1. Von der Klassifizierung der Faschisten – Einleitung
Wenn jemand heute den amerikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump, den türkischen Präsidenten Erdogan, oder die rechtspopulistische deutsche Partei AfD als neofaschistisch bezeichnet, wird ihm bald vorgeworfen, „keine Ahnung“ zu haben, „wirres Zeug“ zu schreiben, oder einfach ein linksextremer Hetzer zu sein. Dieser Artikel soll deshalb einmal ganz wissenschaftlich an die Fragestellung herangehen, was Neofaschismus eigentlich ist, und welche der vorgenannten politisch rechtsorientierten Kräfte sich dementsprechend klassifizieren lassen.
Der Text wurde zur besseren Lesbarkeit in fünf Kapitel eingeteilt: Nach der Einleitung folgt Kapitel 2 über das zugrundeliegende politikwissenschaftliche Modell, auf dem aufbauend in Kapitel 3 ein Index skizziert wird, anhand dessen faschistische Tendenzen bei politischen Persönlichkeiten und Organisationen bewertet werden können. In Kapitel 4 wird dann der Index am Beispiel Donald Trump angewendet, ehe in Kapitel 5 ein kurzes Fazit, sowie ein Ausblick auf andere Bewertungsmethoden erfolgt.
2. Modellbildung.
Dies soll anhand einer Abwandlung des 14-Punkte Modells zur Klassifizierung faschistischer Systeme des renommierten amerikanischen Politologen und Extremismusforschers Dr. Lawrence Britt geschehen.

Der Politikwissenschaftler studierte die faschistischen Regime des vergangenen Jahrhunderts und identifizierte dabei 14 Merkmale, die allen gemein waren. Dr. Britt nennt diese Merkmale die „Identifizierungscharakteristika des Faschismus“. Erstmals legte er sein Modell 2003 in seinem vielbeachteten Artikel „Fascism Anyone?“ in der Frühjahresausgabe der Humanistenzeitschrift „Free Inquiry“ einem breiteren Publikum dar. Mittlerweile hat sich sein Modell in der politischen Forschung als umfassendstes Überprüfungswerkzeug für totalitäre Regime etabliert.
Da jedoch Dr. Lawrence Britt mit seinem Modell Staaten und Regime klassifizierte,bedarf es einiger Anpassungen, um das Modell auf Einzelpersonen oder Nichtregierungsparteien anzuwenden.
2.1. Die 14 Faschismusmerkmale des Dr. Britt.
Im Folgenden seien die 14 von Dr. Britt identifizierten Charakteristika zunächst aufgeführt und mit etwaigen Änderungen versehen, sofern diese notwendig sind, um das Modell von der Anwendung auf faschistische Regime auf Einzelpersonen, Gruppen oder Ideologien zu übertragen:
1. Starker und anhaltender Nationalismus
Faschistische Regime neigen zum übermäßigen Gebrauch von patriotischen Mottos, Slogans, Liedern und anderen nationalistischen Symbolen. Flaggen sind überall zu sehen, wie auch Flaggensymbole auf Kleidung und anderen öffentlichen Präsentationen.
– Dieses Merkmal kann ohne Einschränkung auch auf Einzelpersonen und Nichtregierungsparteien angewendet werden.
2. Geringschätzung der Menschenrechte
Aus Angst vor Feinden und dem Bedürfnis nach Sicherheit heraus werden die Menschen von faschistischen Regimen überzeugt, Menschenrechte könnten in einigen Fällen ignoriert werden. Die Leute ignorieren, oder stimmen Folterungen, Massenhinrichtungen, Ermordungen, langen Inhaftierung von Gefangenen uns so weiter sogar zu.
– Obgleich in der Regel eine Einzelperson nicht die Befähigung hat, die beschriebene Praxis in großem Maße durchzuführen, kann doch dieses Merkmal ohne Einschränkung anhand von Einstellungen und Aussagen überprüft werden.
