Parteigroßspenden auf Rekordniveau, auch AfD fährt auf dem Korruptionskarussell mit.

Berlin. Im Jahr vor der Bundestagswahl haben die Parteien in der Bundesrepublik deutlich mehr Großspenden erhalten als zuvor. Spitzenreiter sind dabei CDU und die Grünen, aber auch die AfD wurde erstmals mit einer Großspende bedacht – einzig die Linkspartei hat keine Großspenden erhalten.

2.865.991 Euro an Großspendenaufkommen konnten die Parteien 2016 insgesamt verbuchen, rund 800.000 Euro mehr als im Vorjahr. Davon gingen 925.002 Euro an die CDU, die damit die zweifelhafte Ehre hat, die meisten Großspenden verzeichnen zu können. An zweiter Stelle stehen erstmals die Grünen mit einem Spendenaufkommen von 709.989 Euro. Unter anderem wurden die Grünen mit zwei Großspenden des Berliner Vermögensberaters Jochen Wermuth sowie im Landtagswahlkampf in Baden-Württemberg mit 110.000 Euro vom Lobbyverband „Südwestmetall“ bedacht – wobei „Südwestmetall“ gleich alle wichtigen Parteien in Baden-Württemberg mit Geld überschüttete.

Es folgen die CSU mit einem Aufkommen von 350.000 Euro, die FDP mit 310.000 Euro und die SPD mit 301.000 Euro. Zudem erhielt die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD), welche vom Verfassungsschutz als „politische Sekte“ geführt wird, zwei hohe Spenden von zusammen 170.000 Euro aus privaten Händen.

Zum ersten Mal taucht im Ranking auch die rechtspopulistische AfD, die in Wahlkämpfen auch gegen die Korruption der etablierten Politik beispielsweise auf europäischer Ebene wetterte, auf. Sie erhielt gegen Jahresende eine 100.000 Euro-Spende von einer Privatperson aus Bonn.

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Die meisten Großspenden stammen von Lobbygruppen und aus der Privatwirtschaft. (Quelle der Grafik: Abgeordnetenwatch)

Der größte Teil der Großspenden stammt von Unternehmen und Lobbyverbänden. Fast 1,6 Mio. Euro investierten Daimler, Evonik, Trumpf GmbH, R & W Industriebeteiligungen, die Privatbank Berenberg, Südwestmetall und der Verband der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie vergangenes Jahr in die deutsche Parteienlandschaft, wobei der Verband der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg (Südwestmetall), der an CDU, Grüne, FDP und SPD insgesamt 430.000 Euro zahlte, sich am spendabelsten zeigte.

Gerade Parteispenden von Lobbyisten und Unternehmen werden höchst kontrovers diskutiert: Immerhin wünscht jeder Unternehmer, der etwas investiert auch, eine Rendite aus seinem Investment zu bekommen. Kritiker dieser Parteifinanzierungspraxis monieren regelmäßig, dass so Korruption Tür und Tor geöffnet wird – wobei nicht unbedingt direkte Korruption gemeint ist, sondern eher eine mögliche Beeinflussung von Politikern durch ihre größten Geldgeber. Dass auch die AfD nun das Interesse von Investoren aus der Finanzelite weckt, zeigt, dass ihre Attacken auf die korrupte politische Klasse in Berlin und Brüssel nichts als Lippenbekenntnisse sind – die rechte Partei will und wird ebenso auf dem Korruptionskarussell mitfahren, wie die übrigen neoliberalen Parteien. Einzig die Linkspartei finanziert sich nicht durch Groß- und Unternehmensspenden – welcher Unternehmer würde denn auch einen Sozialisten sponsern?

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Großspenden von Unternehmen und Lobbygruppen, die größte Einzelspende erhielt 2016 die bayrische CSU aus der Industrielobby. (Quelle der Grafik: Abgeordnetenwatch)

Die Organisation Abgeordnetenwatch, von der die Zusammenfassung der Großspenden stammt, betont jedoch auch, dass Großspenden nur einen kleinen Teil der Spendeneinnahmen der Parteien aus. Als Großspende wird dabei jede Einzelzuwendung von über 50.000 Euro bezeichnet. Diese sind „zeitnah“ von den Parteien zu veröffentlichen. In der Summe seien, so Abgeordnetenwatch, die Zuwendungen unter 50.000 Euro aber weitaus höher. Solche Spenden müssen allerdings erst mit großer zeitlicher Verzögerung von bis zu einem Jahr veröffentlicht werden. Die aktuellen Berichte dazu, die das Jahr 2015 betreffen, erscheinen in den kommenden Wochen.

