Progressive meistens an den Medien scheitern.

Wer versucht in einem Land heutzutage die neoliberale Staatsdoktrin durch progressive Politik abzulösen, sieht sich stets mit einem fundamentalen Problem konfrontiert: Der politische Gegner kann auf einen etablierten Machtapparat zurückgreifen und hat in der Regel Rückendeckung von der mächtigsten politischen Kraft der Welt, dem internationalen Großkapital.

Dieses kontrolliert mittels Wahlkampf- und Parteispenden nicht nur das Gros der konservativ-wirtschaftsliberalen Politiker und sogar der eher Linksliberalen (in Deutschland wären das wohl SPD und Grüne) sondern sie kontrollieren auch die öffentliche politische Debatte über ihren direkten und indirekten Einfluss auf die Medien. Dabei sei mit direktem Einfluss die konkrete Beeinflussung von Journalisten durch die Medienimperien, für die sie arbeiten, gemeint. Mit indirektem Einfluss sei dagegen die deutlich diffusere Einflussnahme von Werbetreibenden auf die „Werbeträger“ wie Televisionsanstalten, Nachrichten-Websites oder Printmedien beschrieben. Entzögen diese Werbetreibenden einem Medium die Gelder, so könnte es sich in den meisten Fällen nicht mehr finanzieren, weshalb man es sich mit Werbekunden lieber nicht verscherzt. Zwar gibt es bei Privaten Medien hin und wieder vorsichtige, thematisch stark eingegrenzte Kritik an einzelnen Konzernen, fundamentale Systemkritik kann aber aus oben genannten Gründen nicht stattfinden, man grübe sich damit selbst das Wasser ab.

In Deutschland (und vielen anderen europäischen Staaten) soll deshalb ein öffentlich-rechtliches Mediensystem dem Privaten gegenüberstehen. Dieses ist jedoch mitnichten neutral, gerade in Deutschland gibt es eine signifikante politische Beeinflussung der öffentlich-rechtlichen Televisionsanstalten, was mittlerweile sogar höchstrichterlich festgestellt wurde. Hinzu kommt die unselige „duale Finanzierung“ des Systems, die es öffentlich finanzierten Sendeanstalten erlaubt sich zusätzlich durch Werbung zu finanzieren, wodurch Korruption Tür und Tor geöffnet werden. Auch dank dieser Werbekunden kommen die Öffentlich-Rechtlichen ihrem zentralen Auftrag, unabhängig zur politischen Meinungsbildung beizutragen, nicht nach. Wichtiger sind Quoten, um mehr Werbegelder abgreifen zu können, weshalb Sport-Großereignisse so gern für horrende Summen an Beitragsgeldern ersteigert werden. Offiziell dürfen die öffentlich-rechtlichen Medienanstalten zwar keine Gewinne erzielen, die hinter den Sendungen stehenden Produktionsfirmen sind jedoch Privatunternehmen, die nicht selten eng mit leitenden Figuren des Rundfunks verwebt sind. Ein emblematisches Beispiel hierfür ist die (nun glücklicherweise abgesetzte) Polit-Talkshow Günther Jauch, die von der Produktionsfirme i&u TV des namensgebenden Moderators Günther Jauch produziert wurde. Ähnliche Konstrukte werden auch in anderen Sendungen, Rundfunkanstalten und Ländern fabriziert, auch die Öffentlich-Rechtlichen sind also über die Verstrickung mit der neoliberalen Politik und privaten Produktionsfirmen sowie durch die Motivation, Werbekunden nicht abzuschrecken, dem Großkapital hörig.

In den USA gibt es kaum öffentlich finanzierte Medien, weshalb es nicht verwunderlich ist, dass hier die pro-kapitalistische und anti-progressive Berichterstattung umso ausgeprägter ist. Zuletzt zeigte der Wahlkampf des radikal progressiven Senators Bernie Sanders aus Vermont beispielhaft die Macht des kapitalistischen Mediensystems: Zwar lieferte sich der ungeliebte Sozialist mit der vom neoliberalen Establishment eingesetzten Kandidatin Hillary Clinton eine Medienschlacht der Superlative, und er wurde gerne von den Fernsehsendern eingeladen, denn er brachte trotz seines Alters junge Amerikaner vor die Bildschirme, aber vom ersten Tag an wurde sein Wahlkampf systematisch zum Scheitern verurteilt. Einen wirklich progressiven Politiker im weißen Haus, einen, der Wahlkampfspenden von Großkonzernen und Milliardären ablehnt, einen Sozialisten, nein, das durfte es nicht geben. Aus der Sicht der Medienkonzerne ist das durchaus konsequent und entbehrt nicht einer gewissen Logik: Warum sollten sie jemandem gegenüber fair sein, der unter Umständen ihr ganzes Geschäftsmodell schädigen könnte?