3. Identifizierung von Feinden/Sündenböcken als vereinigende Sache
Anhänger des Regimes werden in einen vereinigenden patriotischen Wahn getrieben durch das Ziel, eine mutmaßliche Bedrohung oder einen äußeren Feind zu beseitigen, sei es eine rassische, ethnische oder religiöse Minderheit, politisch andersdenkende Kräfte, mutmaßliche Terroristen, oder andere.
– Dieses Merkmal kann ohne Einschränkung auch auf Einzelpersonen und Nichtregierungsparteien angewendet werden.
4. Vorrang des Militärs
Selbst wenn es weitreichende inländische Probleme gibt, erhält das Militär einen überproportional großen Anteil des Staatshaushalts und die inländischen Probleme werden vernachlässigt. Soldaten und das Militär werden verherrlicht.
– Diese Charakteristik kann begrenzt auch auf Einzelpersonen und Personengruppen ohne Regierungsmacht angewandt werden. Hier sind Forderungen und Aussagen der entsprechenden Personen zu überprüfen. Sofern nicht überprüfbar, muss dieser Punkt ausgelassen werden.
5. Wachsender Sexismus
Regierungen faschistischer Staaten sind beinahe ausschließlich mit Männern besetzt und „traditionelle Geschlechtsrollen“ werden stärker betont. Der Widerstand gegen Abtreibung ist groß, wie auch systemische Homophobie.
– Dieses Merkmal kann auch auf Einzelpersonen und Nichtregierungsparteien angewendet werden, wenngleich dann in der Regel wiederum nur Forderungen und Positionen, aber nicht deren Anwendung überprüft werden kann.
6. Kontrollierte Massenmedien
Teilweise werden Medien direkt durch das Regime kontrolliert, in anderen Fällen gibt es indirekte Beeinflussung durch Verordnungen der Regierung oder durch die Platzierung geistesverwandter Regimeverteidiger in einflussreichen Positionen der Medienlandschaft. Zensur ist weit verbreitet, vor allem in der politischen Berichterstattung.
– In diesem Punkt sind bei der Bewertung von Einzelpersonen meist klare Abstriche zu machen: In der Regel haben diese nicht genug Macht, um die Mainstream-Medien in relevanter Weise zu beeinflussen. Bei Parteien oder sonstigen politischen Gruppierungen kann allerdings deren (versuchte) Einflussnahme auf die Berichterstattung der Medien überprüft werden.
7. Besessenheit von der nationalen Sicherheit
Angst wird als Mittel der Motivation für die Massen durch die Regierung eingesetzt.
– Dieses Merkmal kann ohne Einschränkung auch auf Einzelpersonen und Nichtregierungsparteien angewendet werden.
8. Religion/Ideologie und Regierung sind miteinander verflochten
Regierungen faschistischer Länder neigen dazu, die gebräuchlichste Religion des Landes zu nutzen, um die öffentliche Meinung zu manipulieren. Religiöse Rhetorik und Fachsprache wird von Regierungsmitgliedern häufig genutzt, selbst wenn die Lehrsätze der Religion der Politik oder den Handlungen der Regierung genau entgegenstehen, in anderen Fällen werden die religiösen Systeme vollkommen durch die eigene Ideologie ersetzt. (vgl.: Kulturrevolution in der Volksrepublik China).
– Dieses Merkmal kann auch auf Einzelpersonen und Nichtregierungsparteien angewendet werden, dabei ist insbesondere auf die Nutzung religiöser Sprache, religiöser oder esoterischer Metaphern, sowie auf Bekenntnisse der Subjekte zu achten.
9. Die Macht des Großkapitals (unternehmerischer Einfluss) wird geschützt
Industrielle, Bankiers und Großkonzerne eines faschistischen Staates sind häufig diejenigen, die den politischen Führern an die Macht geholfen haben, was zu einer engen Verzahnung von Privatwirtschaft und Regierung sowie zur Bildung einer wirtschaftlich-politischen Machtelite führt.
– Dr. Britt misst diesem Punkt eine deutlich kleinere Relevanz zu als den bisherigen, was auch daran liegen mag, dass in seinem Heimatland, den USA, Unternehmer traditionell starken politischen Einfluss haben. Um dieses Merkmal zu untersuchen, muss bewertet werden, wie die finanzielle und personelle Vernetzung der untersuchten Subjekte mit der Privatwirtschaft geartet ist.