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Großspenden aus privater Hand. (Quelle der Grafik: Abgeordnetenwatch)

Anmerkung der Redaktion: Um systemische Korruption und politische Beeinflussung durch Lobbygruppen und Unternehmen zu begrenzen, fordert Spartacus ein Verbot von Parteispenden durch Unternehmen, sowie eine Begrenzung der Spendenhöhe bei Privatspenden. Um einen gleichberechtigten demokratischen Dialog zu führen, ist es notwendig, dass jede Stimme das selbe Gewicht hat. Wenn sich eine kleine Finanzelite mit Investitionen in die Parteienlandschaft besseren Zugang erkaufen kann, wird dieser demokratische Grundsatz untergraben!

Der verstorbene Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) sagte schon 1999 über Parteispenden aus der Wirtschaft, es müsse den Parteien verboten werden, „von juristischen Personen Geld oder geldwerte Vorteile anzunehmen, also von Firmen, Verbänden, Stiftungen und so weiter. Schließlich haben ja allein natürliche Personen das Wahlrecht“.

Welche Gefahr geht von der AfD wirklich aus?

Gerade Linke beschwören in Bezug auf die rechtspopulistische AfD gerne den Untergang der aufgeklärten Gesellschaft hervor, aber ist diese Panik angebracht? Im Folgenden setzt sich unser Autor mit der Entstehung und Entwicklung der Partei auseinander und beurteilt, welche reale Gefährdung von ihr ausgeht.

2013 wurde die rechtskonservative „Alternative für Deutschland“ (AfD) von ehemaligen CDU- und FDP-Anhängern um den Ökonomen Bernd Lucke als konservative und wirtschaftsliberale Partei gegründet. Zentrale Themen waren, im Zusammenhang mit der globalen Finanzkrise, die Eurokritik sowie ein protektionistisches Außenhandelsmodell. Mit der Zeit kam es allerdings zu einem starken Zufluss extrem Rechter in die Kreise der AfD.

Ein Flügelkampf brach aus, den die nationalkonservative Seite unter der Führung von Populisten wie Alexander Gauland, Frauke Petrys und Björn Höcke für sich entscheiden konnte. Unter dem Namen „Weckruf 2015“ standen schließlich der Austritt von Parteigründer Bernd Lucke und einiger Anhänger aus der AfD sowie die Gründung der neoliberalen Kleinstpartei ALFA (heute Liberal-Konservative Reformer, Namensänderung aufgrund eines Rechtsstreits), welche auch das Gros der EU-Parlamentssitze von der Mutterpartei übernahm. In der derzeitigen AfD kämpfen noch immer erzkonservative, wirtschaftsliberale und nationalistische Flügel um die Oberhand. Rechtspopulistisch ist die Gesamtpartei allemal, aber welche konkrete Gefahr geht von ihr aus?

Als einzige Partei des rechtsextremen Spektrums, die bundesweit über die Fünfprozenthürde kommt, hat die Partei vor allem ein Problem: Sie ist kaum kompromissfähig. Ihre stark populistischen Tendenzen sowie die Tendenz einiger Parteiströmungen zu etlichen Verschwörungsideologien, werden politische Verhandlungen deutlich erschweren. Alles in allem ist die Partei nicht regierungsfähig, aber muss sie das aus der Sicht ihrer Wähler überhaupt sein?

Die meisten AfD-Wähler wählen ihre Partei schließlich nicht wegen des Programms, sondern um „die Regierenden“ in Bedrängnis zu bringen. Die AfD soll demnach provozieren und auf die Ängste ihrer Wähler aufmerksam machen. Anstatt darauf entsprechend zu reagieren, haben jedoch Medien und etablierte Politik die AfD zunächst kleinzureden versucht, sie dann verspottet und schließlich deren Wähler als dumm oder geisteskrank verunglimpft. Solche Reaktionen aus dem Establishment stärken jedoch Populisten nur weiter: Betroffene fühlen sich nicht ernst genommen und populistische Kräfte erfahren Scheinbestätigung durch die Angriffe der etablierten Politik. Dieses Phänomen führte nicht nur in Deutschland zum Aufstieg der AfD, sondern fast zeitgleich in Großbritannien zum BREXIT oder in den USA zum Sieg des republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump.

Das Establishment ebnet somit den Weg der Populisten. Homophobie, Islamophobie, offener Sexismus und Rassismus wurden so auch in Deutschland wieder komplett salonfähig, nachdem CSU und CDU sie zumindest „warm gehalten“ haben.