Das der Wahlkampf des Sozialisten trotzdem so erfolgreich war, ist in erster Linie dem Internet zu verdanken. Hier hat das Großkapital noch nicht die absolute Informationshoheit gewonnen, weshalb es der Sanders-Kampagne online gelang, sich korrekt darzustellen, während die kommerziellen Regeln sie in aller Regel diffamierten oder kleinredeten. So ist es kein Zufall, dass Sanders auch von sogenannten „linken“ Medien schon früh in den Vorwahlen zum Aufgeben gedrängt wurde und dass regelmäßig die Delegiertenzahlen von Hillary Clinton durch Zählung von sogenannten Superdelegierten (Parteifunktionäre der Demokratischen Partei, die etwa 15 Prozent der Parteitagsdelegierten ausmachen), die erst auf dem Parteitag ihre Stimme abgeben, künstlich in die Höhe getrieben wurden, um schon früh ein Ausscheiden der Sanders-Kampagne zu erreichen. Hinzu kam eine systematische Panikmache der konzernabhängigen „Demokratischen Partei“ und der mit ihre verbundenen Medienanstalten vor einer Präsidentschaft des grenzfaschistischen Republikaners Donald Trump, durch welche die Amerikaner zur Wahl Clintons gedrängt wurden. Senator Sanders war daher während des gesamten Vorwahlkampfes im Nachteil, kämpfte einen „uphill fight“ gegen die größte politisch-mediale Macht der Welt, das internationale Finanzkapital, und verlor schließlich doch, was wenig überraschend ist.

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Sanders und Clinton, der eine kämpft für eine politische Revolution, die andere hat Rückendeckung vom internationalen Finanzkapital und dem politischen Establishment.

Allerdings konnte der demokratische Sozialist der übermächtigen „Demokratischen Partei“ schließlich aufgrund seiner kämpferischen Wahlkampagne doch einige Zugeständnisse abgewinnen. Keinen Linksruck, aber einen leichten Linksschwenk der Partei konnte er erreichen, schließlich wollen die Demokraten bei der Hauptwahl im November auch die Sanders-Unterstützer gegen Trump im Boot haben, anderenfalls wäre das gesamte politische Kalkül umsonst gewesen. So will man nun in der „Demokratischen Partei“ die Todesstrafe verbieten, über eine Erhöhung des Mindestlohns nachdenken und über die Verkleinerung der Großbanken verhandeln. Alles aus Angst, man könne gegen den Rechtspopulisten Donald Trump verlieren, der tatsächlich zumindest in einem zentralen Wahlkampfthema einen Vorsprung vor Clinton hat: Er gilt im Gegensatz zu ihr als unbestechlich, die Korruption von Frau Clinton dagegen ist mittlerweile fast sprichwörtlich. Zuletzt hat also das Establishment gemerkt, dass es den volksnahen Sanders braucht, um an der Macht zu bleiben und so werden einige Brotkrumen ausgelegt, bei denen Sanders nicht anders kann, als sie anzunehmen, will er doch ebenso, wenn auch aus anderen Beweggründen eine Präsidentschaft Donald Trumps vereiteln.

Dennoch denunziert man ihn weiterhin medial, denn auch wenn es so scheint, endgültig ist Sanders in dieser Wahlschlacht nicht besiegt, würden sämtliche „Superdeligierten“ ihre Meinung noch ändern, wäre er der demokratische Kandidat der „Demokratischen Partei“. Die unten gezeigte Grafik aus dem „Telegraph“ suggeriert jedoch, auch wenn die angegebenen Zahlen stimmen etwas anderes, da die gezeigten Balken nicht maßstabsgetreu sind, so ist der Balken der „benötigten Delegierten“ bei Sanders länger als der Balken der „Superdelegierten“ bei Clinton, obwohl er weniger Delegierte bräuchte, als sie Superdelegierte hat. Ein kleiner Fehler? Kann passieren? Zufall? Solche Behauptungen könnte man gelten lassen, wäre der Senator aus Vermont ansonsten von den Medien fair behandelt worden, so jedoch präsentiert sich das gezeigte Diagramm als vielleicht letzter Fußtritt des kapitalistisch-medialen Systems gegen den Sozialisten.

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Der Fall Sanders zeigt, wie wichtig unabhängige Informationen sind, wie wichtig es aber auch ist, dass es progressiven Kräften gelingt die mediale Deutungshoheit über ihr Wirken gegen alle Widerstände des Kapitals durchzusetzen. Ob dieser Kampf zu gewinnen ist hängt auch davon ab, inwieweit es Medienkonzernen gelingt, das Internet zu kontrollieren. Netzneutralität bietet Linken die Möglichkeit ihre eigene Geschichte zu erzählen, unabhängig von der medialen pro-Establishment Befangenheit.

Medien „verschweigen auffällig deutlich“ soziale Proteste in Frankreich – Fernsehkritiker Holger Kreymeier erhebt schwere Vorwürfe gegen Fernsehanstalten.