10. Gewerkschaftliche Macht wird unterdrückt
Da die organisierende Macht der Gewerkschaften eine Bedrohung für ein faschistisches Regime darstellt, werden Gewerkschaften entweder verboten, oder sie werden stark unterdrückt, beziehungsweise in das politische Regime integriert (Umarmungstaktik).
– Dieses Merkmal ist einzig durch etwaige gewerkschaftsfeindliche Bemerkungen zu überprüfen, bei der Untersuchung von Einzelpersonen kommt ihm kaum eine Bedeutung zu.
11. Geringschätzung von Intellektuellen und Künstlern
Faschistische Regime neigen dazu, offene Feindschaft zu höherer Bildung und Akademikern zu akzeptieren und sogar zu fördern. Die Zensur von wissenschaftlichen Schriften, oder Berufsverbote für Akademiker sind keine Seltenheit. Die Freiheit der Künste wird oft angegriffen oder beschnitten, eine staatliche Förderung unabhängiger Künstler findet in der Regel nicht statt.
– Um dieses Merkmal zu untersuchen, müssen Aussagen auf ihr Maß an Argwohn gegenüber den Wissenschaften überprüft werden. Auch die Forderung nach der Zensur von künstlerischen und intellektuellen Werken ist ein Hinweis auf deren Geringschätzung.
12. Hervorhebung von Kriminalität und deren Bestrafung
Unter faschistischen Regimen wird der Polizei fast unbegrenzte Macht zur Verbrechensbekämpfung eingeräumt. Die Bevölkerung ist dabei häufig bereit, Polizeiverbrechen zu übersehen und sogar Bürgerrechte im Namen der inneren Sicherheit aufzugeben. In faschistischen Staaten gibt es häufig eine landesweite Polizeibehörde mit praktisch unbegrenzter Macht, die auch politisch eingesetzt wird (Bsp.: GeStaPo, MfS).
– Dieser Punkt ist insofern abzuwandeln, als das einzig Forderungen nach mehr Überwachung, härterer Bestrafung von Kriminaldelikten, oder der Ausweitung der Polizeigewalt, und ähnlichem, bewertet werden können, sofern das Untersuchungssubjekt nicht in einem Staat an der Macht ist.
13. Politische Seilschaften und Korruption
Faschistische Regime werden häufig von einer eingeschweißten Gruppe von politischen Freunden und Bekannten regiert, die sich gegenseitig Regierungsposten zuschieben und ihren Einfluss nutzen, um ihre Seilschaften davor schützen, zur Verantwortung gezogen zu werden. Korruption, sowie die illegale Aneignung von Staatseigentümern ist keine Seltenheit.
– Dieser Punkt kann nur dahingehend untersucht werden, ob es innerhalb der Partei, oder politischen Gruppe, die untersucht wird, derartige Seilschaften bereits gibt, sofern das Subjekt nicht in einer staatlichen Machtposition ist. Systemische Verschleierung dürfte im zweiten Fall die Überprüfung oft schwierig machen.
14. Wahlbetrug und Scheinwahlen
Teilweise werden in faschistischen Ländern Wahlen vollständig vorgetäuscht, oder gefälscht, in anderen Fällen werden die Wahlen durch Schmutzkampagnen oder sogar die Ermordung von Oppositionskandidaten, Nutzung der Gesetzgebung um die Anzahl der Stimmberechtigten oder der Wahlbezirke zu kontrollieren, oder Beeinflussung der Medien manipuliert. Faschistische Länder nutzen auch typischerweise ihre Richterschaft, um die Wahlen zu manipulieren oder zu kontrollieren.
– Dieser Punkt kann nur überprüft werden, sofern das Subjekt bereits entsprechenden Einfluss hat.