Ein weiterer Faktor, der modernen Populisten – so auch der AfD – zugute kommt, sind die sozialen Medien. Zwar stehen im Internet immer mehr Informationen zur Verfügung, aufgrund der sogenannten Filterblase im Netz bewegen sich Netizens jedoch – verstärkt durch die Algorithmen von Google, Facebook und Konsorten – meist nur in Netzumgebungen, in denen eine bestimmte Position vorherrscht. Und weil der Mensch naturgemäß nach Bestätigung sucht, bewegt er sich gern in diesen Umgebungen. Eine Spaltung der Bevölkerung ist die Folge: Man ist Gutmensch oder Nazi! Dazwischen scheint es in der Welt der Populisten nichts zu geben! Diese Aufspaltung könnte sich noch zuspitzen, da das Vertrauen in die „etablierten“ Medien schon seit Jahren – teilweise berechtigterweise – ins Bodenlose stürzt, weshalb sich immer mehr Menschen nach – teilweise sehr unseriösen – Informationsquellen im Netz umsehen. Aus eben diesen Kreisen rekrutiert die rechtspopulistische Partei, deren Wahlkämpfe auf Verschwörungsideologien und einem unklaren Anti-Establishment-Gedanken aufbauen, den Großteil ihrer Anhängerschaft.

Bedeutet dies aber das Ende unserer modernen Gesellschaft?
Mitnichten! Schließlich scheint eine Regierungsbeteiligung der AfD zum jetzigen Zeitpunkt sehr unwahrscheinlich. Zwar ist die Möglichkeit, dass die Unionsparteien einen neuen Rechtsruck vollführen und früher oder später eine Koalition mit der AfD eingehen, nicht auszuschließen, aber da die Union dann wahrscheinlich ihre moderate Wählerschaft verlieren würde, kann es aus Unionssicht kaum als sinnvoll erachtet werden, dieses politische Risiko in der näheren Zukunft einzugehen.

Letzten Endes wird – im Guten und im Schlechten – außer bloßem Getöse im parlamentarischen Betrieb nicht viel von der streitlustigen AfD zu erwarten sein. Eine zentrale Gefahr bleibt allerdings: Da Rot-Rot-Grün zum jetzigen Zeitpunkt sehr unwahrscheinlich scheint, droht der Opposition im deutschen Bundestag eine ungesunde Spaltung. Wähler der AfD werden daher enttäuscht sein, wenn sie feststellen, dass „ihre“ Partei das „Durchregieren“ der kommenden Bundesregierung noch weiter vereinfacht.


Anmerkung der Redaktion: Es handelt sich hier um den ersten Bericht unseres neuen Jugendkorrespondenten, der in unregelmäßigen Abständen hier politische Überlegungen anstellen wird.

Das Beitragsbild stammt von der AfD in Baden-Württemberg und zeigt die Zusammenarbeit der rechtspopulistischen AfD und der rechtsradikalen NPD im Landtagswahlkampf 2016.

Ignorant und Weltfremd: CDU-Minister fordert Deutschpflicht für das Internet.

Stuttgart. Das jährliche Sommerloch – in diesem Jahr nur gestört durch sinnlose Gewaltakte auf deutschem Boden – bringt regelmäßig die schlimmsten Auswüchse deutscher Politik hervor. Provinzpolitiker glauben offenbar die Zeit gesetzgeberischen Stillstandes nutzen zu können, um ihr eigenes Profil durch besonders provokante Agenden zu stärken. Den Gipfel der Unverschämtheit – und Weltfremdheit – zeigte in diesem Rahmen der Baden-Württembergische Verbraucherschutzminister Peter Hauk (CDU). Dieser fordert nun – offenbar auch mit Blick auf oben genannte Gewaltexplosionen – eine Deutschpflicht im Internet, für in Deutschland lebende Menschen – speziell für Migranten – für muslimische Migranten.

Hauk macht sich demnach dafür stark, dass in Deutschland im Internet und insbesondere in sozialen Medien nur die deutsche Sprache verwendet wird. „Wer in unserem Land lebt, sollte in der Landessprache kommunizieren. Das gilt auch für soziale Medien“, sagte Hauk dem „Mannheimer Morgen“. Wobei der Verbraucherschutzminister, der es hier offenbar für dringend nötig hält, sich in das Ressort seines Parteikollegen aus dem Innenministerium einzumischen, einen besonderen Fokus auf muslimische Migranten legt. „Sie müssen gezielt sensibilisiert werden. Muslimische Bürger bewegen sich im Internet häufig nur innerhalb der türkischen Community“, erläuterte der CDU-Minister.