Hamburg. Der bekannte Hamburger Fernsehkritiker Holger Kreymeier erhebt erneut schwere Vorwürfe gegen die deutschen Fernsehanstalten. Diese verschwiegen „auffällig deutlich, dass in Frankreich derzeit unglaubliche Konflikte stattfinden auf den Straßen“, so Kreymeier in der 184ten Ausgabe seiner beliebten Websendung „FernsehkritikTV“ am vergangenen Freitag. Insbesondere die öffentlich-rechtlichen Televisionsanstalten kritisiert der überzeugte Rundfunkbeitragsverweigerer richtigerweise scharf: Diese kämen ihrem im Rundfunkstaatsvertrag definierten Auftrag nicht nach.

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Medienkritiker, Gebührenverweigerer und Grimmepreisträger Holger Kreymeier: Konflikte werden „auffällig deutlich“ verschwiegen!

Zwar seien bis zu 1 Million Menschen zum Protest gegen die schwerwiegenden Einschnitte in das französische Sozialsystem auf den Straßen gewesen, das deutsche Fernsehen zeige dies jedoch entweder überhaupt nicht, oder thematisierten die Proteste unzureichend.

Kreymeier zitierte in der Sendung auch die Vorsitzende der Linkspartei Katja Kipping, welche den Medien ebenfalls ein bewusstes Herunterspielen des Konfliktes vorgeworfen hatte. Teilweise seien die Zahlen der DemonstrantInnen von fast einer Million auf „einige tausend“ reduziert worden, wenn überhaupt eine Berichterstattung stattgefunden hätte. Angesichts dieser Art von Journalismus, so Kipping, müsse „man sich jedenfalls nicht wirklich wundern, wenn das Vertrauen in viele Medien als Institutionen der Gewaltenteilung schwindet“. Kreymeier betonte, dass obwohl hier still der „Lügenpresse“-Vorwurf mitschwingt, Kipping in diesem Falle recht habe.

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In der derzeitigen Fernsehberichterstattung werden Terrorgefahren, Morde, Hooligan-Krawalle und soziale Proteste undifferenziert zusammengeworfen. Dadurch kann der Eindruck eines Zusammenhangs entstehen.

In der Tat untertreibe das Fernsehen die Zahl „massiv“ und vermische den Protest gegen die Sozialreformen mit anderen Krawallen im Rahmen der UEFA Europameisterschaft, dadurch würde die Berichterstattung gefährlich undurchsichtig. Am konkreten Beispiel eines Beitrages aus dem ZDF „heute-Journal“ zeigte der Medienkritiker auf, wie im Kern berechtigte Demonstrationen mit Hooligan-Krawallen und dem Doppelmord an einem Polizistenpaar einfach in einen Topf geworfen und „zusammen gemixt“ wurden. Dadurch entstünde der Eindruck drei völlig unabhängige Situationen stünden in direktem Zusammenhang: „Diese Dinge finden zwar zeitgleich statt, aber trotzdem kann man sie doch nicht über einen Kamm scheren!“ Auch die Anmoderation des Moderators Claus Kleber, in welcher die Fußball-Europameisterschaft als friedliches Fußballfest den Protesten gegen den Sozialabbau als gewalttätige Krawalle gegenübergestellt wurden, kritisierte Kreymeier. Diese suggeriere eine mangelnde Rechtfertigung der Demonstrationen insbesondere in Anbetracht der Fußball-Europameisterschaft.

Tatsächlich bewerten wir das ähnlich, es ist insbesondere Aufgabe der öffentlich-rechtlichen, über politische und gesellschaftliche Entwicklungen zu berichten, sich dann im Fernsehen darüber auszulassen, dass im Kern gerechtfertigte, wenngleich teilweise in Gewalt ausartende Demonstrationen die Sportberichterstattung „stören“ ist nicht nur eine „Unverschämtheit“, wie der Fernsehkritiker sagte, es wird auch dem Auftrag der öffentlich-rechtlichen Televisionsanstalten nicht im geringsten gerecht. Man könnte sogar noch weiter gehen und fragen, warum die ARD und ZDF überhaupt in einem solchen Umfang über die Fußballspiele berichten sollten. Wäre es nicht eher ihre Aufgabe als Informations- und Meinungsbildungsmedien, gerade über die von der EM medial überschatteten Ereignisse zu berichten? Ist es sinnvoll viele Millionen Euro an Abgabengeldern in eine EM-Berichterstattung zu stecken, wo doch ein Privatsender genau so gut über das Sportereignis berichten könnte?

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Claus Kleber: „Es herrschte einigermaßen Ruhe in Lille und der Fußball stand tatsächlich im Vordergrund, die Zeiten sind leider so, dass man das mit Dankbarkeit registrieren muss.“ Die Worte klingen wie ein Vorwurf gegenüber den französischen Demonstranten, diese stöhlen dem „friedlichen Fußballfest“ die Aufmerksamkeit. Das Gegenteil ist der Fall!