2.2. Das fünfzehnte Merkmal
Den 14 Charakteristika des Dr. Britt soll im Folgenden noch ein weiteres Merkmal, das, obgleich es von Dr. Britt nicht explizit aufgeführt wird, von den meisten anderen Faschismusforschern als zentrales Merkmal faschistischer Ideologien und Regime genannt wird:
15. Ausgeprägter Führerkult und autoritäre Hierarchie.Allen faschistischen Organisationen gemein ist die streng hierarchische Ausrichtung am
Führerprinzip: An der Spitze der faschistischen Bewegung beziehungsweise des faschistischen Regimes steht in der Regel ein „Führer“, um den herum ein ausgeprägter Personenkult aufgebaut wird und der im Zentrum einer auf ihn ausgerichteten Hierarchie steht. Auch um andere Personen der Bewegung kann im Sinne einer „Heldenverehrung“ ein gewisser Personenkult betrieben werden.
2.3. Unterschiede in der Untersuchung von Einzelpersonen und Parteien.
Bei der Bewertung von Einzelpersonen und politischen Gruppierungen sind insofern Unterschiede zu machen, als dass es bei der Klassifizierung von Parteien oder politischen Gruppen natürlich nicht genügt, die Positionen einzelner Individuen oder Strömungen innerhalb der jeweiligen Bewegungen zu bewerten. Dies wäre nur dann eine angemessene Vorgehensweise, wenn es sich dabei um die Positionen der zentralen prägenden Figur beziehungsweise der federführenden Strömung der Gruppierung handelt, diese wären dann jedoch zuvor eindeutig zu identifizieren.
Soll bewertet werden, inwieweit eine Bewegung faschistische Züge besitzt, müssen stattdessen Parteiprogramme, Wahlwerbungen, Forderungen und Einlassungen zentraler Führungspersonen untersucht werden. Gleichzeitig sollten Befragungen der Mitgliederbasis stattfinden, um zu erkennen, in welchem Maße diese einer faschistischen Ideologie zustimmt.
3. Der 15-Punkte-Faschismusindex – Kennwert faschistischer Tendenzen.
Anhand der oben ausgeführten Merkmale wurde ein einfacher Index entworfen, der als „Schnelltest“ für faschistische Tendenzen bei Politikern und politischen Bewegungen fungieren kann. Dazu sollen – sofern möglich – alle oben erläuterten Charakteristika überprüft und mit einem Wert von 1 für „zutreffend“ oder 0 für „nicht zutreffend oder nicht erkennbar“ bewertet werden. Diese werden dann einfach addiert, woraus sich eine Skala zwischen 0 und 15 ergibt, die nach den erreichten Kennwerten in fünf Kategorien aufgeteilt wird:
0: Keine feststellbaren faschistischen Tendenzen.
1-3: Sehr schwache faschistoide Tendenzen.
4-6: Schwache faschistoide Tendenzen.
7-9: Deutlich faschistische Tendenzen.
10-12: Starke faschistische Ausrichtung.
12-15: Eindeutig faschistisch geprägte Ideologie.
Sofern nicht alle Merkmale geprüft werden können, ist der Index herunter zu rechnen. Könnten demgemäß beispielsweise nur 12 Merkmale bewertet werden, müsste der erreichte Wert folgendermaßen in die Skala eingepasst werden:
ERREICHTER WERT/12*15=FASCHISMUSKENNWERT
Sofern weniger als 10 Positionen der Liste geprüft werden können, empfiehlt sich eine Anwendung des 15-Punkte-Faschismusindex indes nicht!
Der Faschismusindex kann auch beispielsweise auf einzelne Reden von Politikern, sofern diese eine ausreichende thematische Vielfalt umreißen, oder auf politische Grundsatzprogramme angewendet werden, um deren faschistoides Potential zu ermitteln.
4. Donald Trump: Faschist oder lupenreiner Demokrat?
Im folgenden Kapitel soll anhand der in Kapitel 2 erwähnten Liste und des in Kapitel 3 entworfenen 15-Punkte-Faschismusindex überprüft werden, inwieweit sich beim republikanischen US-Präsidentschaftskandidaten Donald Trump faschistische Tendenzen zeigen.