Die hier von Hauk aufgestellten Forderungen sind nicht nur unfassbar ignorant, sie zeigen auch ein enormes Unverständnis davon, dass das Internet – speziell auch soziale Medien – viel häufiger internationaler Raum ist, als nationaler. Will der Minister es einem türkischen Migranten verbieten, auf türkisch mit seinen Verwandten in der Türkei zu chatten? Will er arabisch-stämmige Muslime dazu „sensibilisieren“, ihren chilenischen Bekannten keine E-Mails mehr auf Spanisch zu senden? Der Minister handelt sicher nach einem hehren Ziel, aber vielleicht sollte er sich, ehe er Kommentare zum Netzrecht abgibt, künftig mit jemandem besprechen, der tatsächlich weiß, wie das Internet funktioniert und wie soziale Medien funktionieren.

Aus einer ganz anderen Warte fragwürdig ist die Einlassung Hauks, bedenkt man, dass sie speziell auf eine bestimmte Gruppe der deutschen Bevölkerung zielt: Muslimische Migranten. Wo bleibt hier die verfassungsmäßige Gleichheit vor dem Gesetz?

Nun ist ja prinzipiell die Forderung nach einer Deutschpflicht in den sozialen Medien so absurd, dass manch einer glauben könnte, es sei die Tastenabnutzung nicht wert, sich mit ihr zu befassen, und derjenige hätte Recht, gäbe es nicht in der Bundesrepublik einen signifikanten Bevölkerungsanteil, der sich in seiner latenten Fremdenfeindlichkeit von derartigen politischen Blendgranaten täuschen lässt.

Im Besonderen sei dabei auch die – man kann es nicht anders sagen – schlampige journalistische Arbeit der Kollegen vom „Mannheimer Morgen“ angemahnt, welche in ihrem Bericht die Einlassung Hacks völlig unkommentiert stehen lassen. Journalistische Unbefangenheit bedeutet schließlich nicht, absurde politische Provokationen nicht auch als solche zu entlarven. Gibt es denn beim „Mannheimer Morgen“ keinen Redakteur, dem bewusst ist, dass der Vorschlag des Ministers weder sinnvoll, noch verfassungsgemäß, noch umsetzbar ist?

Neben diesen völlig abstrusen Forderungen, hat der CDU-Politiker allerdings auch noch ein paar Ideen, die zunächst gar nicht schlecht anmuten, so wünscht sich Hauk spezielle Medienbildung für Eltern türkischstämmiger Jugendlicher. Wodurch diese befähigt werden sollen, auf die Aktivitäten ihrer Kinder im Netz zu achten, das gehöre demnach zum Erziehungsauftrag der Eltern. „Manche Eltern nehmen das leider noch nicht ernst genug“, sagte Hauk, weshalb er sich er sich dafür einsetze, dass „Schulen Kurse anbieten, in denen Eltern Medienerziehung erlernen“. Wichtig sei, dass die Gesellschaft „bei den Aktivitäten Jüngerer im Internet eine Kultur des Hinschauens“ bekomme.

Parallel warnte Rainer Wendt, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, im selben Artikel vor politischem Aktionismus und forderte stattdessen: „Vielmehr wäre wichtig, dass die Datenschutzbestimmungen gelockert werden“, denn nur so sei ein effektiver Austausch von „Polizei, Staatsanwaltschaft und Sozialbehörden über auffällige Jugendliche“ möglich. Das Forderungen nach derartigen Eingriffen in die Privatsphäre junger Menschen nicht weniger aktionistisch sind, geht dem Polizisten dabei nicht auf.

Kein Wahlomat in Mecklenburg-Vorpommern, weil er CDU und SPD zu „einfach“ ist.

Schwerin. Gerade junge Wähler befassen sich vor Wahlen erst über den sogenannten Wahlomaten mit den Positionen von Parteien. Das System ist einfach: Den Parteien wird eine Reihe von Fragen zu aktuellen Themen der Politik zugesandt, welche diese beantworten sollen, dann werden die Antworten dem System gefüttert, wobei ein es ein binäres Antwortsystem gibt (Parteien antworten auf geschlossene Fragen mit Ja oder Nein und können eine Begründung abgeben). Der geneigte Wähler beantwortet die selben fragen dann ebenfalls (mit ja oder nein), und zum Schluss ergibt sich ein Bild davon, mit welchen Parteien man am meisten übereingestimmt hat.

Genau diese Einfachheit prangern CDU und SPD in Mecklenburg-Vorpommern nun jedoch an: „Der Wahlomat reduziert komplexe Fragen der Politik auf einfache Antworten und ist daher als ein Instrument der politischen Entscheidungshilfe ungeeignet“, sagt SPD-Landesgeschäftsführer Marcus Unbenannt. Der Wahlomat gaukle eine Einfachheit vor, die nicht echt sei, so Unbenannt. Die beiden Parteien verweigerten deshalb ihre Mitarbeit am Wahlomaten, weshalb es wohl im Nordosten nicht stattfinden wird.