Selbst wenn man gnädig ist und nicht von bewusster Verfälschung ausgeht, ist es unmöglich auch nur annähernd alle Aspekte der Unruhen in Frankreich abzudecken in einem dreiminütigen Nachrichtenbeitrag. Hierfür würden mehrstündige Fernsehdokumentationen benötigt. Zwar hätte eine Reportage über die Proteste in Frankreich natürlich quotenmäßig keine Chance im Vergleich mit einem Fußballspiel zu bestehen, aber gerade deswegen muss sich das öffentlich-rechtliche Fernsehen trauen solche Beiträge zu liefern, bewusst als Kontrastprogramm zum „Wohlfühlfußball“, denn letztendlich haben unsere öffentlich finanzierten Sender keinen echten Quotendruck. Wenn sie also nicht über die relevantesten gesellschaftlichen Themen berichten und wenn sie kein quotenunabhängiges Programm liefern können, warum gibt es dann diese Sendeanstalten überhaupt noch? Ihren Auftrag jedenfalls erfüllen sie nicht! Aber vielleicht ist es ja doch, wie Katja Kipping sagte: Vielleicht hat man Angst, eine umfassende Berichterstattung über die sozialen Unruhen in Frankreich könnte auch in Deutschland den Funken des Protests entfachen, wäre schließlich nicht das erste mal, dass eine Revolution aus Frankreich herüber schwappt.

Kreymeier erhob weiterhin Vorwürfe, die Medien berichteten einseitig über die Hooligan-Ausschreitungen zwischen deutschen, englischen und russischen Hooligans. Zwar sei bekannt, dass gerade auch die englischen Hooligans „ganz schön heftige Typen“ und ebenso brutal wie die russischen Krawallmacher seien, stattdessen würden diese in der Berichterstattung teilweise sogar in die Opferrolle gerückt, wohingegen die russischen Krawallmacher als Aggressoren dargestellt würden. Dies sei eine anti-russisch tendenziöse Darstellungsweise so der Fernsehkritiker. „Propaganda will ich nicht sagen.“ Ein „völliger Unsinn“ sei es, dass englische Hooligans in irgendeiner Form besser seien als russische.

Russische Hooligans mit erbeuteter englischer Flagge: ZDF betreibt erneut tendenziöse Berichterstattung!
Russische Hooligans mit erbeuteter englischer Flagge: ZDF betreibt erneut tendenziöse Berichterstattung!

Auch hier ist Kreymeier zuzustimmen. Diese Art tendenziöser Berichterstattung gegen Russland lässt sich schon seit dem Beginn der Krimkrise beobachten, bisher nur bei politischen oder militärischen Themen, aber es scheint fast, als würden hier die französischen Krawalle zur Miniatur des Russland-NATO-Konflikts, eine weitere Möglichkeit auf perfide Art Russland als Aggressor und den Westen in Form unbescholtener englischer Staatsbürger als Opfer darzustellen. Kreymeier will von Propaganda nicht sprechen und sicher ist es heikel, die Schlussfolgerung zu ziehen es würde bewusst verfälscht, aber wenn hier nicht unterschwellig eine anti-russische Stimmung vermittelt werden sollte, welchen Sinn hätten dann derlei tendenziöse Beiträge?

Betreffend der Berichte über die Hooligan-Ausschreitungen am Rande der Fußball-EM sind noch zwei interessante Überlegungen anzustellen. Erstens gibt es Fotos und Videos auch von deutschen Hooligans in Frankreich, warum wird von denen eigentlich so wenig berichtet? Zweitens ist gibt es mittlerweile starke Hinweise darauf, dass einige der als „russische Hooligans“ bezeichneten Gewalttäter gar keine Russen, sondern ukrainische Rechtsradikale waren, warum wird dem in den Medien nicht nachgegangen? Natürlich lässt sich auch hier nur spekulieren, aber vielleicht würden eben einfach prügelnde deutsche und ukrainische Gewalttäter nicht ins zu vermittelnde Bild passen?

Die gesamte 184te Folge des Webmagazins „FernsehkritikTV“ sehen Sie hier.

Zurückhaltung von Ermittlungsdetails – Ein Vorwurf, der keiner sein darf.

München. In der Nacht vom 15. auf den 16. April wird eine 26-jährige Verkäuferin offenbar von fünf Heranwachsenden vergewaltigt und anschließend beraubt. Alle Beteiligten sind stark alkoholisiert, das mutmaßliche Opfer wird am kommenden Tag einen Filmriss haben, jedoch aufgrund ihres körperlichen Zustands Anzeige wegen Vergewaltigung und Raub erstatten.