1. Starker und anhaltender Nationalismus
Eine der zentralen populistischen Forderungen Trumps ist der Bau einer Mauer an der mexikanischen Grenze, trotz negativer Migrationsbilanz. Als Wahlslogan wird immer wieder „America frist!“ verwendet. “[…] the United States has become a whipping post for the rest of the world. […] I deal with people from China, I deal with people from Mexico. They cannot believe what they’re getting away with!“ Bei seinen Veranstaltungen gibt es häufig Sprechchöre, die „Build that wall!“ und „USA, USA!“ grölen. Wertung: „1“
2. Geringschätzung der Menschenrechte
Unter anderem forderte Trump immer wieder, Terrorverdächtige zu foltern. „I will bring back waterboarding and things a hell of a lot worse than waterboarding“ Das Merkmal trifft demgemäß zu und muss mit „1“ bewertet werden.
3. Identifizierung von Feinden/Sündenböcken als vereinigende Sache
Trumps Kampagne baut auf einem systemischen Antiislamismus und Antimexicanismus auf, so bezeichnete er beide schon pauschal als „Vergewaltiger“, „Drogendealer“ und „Massenmörder“, um sämtliche rechtsextremen Klischees zu erfüllen. Beispiel: „I don’t want to be politically correct: Islam hates us!“ An den wirtschaftlichen Problemen der USA gibt er regelmäßig China die Schuld. Innenpolitisch etablierte er Präsident Obama als Feindbild, bezeichnete ihn als Islamisten und stellte sich an die Spitze der sogenannten „Birther“-Bewegung, welche die amerikanische Abstammung des Präsidenten anzweifelt. Wertung: „1“
4. Vorrang des Militärs
Zwar spricht Trump immer wieder davon, dass zu wenig für das amerikanische Militär ausgegeben wird, und er kündigte an: „we will bomb the Hell out of ISIS“, oder: „we should bomb the Iran instead of nagotiating nucleat deals with them“. Außerdem sprach er sich trotz aller späteren Abkehr von dieser Position ursprünglich für den Krieg im Irak aus, und behauptete, Präsident Obama gehe zu zögerlich mit dem IS um. Auch eine militärische Konfrontation mit China schließt er nicht aus. Des Weiteren forderte er immer wieder von NATO-Partnern eine massive Aufrüstung, zuletzt sagte er auf dem republikanischen Parteitag sogar: Wenn Partnerstaaten nicht entsprechend der NATO-Richtlinien 2% ihres Bruttoinlandsproduktes auf den Militäretat verwenden würden, kämen die USA ihnen unter seiner Führung im Verteidigungsfalle nicht zur Hilfe. Zum Verteidigungshaushalt der USA sagte er: „3% of GNP for military is too low.“ Das Merkmal ist dementsprechend deutlich erkennbar. Wertung: „1“
5. Wachsender Sexismus
Hier sind die Fronten sehr unklar: Zwar arbeiten auch in höheren Positionen zahlreiche Frauen für Trump, allerdings gibt es auch Vergewaltigungsvorwürfe gegen ihn, und seine Position zur Selbstbestimmung der Frau, sowie zur Abtreibung schwanken je nach dem, vor wem der Unternehmer gerade spricht. Seine Haltung gegenüber der LGBT-Community dagegen ist sehr liberal. Demgemäß ist dieses Merkmal als unklar und damit mit „0“ zu bewerten.