Tatsächlich simplifiziert das System politische Themen insbesondere durch die geschlossenen Fragen, es gibt nur ein dafür, oder ein dagegen, Differenzierungen können kaum vorgenommen werden. Dennoch: Ist es nicht besser, Erstwähler prüfen, wenngleich unzureichend, wo sie ihr Kreuz machen sollen, ehe sie es tatsächlich machen? Wer sich grob mit Parteiprogrammen und -Positionen befasst hat, weiß immer noch mehr, als jener, der sich gar nicht im Vorhinein mit der Wahlentscheidung befasst hat.

Hinzu kommt der Unterhaltungsfaktor es Wahlomaten, den wir bei Parlamentswahlen nicht mehr missen wollen. Deshalb: Liebe SPD, liebe CDU, das war die falsche Entscheidung, schließlich wird es euren Wahlergebnissen nicht gerade gut tun, wenn ihr eure Wähler so offensichtlich für blöd verkauft. Der Wahlomat ist gedacht als erste Orientierungshilfe für Jungwähler, als solche funktioniert er wunderbar, auch ohne tiefste Differenzierungen.

Wir Deutschen zahlen für ganze türkische Dörfer die Krankenversicherung mit! Oder?

Rund 500.000 türkische Arbeitnehmer in Deutschland können derzeit ihre nächsten in der Türkei lebenden Angehörigen über die Deutschen Krankenversicherungen kostenfrei mitversichern. Rechte halten das für ungeheuerlich. Trotz leerer Kassen, würden „ganze Dörfer“ mitversichert, heißt es da beispielsweise. Ist das wirklich so?

Unter dem Titel „Deutsche Krankenkassen zahlen für türkische Angehörige in der Türkei mit“ veröffentlichte die „Epoch Times“, ein boulevardeskes Online-Medium, dass bei der „neuen Rechten“ – warum auch immer – zur Standardlektüre zu gehören scheint, schon im November vergangenen Jahres einen provokativen – und beschämend schlecht recherchierten – Artikel zum „Deutsch-türkischen Sozialversicherungsabkommen“. Im Zuge der derzeitigen politischen Situation in der Türkei und der bilateralen Spannungen zwischen der deutschen und der türkischen Regierung, wurde der Artikel nun aktualisiert und – von Rechtsextremen – wieder aus dem Sumpf der verdienten Vergessenheit hervor gezogen.

Der Artikel, der vor allem aus Zitaten der rechtsextremen Seite „Journalistenwatch“ sowie aus Gesetzesauszügen besteht, suggeriert, wobei dies infamerweise in einem (unkommentierten) Zitat von „Journalistenwatch“ behauptet wird: „Die Bevorzugung ausländischer Familienangehöriger in der kostenlosen Mitversicherung deutscher Krankenkassen widerspricht dem Gleichstellungsgrundsatz und stellt uns Deutsche erheblich schlechter als in Deutschland lebende Türken.“ Dieser Vorwurf gegen das Abkommen wurde schon in einer – erfolglosen – Petition 2011 vorgebracht. Die Petition, die von einem gewissen A. Weber kurz vor einer Erhöhung der Versicherungsbeiträge vorgebracht wurde, fand 2011 rund 11.000 Unterstützer. Der Bundestag befasste sich mit dem Thema, eine Änderung des Abkommens wurde jedoch nicht für nötig erachtet und zunächst wurde es wieder still um das Deutsch-türkische Sozialversicherungsabkommen.

Nun jedoch, da Rechte wie Linke ein gewisses Türken-Bashing, aufgrund der Unterstützung des Erdogan-Regimes durch einen großen Teil der in Deutschland lebenden Türken, für gerechtfertigt halten, scheint die Debatte wieder aufzuflammen, ob dieses Abkommen Deutsche und Türken ungleich behandelt – und wenn ja, ob es dennoch gerechtfertigt ist.

Die enorme Empörung der Rechten – sowie der „Epoch Times“ – jedenfalls ist völlig ungerechtfertigt, handelt es sich bei dem Abkommen doch in erster Linie um eine Familienversicherung, wie sie in Deutschland durchaus üblich ist. So können auch Deutsche über gesetzliche wie private Krankenversicherungen ihre Ehepartner sowie ihre Kinder mitversichern, sofern diese nicht berufstätig sind. Das Abkommen sieht dementsprechend vor, dass in der Türkei lebende nahe Familienangehörige eines in Deutschland krankenversicherten Arbeitnehmers mitversichert sind. Zwar sind damit insbesondere Ehepartner und Kinder gemeint, aber – und das ist der Unterschied zur „normalen“ Familienversicherung – auch Eltern dürften mitversichert werden, sofern diese nicht berufstätig sind. Der zweite Unterschied besteht darin, dass sich die Angehörigen türkischer Versicherter im Ausland befinden.