Am Dienstag wurden nun im Großraum München sechs Junge Männer festgenommen, nach Angaben der Staatsanwaltschaft einer davon wegen Hehlerei, die anderen wegen des Angriffs auf die Münchnerin. Alle seien im Großraum München aufgewachsen, heißt es. Ansonsten hält sich die Ermittlungsbehörde mit Angaben zur Tat und den mutmaßlichen Tätern zurück, verweist gegenüber Medienvertretern auf das laufende Verfahren und betont, dass es sich bei den Tatverdächtigen um Heranwachsende handelt.

Wenn nun die großen deutschen Zeitungen dies berichten schwingt in den Worten „Die Ermittlungsbehörden halten sich mit Informationen äußerst zurück“, „Die Staatsanwaltschaft will keine Einzelheiten nennen“ oder „Über die Verdächtigen lassen die Ermittlungsbehörden fast nichts verlauten“ immer auch ein stiller, unterschwelliger Vorwurf mit, als sei es die Pflicht von Polizei und Staatsanwaltschaft die Öffentlichkeit in Form der Medien über jeden ermittlungstaktischen Schritt und jede neue Erkenntnis unverzüglich zu informieren. Das Gegenteil ist aber der Fall. Die Ermittlungsbehörden haben die Pflicht das begangene Verbrechen nach bestem Wissen und Gewissen aufzuklären, hierzu kann es hinderlich sein, wenn der Ermittlungsstand öffentlich bekannt ist. Die Medien haben dies zu akzeptieren, ohne unterschwellige Attacken in ihre Berichterstattung einzuweben. Weiterhin sollen Polizei und Staatsanwaltschaft die Würde des Opfers, aber auch die Würde der Tatverdächtigen im höchstmöglichen Maße schützen.

Die deutschen Tagblätter und Televisionsanstalten mögen das nicht gut heißen, haben sie doch in der Vergangenheit (zuletzt im Fall Orlando) gezeigt, dass die Würde von Opfern und Tätern für sie immer gegen Quoten-, bzw. Auflageüberlegungen aufgewogen werden, dennoch dürfen sie ein verfassungsmäßig obligatorisches Handeln von Ermittlungsbehörden auch implizit nicht in Zweifel ziehen. Unter Umständen könnte man soweit gehen zu sagen, dass das Zurückhalten von Informationen zu laufenden Ermittlungen eher die Aufgabe von Polizei und Staatsanwaltschaft ist als die Information der Öffentlichkeit.

Außerdem faszinierend ist, wie oft der Ausdruck „darauf gibt es bisher keine Hinweise“, von Zeitungen und Fernsehredaktionen umgedeutet wird in den Ausdruck „es ist bisher unklar“, der doch eine ganz andere Aussage trifft. Beide Ausdrücke deuten auf unterschiedliche Wahrscheinlichkeiten bei einer Ermittlungsannahme hin: Im ersten Fall wird die Annahme für eher nicht wahrscheinlich, jedoch nicht auszuschließen erklärt, während sie im zweiten Fall für eher wahrscheinlich, jedoch bisher nicht belegbar, erklärt wird. Ein kleiner, aber bedeutender Unterschied, der aus der Aussage eines Ermittlers, die prinzipiell nicht berichtenswert wäre, schnell eine Story macht, ohne tatsächlich von der Wahrheit abzuweichen. In aller Regel hat der Medienvertreter, der einen solchen Ausdruck verwendet auch keine Konsequenzen zu befürchten, schließlich hat er die Aussage des Ermittlers nur in andere Worte gefasst, was er prinzipiell darf.

Durch das nuancenweise Verändern von Einlassungen, ohne ihre eigentliche Aussage zu ändern lässt sich durch einen Artikel allerdings hervorragend eine bestimmte Stimmung erzeugen, Unklarheit erzeugt in höherem Maße ein Gefühl von Unsicherheit als der Ausdruck „darauf gibt es keine Hinweise“. Wenn also ein Journalist die Frage stellt, ob bei der Vergewaltigung der 26-jährigen Münchnerin K.O.-Tropfen im Spiel gewesen seien und er die Antwort „Darauf gibt es bisher keine Hinweise“, bekommt, so wird er sich entscheiden ein wörtliches Zitat zu verwenden, wenn er keinerlei Aussage treffen will. Glaubt er jedoch unbewusst, eine solche Tat sei allein mit Trunkenheit des Opfers nicht zu erklären, so wird er über die nuancierte Veränderung der Antwort auch seine eigene Auffassung einbringen, vielleicht ohne es bewusst zu bemerken.

Der Nazizirkus – Gedichtbeitrag

Der Nazizirkus

Da sitzt ein alter dicker Mann,
Starrt mich durch die Fernsehscheibe an.

Schwadroniert von unsrer Väter Zeiten,
Und von interkulturellen Schwierigkeiten.

Gäbe es das gute deutsche Fernsehen nicht,
Herr Gauland wäre wohl um elf schon dicht.