6. Kontrollierte Massenmedien
Während Republikanische Populisten, so auch Trump, traditionell ihre Popularität gerne nutzen, um Einfluss auf Zeitungen und Fernsehen zu nehmen, ist Trump außerdem bereit, Medien direkt zu zensieren: “I would certainly be open to closing areas where we are at war with somebody,” Sagte er auf die Frage, ob er offen für eine Netzzensur wäre. Außerdem nutzt seine Kampagne, wie alle republikanischen Wahlkampagnen, den rechtskonservativen „Nachrichtensender“ Fox News, um Propaganda zu betreiben. Er plädierte für eine „Mutually profitable 2-way relationship with the media.“ Wertung: „1“
7. Besessenheit von der nationalen Sicherheit
Die Hälfte seiner Rede auf dem Nominierungsparteitag der Republikaner nach Trumps offizieller Nominierung, war voller Botschaften der Terrorangst. Trump will es Muslimen generell verbieten in die USA zu reisen. Er ist für mehr Überwachung, auch im Internet. Und für ihn sind Polizisten trotz aller erwiesener Polizeigewalt die am meisten von Diskriminierung betroffene Gruppe in den USA. Wertung: „1“
8. Religion/Ideologie und Regierung sind miteinander verflochten
Trump gilt zwar nicht als religiös, dennoch bedient er sich christlich-fundamentalistischer Sprache und behauptet, die Bibel sei „das beste Buch, das je geschrieben wurde“. Das er mit seinem ehemaligen Konkurrenten, dem Chirurgen Ben Carson und seinem potentiellen Vizepräsidenten Mike Pence gleich zwei christliche Fundamentalisten in seinem engsten Kreis hat, sorgt letztlich für die Wertung „1“
9. Die Macht des Großkapitals (unternehmerischer Einfluss) wird geschützt
Zwar fordert Trump öffentlich eine Überholung der „citizens united“ Entscheidung des obersten Gerichtshof, der Unternehmen eine quasi endlose Beteiligung an Wahlkämpfen, und damit quasi endlosen Einfluss auf die Politik sichert, die Macht des Großkapitals will er aber durch die größten Steuerkürzungen der Geschichte der USA sowie zahlreichen Deregulierungen weiter stärken. „0% corporate tax would create millions of jobs.“, „Let me just set it straight. I put in the biggest tax decrease of anyone running for office so far.“ Wenngleich er sich immer als der „Anti-Establishment-Kandidat“ aufspielt, so ist Trump doch letztlich selbst Teil des Großkapitals, weshalb ihm an der Erhaltung der Macht des Geldes gelegen ist. Wertung: „1“
10. Gewerkschaftliche Macht wird unterdrückt
Zwar gibt es immer wieder Berichte, Donald Trump hätte Mitarbeiter aufgrund ihrer Gewerkschaftszugehörigkeit entlassen und die meisten amerikanischen Gewerkschaften stehen dem Republikaner sehr skeptisch gegenüber, wahlkampftaktisch suchte er dennoch die Nähe einiger Gewerkschaften. Seine Postition ist hier unklar und muss dementsprechend mit „0“ bewertet werden.
11. Geringschätzung von Intellektuellen und Künstlern
Wenngleich Trump sich mit Klimawendelleugnern und fundamentalistischen Creationisten umgibt, ist nicht bekannt, dass er sich für eine Zensur der Wissenschaften einsetzte. Jedoch zeigt insbesondere seine Nominierung des christlichen Fundamentalisten Mike Pence zum Vivepräsidenten eine sehr eindeutige Geringschätzung der freien Wissenschaften. Wertung: „1“
12. Hervorhebung von Kriminalität und deren Bestrafung
Dieses Merkmal ist definitiv gegeben, nicht nur fordert er ein hartes Vorgehen gegen Terroristen, er ist auch ein extremer Verfechter der Todesstrafe und leugnete mehrfach Polizeigewalt. „Capital punishment isn’t uncivilized, murderers living is. (2000)“, „The police are the most mistreated people in America.“ Wertung: „1“
13. Politische Seilschaften und Korruption
Zu Beginn seines Wahlkampfes finanzierte sich der Reality-Star und Immobilienunternehmer zwar zum größten Teil selbst, mittlerweile hat er sich jedoch im korrupten amerikanischen Wahlfinanzierungssystem eingefunden, sammelt Spenden über die republikanische Partei und deren Großspender. Des Weiteren sind Trumps Kinder in seinem Wahlkampf zentrale Figuren, wobei davon auszugehen ist, dass sie auch im Nachhinein einen gewissen Einfluss auf seine Politik haben werden. Seine politischen Mitstreiter sucht er sich, wie er selbst sagte, zudem nicht nach Kompetenz, sondern in erster Linie nach Sympathie oder nach wahlkampftaktischem Kalkül aus. Werung: „1“
14. Wahlbetrug und Scheinwahlen
Zwar kann der Republikanischen Partei in mehreren Fällen in der Vergangenheit Wahlbetrug vorgeworfen werden und insbesondere im Jahr 2000 nutzte sie die konservative Mehrheit im obersten Gerichtshof aus, um im Fall „Bush v. Gore“ eine Wahl zu ihren Gunsten zu manipulieren, in der diesjährigen Kampagne gab es jedoch bisher keine derartigen Fälle, im Gegenteil prangerte Donald Trump im Vorwahlkampf die halbseidenen Methoden seines Konkurrenten Ted Cruz an, der u.a. Wähler durch persönliche Anschreiben mit verfälschten Abstimmungshistorien, zu gewinnen versuchte. Demgemäß ist Trump hier mit „0“ zu bewerten.