Eine Ungleichbehandlung liegt also tatsächlich vor! Um nun diese scheinbare Ungerechtigkeit verstehen zu können, muss man sich in die Zeit zurückversetzen, aus der die Regelung stammt: Die Regelung ist 1964 in einer Zeit entstanden, als die Bundesrepublik aufgrund des Arbeitskräftemangels im Zuge des „Wirtschaftswunders“ – nach dem Bau der Mauer und der Schließung der deutsch-deutschen Grenze – massiv um türkische Gastarbeiter warb und als Lockmittel gute soziale Standards auch für die in der Heimat verbleibenden Angehörigen versprach.

Aber auch heute sei die Regelung laut Arbeitsministerium schon deshalb noch immer zeitgemäß, weil sie verhältnismäßig kostengünstig sei. In einem Informationsblatt heißt es: „Die Ausgaben der Krankenkassen wären deutlich höher, würden die Familienangehörigen nicht in ihren Heimatstaaten leben, sondern von ihrem Recht nach Deutschland nachzuziehen bzw. hier zu wohnen, Gebrauch machen.“ Was daran liegt, dass Behandlungskosten in deutschen Kliniken um ein Vielfaches höher als in der Türkei sind, weshalb es für die deutschen Krankenversicherungen sogar ein finanzieller Vorteil ist, wenn möglichst viele mitversicherte Angehörige in der Türkei – oder anderen Staaten, mit denen es ähnliche Abkommen gibt – leben. Auf diesen Faktor weist auch die „Epoch Times“ kurz hin, gegen Ende des ansonsten reißerischen Beitrags – und wiederum nur in Form eines Zitates vom Spiegel unter der Zwischenüberschrift „2011 greift der Spiegel das Thema auf“.

Warum in dem Artikel der „Epoch Times“ so massiv mit Zitaten gearbeitet wird, dürfte klar sein: Im einen Fall will man nicht als Medium gelten, dass rechtsextreme Propaganda verbreitet, durch den Kniff, ein Zitat von „Journalistenwatch“ zu verwenden, will der Autor des Textes – der den Artikel nicht unter seinem Namen veröffentlichte – eine gewisse Unverbindlichkeit herstellen. Im anderen Falle (das Spiegel-Zitat) soll durch den kurzen Auszug aus einem anderen Medium, namentlich dem Spiegel, Ausgewogenheit suggeriert werden. Mediale Propaganda für Anfänger.

Über die Anzahl der auf diese Weise mitversicherten Türken weiß übrigens die zuständige „Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung Ausland“ nichts zu berichten. Was daran liegt, dass die deutschen Sozialversicherer einen monatlichen Pauschalbetrag mit der türkischen Krankenversicherung aushandeln, um nicht jeden einzelnen Behandlungsfall aufwendig abzurechnen. Diese Pauschale wird – abhängig von den durchschnittlichen Behandlungskosten in der Türkei pro versichertem Arbeitnehmer in Deutschland (derzeit rund 500.000) und unabhängig von der Zahl der anspruchsberechtigten Familienangehörigen bezahlt. Es spielt dementsprechend finanziell kaum eine Rolle, ob nur Ehepartner und Kinder, oder auch Eltern mitversichert werden.

Vagen Schätzungen zufolge nahmen zuletzt etwa 35.000 in der Türkei lebende Angehörige von Türken in Deutschland die Privilegien aus dem Abkommen in Anspruch. Der Kostenanteil liegt – gemessen am gesamten deutschen Gesundheitssystem – bei jährlich rund 0,01 Prozent.

Übrigens betont das Arbeitsministerium, dass es sich bei dem deutsch-türkischen Abkommen nicht um eine Besonderheit handelt, vielmehr seien solche Verträge internationaler Standard. Teil des Abkommens sei demnach auch der Versicherungsschutz deutscher Touristen oder der von Auslandsrentnern in der Türkei, wie er in solchen Vereinbarungen üblich sei.

Schon 2003 – auch das weiß die „Epoch Times“ zu berichten- wurde das „Deutsch-türkische Sozialversicherungsabkommen“ hinterfragt: Der damalige Rechtsaußen-Abgeordnete der CDU Martin Hohmann befragte damals die Bundesregierung diesbezüglich. Unter anderem wollte der Parlamentarier, der später wegen einer antisemitischen Rede aus der Partei ausgeschlossen wurde, wissen, wie viele Familienangehörige von dem Abkommen Gebrauch machten und wie viel das gekostet habe. Die Antwort hat sich seither kaum verändert: Wie viele Personen die Privilegien in Anspruch nehmen, sei nur schwer schätzbar, finanziell aber lohne sich das Abkommen, weshalb man keinen Handlungsbedarf sehe.