Doch so schau ich zu und sitze still,
Beim Nazizirkus von Anne Will.

„Hochwatergate“ – Jörg Kachelmann gibt ARD und ZDF Mitschuld an Hochwassertoten

Hamburg. In der populären Internetsendung des „Fernsehkritikers“ Holger Kreymeier, begründete der bekannte Meteorologe und ehemalige Wettermoderator Jörg Kachelmann seine schwere Anschuldigungen gegen ARD und ZDF, diese seien mitverantwortlich für einige der Todesfälle durch Überschwemmungen in den vergangenen Tagen. Konkret hätten sich die öffentlich-rechtlichen Medienanstalten schuldig gemacht, indem sie nicht rechtzeitig über die Hochwasserlage in Süddeutschland am vergangenen Wochenende berichteten. So sei in den Nachrichten auch mehrere Stunden nach den ersten großen Hochwasserwellen noch keine Rede von der bedrohlichen Situation gewesen, stattdessen sei nur im Wetterbericht von „schweren Regenfällen“ gesprochen worden, während im Internet bereits Berichte und Videomaterial die Runde machten.

Ehemaliger ARD-Wettermoderator Jörg Kachelmann.
Wetterexperte Jörg Kachelmann: „Es geht darum, dass wenn Menschen in Not sind, ein Programm auch umgestellt wird.“

Bereits am frühen Abend des vergangenen Sonntags hatte dagegen Wetterexperte Jörg Kachelmann vor der gefährlichen Lage gewarnt. Bereits zu diesem Zeitpunkt hatte er auch Todesfälle vorhergesehen und die mangelnde Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen dafür mitverantwortlich gemacht. Es reiche in einer solchen Situation nicht aus alle Viertelstunde auf örtliche Unwetter hinzuweisen, man müsse stattdessen Maßnahmen ergreifen um erhöhte Aufmerksamkeit generieren, erklärte Kachelmann in FernsehkritikTV. Laut Kreymeier sei es insbesondere die Aufgabe der Regionalsendeanstalten SWR und BR gewesen, rechtzeitig die Bevölkerung zu warnen.

„Wenn man weiß, dass Menschen in einem Überschwemmungsgebiet um ihr Leben kämpfen, und man tut so, als ob es diese Gefahr nicht gäbe, dann ist das sicherlich im Streubereich dessen, wo persönliche Verantwortung dann langsam aber sicher involviert wird.“ – Wetterexperte Jörg Kachelmann über die Verantwortung der Medien im Katasrophenfall.

Hochwaser in Schwäbisch Gmünd (Baden-Württemberg) am 29.05.2016
Hochwaser in Schwäbisch Gmünd (Baden-Württemberg) am 29.05.2016.

Obgleich Wetterexperten die Gefährlichkeit der Lage bereits Nachmittags ab etwa 15 Uhr bekannt gewesen sei, hätte es laut Kachelmann ausgereicht am frühen abend mit einer ausführlichen Berichterstattung zu beginnen, um jene Menschen zu retten, die am späten Abend und in der Nacht aufgrund der Überschwemmungen tödlich verunglückten. Optimalerweise hätten die öffentlich-rechtlichen Sondersendungen starten sollen, in denen detailliert auf lokale Gegebenheiten in den betroffenen Landkreisen hätte eingegangen werden können. „Man hätte einen Brennpunkt machen müssen!“, so Kachelmann, dann hätte man vielleicht nicht jeden, aber fast jeden retten können. Die öffentlich-rechtlichen Medienanstalten seien schlicht ihren journalistischen Aufgaben nicht nachgekommen.

„Es geht um das Verfolgen eines Ist-Zustandes, es geht um das Verfolgen eines Pegels oder mehrerer Pegel von wichtigen Bächen und Flüssen in seinem Einzugsgebiet im Südwesten, dass man sieht: Ohha, das steigt mit einem Meter pro Stunde. Sollte uns das zu Denken geben? […] Es geht darum, dass wenn Menschen in Not sind, ein Programm auch umgestellt wird.“ – Jörg Kachelmann über die Notwendigkeit von Sondersendungen bei Hochwasserkatastrophen.

Laut ARD, könnten die tatsächlichen Ausmaße von Hochwasserereignissen erst wenige Minuten vor dem Eintreten derselben abgeschätzt werden, man habe seine Pflichten erfüllt, unter Umständen sei es jedoch sinnvoll gemeinsam mit Behörden und Katastrophenschutz Werkzeuge zu entwickeln, um betroffene Gebiete besser über die Entwicklung von Überschwemmungen zu informieren.

Holger Kreymeier, der "Fernsehkritiker":
„Fernsehkritiker“ Holger Kreymeier: Regionalsender wären in der Pflicht gewesen.