15. Ausgeprägter Führerkult und autoritäre Hierarchie.
Trump arbeitet seit Beginn seiner Kampagne an einem Image als populitischer „Strong Man“, die gesamte Wahlkampagne, die zu einer rechtspopulistischen Bewegung heran wuchs, basiert nur auf seiner Person. Auch der Nominierungsparteitag der Republikaner zeigte den enormen Personenkult, der um ihn betrieben wird. Dementsprechend ist hier der Wert „1“ zu vergeben.
Geht man weiter in die Tiefe, finden sich noch zahlreiche weitere Aussagen, welche die mit „zutreffend“ bewerteten Merkmale aufweisen. Dieses Kapitel soll zunächst anhand weniger Beispiele die Funktionsweise des Tools erläutern.
5. Fazit und Ausblick
In der Analyse erreicht Donald Trump einen Wert von 12, damit liegt er knapp im Bereich „eindeutig faschistisch geprägter Ideologie“. Seine Reden und Positionen deuten damit also auf einen konkreten faschistischen Bezug in einem breiten Themenfeld hin. Damit ist allerdings noch längst nicht belegt, dass er eine faschistische Staatsordnung anstrebt. um dies zu überprüfen, wären weitere Untersuchungen, inklusive mehrerer Befragungen Trumps, seiner Anhänger und seiner Wählerbasis nötig.
Doch zeigt die Untersuchung, dass jene, die in Trump „gefühlsmäßig“ neofaschistische Tendenzen sehen, nicht unbedingt unrecht haben. Warum es allerdings regelmäßig zur Verharmlosung, einem Herunterspielen oder gar zur Leugnung solcher Tendenzen oder allgemein extremistischer Tendenzen in allen politischen Lagern kommt, wird noch zu klären sein.
Interessant wäre auch eine Überprüfung anhand anderer, hier nicht aufgeführter Faschismusmerkmale: So schrieb Umberto Eco über den Urfaschismus beispielsweise, diesem eigentümlich sei „Newspeach“, eine Vereinfachung und Verarmung des Vokabulars und eine elementare Syntax, um die Instrumente komplexen und kritischen Denkens im Keim zu ersticken. Zumindest auf Trump’s Wahlkampagne trifft diese Wortschatz- und Syntaxverarmung wohl zu, denke man nur an seine berühmt, berüchtigten freien Reden, sowie an die unheimlichen Sprechchöre auf seinen Veranstaltungen: „USA, USA! – BUILD THAT WALL! BUILD THAT WALL!“
Zudem wurde in diesem Artikel nicht über die Verherrlichung der Gewalt in faschistischen Systemen geschrieben, die für viele Extremismusforscher ebenso elementar zum Faschismus gehören, wie der Totalitarismus und der Antidemokratismus. Dementsprechend ist die hier vorgeschlagene Untersuchungsmethode nach Dr. Lawrence Britt keinesfalls als absolut oder vollständig zu betrachten, allerdings stellt sie ein Werkzeug zur Verfügung, welches es erlaubt mit einer relativen sozialwissenschaftlichen Prägnanz faschistoide Tendenzen in Politikern und politischen Bewegungen abzuschätzen.
3 Gedanken zu „Die Verharmlosung des Neofaschismus – Ein sozialwissenschaftlicher Ansatz zur Identifikation faschistischer Kräfte.“