Wer hat uns verraten? Wenn ein Konservativer ausgerechnet einen Sozialdemokraten unterstützt.

Wer hat uns verraten? EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker setzt sich offenbar derzeit für eine Verlängerung der Amtszeit ausgerechnet des Sozialdemokraten Martin Schulz als EU-Parlamentspräsident ein. Gleichzeitig will er den polnischen Konservativen Donald Tusk weiter an der Spitze des Europäischen Rates sehen.

Juncker, dessen Amtszeit bis Oktober 2019 dauert, plädierte in einem Interview mit dem „Spiegel“ dafür, „dass die europäischen Institutionen in den nächsten zweieinhalb Jahren so weitergeführt werden wie bisher. Wir brauchen Stabilität.“ Damit stellt Juncker, selbst Mitglied der konservativen „Europäischen Volkspartei“ (EVP) einmal mehr Vereinbarungen zwischen den beiden großen Parteien im Europaparlament in Frage, diese hatten sich ursprünglich darauf geeinigt, dass der SPD-Politiker Schulz im kommenden Januar seinen Posten zugunsten eines konservativen Kandidaten räumen sollte. Auch die Parteispitze der CDU, die wie ihre bayrische Schwesterpartei CSU Mitglied der EVP ist, sprach sich gegen eine Verlängerung der Amtszeit von Schulz aus. Anders als Juncker, werden die Europaabgeordneten von CDU und CSU jedoch konkret abstimmen dürfen für einen neuen Parlamentspräsidenten. Dass jedoch der „mächtigste Mann“ Europas, der bei den Lobbyisten der europäischen und internationalen Konzerne ein besonders beliebter Mann ist, nicht zuletzt weil er als luxemburgischer Premierminister einen beachtlichen Teil zum Ausbau des Kleinstaates zur Steueroase geleistet hat, soll wohl den Konservativen mitteilen: Ein besserer Kandidat findet sich nicht für euer (unser) Klientel.

Auch eine Verlängerung der Amtszeit des EU-Ratspräsidenten Donald Tusk, dessen erste Amtszeit bis Mai kommenden Jahres dauert, sähe Juncker laut Interview gern. Der liberal-konservative Pole ist zwar EVP-Mitglied, hat aber ein gespanntes Verhältnis zur grenzfaschistischen Regierung in seinem Heimatland. Die Staats- und Regierungschefs der EU wählen den Ratspräsidenten, der einmal mit qualifizierter Mehrheit für zweieinhalb Jahre wiedergewählt werden kann.

Von Schulz und Juncker ist bekannt, dass  sich beide seit den Europawahlen 2014 eng zusammenarbeiten in der Bestrebung, die Macht von EU-Kommission und EU-Parlament gegenüber den EU-Staaten zu stärken. Schulz wird in der SPD auch für eine herausgehobene Rolle in der deutschen Innenpolitik bis hin zum Kanzlerkandidaten gehandelt, lehnte dies jedoch bereits ab.

Juncker hatte zuletzt von sich Reden gemacht, indem er vorschlug, dass umfassende kanadisch-europäische Handels und Investitionsabkommen CETA an den nationalen Parlamenten vorbei zu bewilligen, indem die EU-Kommission das konzernfreundliche „Freihandelsabkommen“ als reines EU-Abkommen, statt als „gemischtes Abkommen“ einstuft. Erneut hatte er mit diesem Vorschlag gezeigt, wer sein Klientel ist: Die europäischen und internationalen Wirtschaftskonzerne.

Gesetzesentwurf zur Subventionierung von Wohnbauten abgeschmettert. Wie ist die Wohnungsnot zu lösen?

Der Wohnungsmarkt boomt wie seit wie seit fast einem Jahrzehnt nicht mehr: 2015 wurden knapp 248.000 Wohnungen fertiggestellt. Die Immobilienwirtschaft geht jedoch davon aus, dass bis 2020 jedes Jahr 350.000 bis 400.000 neue Wohnungen erforderlich sind, um den auch durch den Flüchtlingszuzug erhöhten Bedarf zu decken. Eine neue neue Gesetzesvorlage der Bundesregierung, die den Mietwohnungsbau durch Steueranreize in Milliardenhöhe fördern sollte, scheiterte nun jedoch am Widerstand der SPD.

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sagte am Dienstag, die geplante Sonderabschreibung hätte den Bau von Wohnungen gefördert, für die Mieter am Ende 15 Euro pro Quadratmeter hätten zahlen müssen. „Deshalb musste der Gesetzentwurf gestoppt werden.“ Die Union machte die SPD für das Scheitern des Vorhabens verantwortlich, für das sich auch Bauministerin Barbara Hendricks (SPD) eingesetzt hatte. Unions-Finanzexperte Ralph Brinkhaus sagte, im Herbst käme das Thema erneut auf den Tisch. Die Grünen forderten nun Investitionszulagen für den Wohnungsbau.