Tatsächlich klang die Berichterstattung oft zurückhaltend, von starken Regenschauern war die Rede, nie jedoch von konkreten lokalen Unwetterwarnungen oder Hochwasserpegeln. Rechtlich lassen sich ARD und ZDF wohl nicht in die Verantwortung nehmen, allerdings sollte man meinen, dass es eine zumindest gewisse ethische Verpflichtung der Öffentlich-Rechtlichen gibt, im Katastrophenfall detailliert und aktuell zu berichten. Gerade in einer Zeit, in der immer häufiger auch in Mitteleuropa extreme Wetterereignisse zu beobachten sind, sollten doch die öffentlich finanzierten Medien sich verpflichtet fühlen, zur Folgenabschwächung beizutragen.

Übrigens wird Kindern bei Katastrophenschutzübungen stets beigebracht, Radio oder Fernsehen anzuschalten, sofern möglich, da die Öffentlich-Rechtlichen stets aktuell über Gefahrenlagen aufklären sollen. Vielleicht sollte der Katastrophenschutz seiner Schulungen anpassen?

 

House of Cards: Porträt von Präsident Frank Underwood enthüllt.

Washington (USA). Noch bevor am 4. März die vierte Staffel der beklemmenden Polit-Dramaserie „House of Cards“ startet, ehrt die Smithsonian National Portrait Gallery den fiktionalen Präsidenten Francis „Frank“ Underwood mit der Enthüllung eines überlebensgroßen Präsidentenporträts.

Das Gemälde des britischen Künstlers Jonathan Yeo zeigt einen bedrohlich wirkenden Frank Underwood im Oval Office, er blickt den Betrachter direkt, von oben herab, an, eine Hommage an eines der zentralen Elemente der beliebten Serie: Schließlich spricht der machtbesessene Politiker nicht selten den Zuschauer direkt an. Der Bruch vierten Wand wirkt im Gemälde nicht weniger beklemmend als auf dem Fernseher. Das Bild wird ab Mittwoch in der Smithsonian National Portrait Gallery zu sehen sein.

“I think that when it’s hung at the right height, you may wonder if I’m about to kick you in the face — which seems appropriate for this particular character,” – Kevin Spacey über sein Präsidentenporträt

Frank Underwood
Der Schauspieler Kevin Spacey spielt in House of Cards den machthungrigen Politiker Frank Underwood.

Die neue Staffel der Netflix-Serie „House of Cards“, ursprünglich eine der ersten speziell für das Internet produzierten Serien, startet am 4. März und wird sich unter anderem mit dem aktuellen Präsidentschaftswahlkampf beschäftigen. Schon in der vergangenheit wurden aktuelle politische Themen in die Serie eingearbeitet, man darf also gespannt sein auf Referenzen zur realen Politik.

Oliver Kalkofe warnt vor Kettenreaktion.

Hamburg. Kabarettist, Komiker und Fernsehkritiker Oliver Kalkofe befürchtet eine mediale Kettenreaktion, die zu schlimmen Ausschreitungen führen könnte. Kalkofe war am Freitag zu Gast bei FernsehkritikTV, der Sendung seines Hamburger „Amtskollegen“, dem Fernsehkritiker Holger Kreymeier. Thema zu Beginn der Sendung war auch die aktuelle gesellschaftliche Entwicklung in Deutschland. Bei Pegida, AfD und Konsorten denke niemand mehr, man brülle nur noch seine Wut in die Welt, meint Kalkofe.

„Da wird nicht mehr gesprochen, da wird nicht mehr überlegt, es wird einfach nur gebrüllt und raus mit der Wut“* – Oliver Kalkofe über Pegida und Konsorten

In der ohnehin angespannten Situation hält der Kabarettist dieses Verhalten für äußerst gefährlich. Er beschwört ein Schreckensbild herauf: Das Explodieren einer Handgranate in einem Asylbewerberheim oder ein Flüchtling, der bei einer Straftat erwischt wird, könnte Kalkofe zufolge der Zünder einer Kettenreaktion werden, die zu Chaos und unkontrollierbarer Gewalt führen könnte. Das mache ihm Angst, sagt er Kreymeier, man glaubt ihm. Angst ist wohl in gewissem Maße durchaus angebracht, könnten doch Linke und Rechte Radikale, Fundamentalisten und allerlei andere Spinner in manchen Städten problemlos hunderttausende Anhänger versammeln, eine Eskalation der Gewalt könnte dann auf lokaler Basis schnell zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen führen.

„Das ist gefährlich momentan, weil wir sind glaub ich so an der Kante, dass was schlimmes passieren kann. […] Das macht mir Angst, das macht mir wirklich Angst.“ – Oliver Kalkofe

Kreymeiers Frage, ob auch Terrorangst eine Rolle bei Phänomenen wie Pegida spiele, bejahte Kalkofe ausdrücklich. Im kalten Krieg sei die Angst vor dem Weltuntergang allgegenwärtig gewesen, heute seien die Ängste zwar kleiner, jedoch nicht weniger bedrohlich, es gäbe jedoch viel mehr, das sich zum fürchten eigne. Schließlich könnte bei der angespannten Weltlage durchaus ein viel größerer Krieg ausbrechen als im vergangenen Jahrhundert. Hinzu käme ein kollektives „Nichtverstehen“ und die Erkenntnis, dass man von jedem belogen werde.

„Wir haben so viele Irre überall auf der Welt, da muss man nicht lange suchen, wer das Fass zum überlaufen bringen könnte“ – Oliver Kalkofe zur Lage der Welt

Auch zur AfD befragt Kreymeier seinen Kollegen: „Die AfD liegt ja bei 12% und wäre drittstärkste Kraft, wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre.“
Kalkofe: „Gott sei dank ist am Sonntag nicht Bundestagswahl.“
Kreymeier: „Ja aber machst du denn auch was um dem entgegenzuwirken? Mattscheiben gegen die AfD?“
Kalkofe: „Ja da hab ich einiges gemacht.“
Kreymeier: „Hat ja aber nichts gebracht bisher, die steigen ja in den Umfragen.“

Das sei ja das Tragische, antwortet auf diesen Kommentar Kalkofe halb verzweifelt lächelnd, er hoffe einfach, dass die AfD noch implodiere und sich aufgrund ihrer „eigenen Blödheit“ selbst zerstöre, es sei ja noch Zeit. Er mag das hoffen, aber man sieht ihm an, dass er es selbst nicht glaubt. Er werde jedenfalls weiter daran arbeiten die Rechten medial zu demaskieren, auch wenn er früher niemals hätte politisch werden wollen. Das ist zwar ein nobles Ansinnen, jedoch nicht ausreichend, um gegen Hetze und Hass der Rechten anzukommen, Medien, Kunst und Politik müssen Hand in Hand kämpfen und vor allem die etablierten Parteien müssen dringend auf argumentativen Konfrontationskurs mit den Rechten gehen. Satire mag die Radikalen zwar demaskieren können, sie kann dem Entlarvten jedoch nichts gegenüberstellen, das ist Aufgabe der Politik.

„Wenn dann immer gesagt wird, warum machst du das denn nicht auch bei den anderen, also zum Beispiel bei Linken oder Grünen. Dann muss man leider eins sagen, die Rechten sind lustiger. Sorry, aber es ist so. Weil sie in ihrer Radikalität so besonders extrem und dadurch so besonders dumm und dadurch so leicht vorführbar sind. Linke und Grüne sind auch Ziele, wenn man etwas lustiges findet. [… ] Da geht es dann eher darum, dass die ihre eigenen Parteien zerstören und mit ihren durchaus guten Ideen zu blöd sind etwas auf die Reihe zu kriegen. […] Bei jeder Partei gibt es etwas zu kritisieren, aber wer am lautesten schreit, der wird eben auch am lautesten ausgelacht.“ – Oliver Kalkofe über das Parodiepotential der Parteien

Neben Gesellschaft und Politik wurden unter anderem Karneval im Fernsehen, das Dschungelcamp, Innovationen im deutschen Fernsehen, Einschaltquotenunfug, „Morgen hör ich auf“ mit Bastian Pastewka, Teleshopping, SchleFaZ, und der Tod von Achim Menzel thematisiert.

„Ich gucke gerne das Dschungelcamp, ich sehe mich ja selbst als Fernsehpolizei, und da kann ich dann sehen wie die Verurteilten in den offenen Vollzug kommen“ – Oliver Kalkofe über das Dschungelcamp“

Insgesamt war die Sendung wahrscheinlich die bisher gelungenste FernsehkritikTV Folge, auf jeden Fall die politischste, immerhin machte der „Polit-Talk“ knapp ein Viertel der Sendung aus. Insbesondere die hohe Aktualität und Relevanz der politischen Themen, hoben die Episode verglichen mit anderen auf eine völlig neue Ebene. Kreymeier lieferte eine solide Interviewleistung ab, die mit seinen früheren Leistungen in diesem Metier kaum zu vergleichen ist, nicht zuletzt, weil einige seiner ersten Interview-Folgen phänomenal unterirdisch waren. Das Abdecken eines abwechslungsreichen thematischen Konvoluts, sowie die rege Beteiligung des Publikums durch Fragen rundeten die Sendung zusätzlich ab, wenngleich sie vielleicht mit mehr Einspielfilmchen noch ein wenig unterhaltsamer gewesen wäre. Gesamtbewertung: Weiter so, mehr davon!

„Achim [Menzel] gehörte zu den tollsten Menschen, die ich je kennengelernt habe“ – Oliver Kalkofe über den verstorbenen Achim Menzel

*Zur besseren Lesbarkeit sind Zitate teiweise gekürzt, sehen Sie die gesamte Folge auf massengeschmack.tv