Der Gesetzentwurf des Finanzministeriums sollte den Bau von Mietwohnungen in Ballungszentren mit einer Sonderabschreibung von insgesamt 29 Prozent der Baukosten über drei Jahre fördern. Dafür waren waren bis 2020 Steuerausfälle von gut zwei Milliarden Euro veranschlagt. Die SPD-Fraktion wollte eine Mietpreisgrenze für die geförderten Neubauten einziehen und nur Wohnungen subventionieren, die pro Quadratmeter auf höchstens 2600 Euro Baukosten kommen. Erst nach einer Expertenanhörung kam dieser Vorschlag auf den Tisch. Zuvor war der Gesetzentwurf bereits mit den Ländern abgestimmt worden.

„Öffentlich geförderte Luxusbauten passen nicht in die Zeit“, erklärte SPD-Vizefraktionschefin Eva Högl. „Steuererleichterungen für hochpreisige Wohnungen können deshalb nicht unser Ziel sein.“ SPD-Haushaltsexperte Carsten Schneider sagte: „Der Gesetzentwurf wird deshalb nicht weiter verfolgt.“ Womit die Sozialdemokraten zwar im Grunde recht haben, eine Lösung für das real existierende Problem der Wohnungsnot in den deutschen Metropolen können sie jedoch nicht liefern.

Tatsächlich betrifft diese Wohnungsnot allerdings insbesondere Haushalte mit geringen Einkommen. Vielverdiener sind quasi nicht davon betroffen. Weshalb etwaige steuerliche Anreize stärker darauf Abzielen sollten, wie von der SPD gefordert, günstigen Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Die Implementierung einer statischen Mietpreisbremse kann hierfür jedoch kein akzeptables Mittel sein, stattdessen sollte eine relative Mietpreisbremse in den Gesetzesentwurf aufgenommen werden. Das würde bedeuten, Bauträger könnten die versprochenen Sonderabschreibungen nur dann nachträglich in Anspruch nehmen, wenn der fertige Wohnraum zu einem Mietpreis angeboten wird, der deutlich unter dem durchschnittlichen Mietspiegel der jeweiligen Stadt liegt. Auf diese Weise wären auch Abstufungen in der Gewährung der Subventionen möglich.

Der Gesetzentwurf lag seit Februar im Bundestag auf Eis. Zwar war das Finanzministerium federführend, angestoßen worden war das Vorhaben aber von Bauministerin Hendricks. Die Wohnungswirtschaft hatte am Montag zuletzt eine rasche Entscheidung gefordert und darauf verwiesen, dass in Deutschland zu wenig Mietwohnungen gebaut würden. Nur selten spricht es für einen Gesetzesentwurf, wenn das Großkapital diesen lauthals unterstützt. Verständlich allerdings, dass die Immobilienwirtschaft den Gesetzesentwurf, der ihnen Subventionen ohne großartige Bedingungen verspricht, gerne durchgedrückt hätte. Jeder ist sich schließlich selbst der nächste. Die Wohnungsnot jedoch, soviel ist klar, hätte der Entwurf, trotz aller Beteuerungen der Unionsfraktion, nicht gelöst.

Was Volker Kauder und der katholische Hassprediger von St. Lucifero gemein haben.

Wann immer Islamisten gegen Schwule und Lesben hetzen, ja sogar unmittelbar nach dem barbarischen Massaker von Orlando wurde auf dieser Seite davor gewarnt, fanatische Homophobie als Problem des „rückständigen“ Islam zu bezeichnen. Das Christentum in seinen widerwärtigsten Ausprägungen in dieser Hinsicht ebenso im Mittelalter stehen geblieben wie der fundamentalistische Islam. In den USA predigen evangelikale Kirchen regelmäßig und vor wachsendem Publikum gegen homosexuelle Dämonen, fordern gar die Massenweise Deportation von Schwulen in Konzentrationslager (Ja, es klingt unglaublich, aber es ist passiert), fordern Eltern auf ihren lesbischen Töchtern die Flausen auszuprügeln, oder werfen Schwulen vor für das Aussterben der weißen respektive schwarzen Rasse verantwortlich zu sein.

Aber nicht nur kleine fundamentalistische Kirchenabspaltungen praktizieren mit einem nicht zu unterschätzenden Enthusiasmus homophobe Heilszeremonien: In Uganda, einem zu 85% christliches Land (etwa die Hälfte davon Katholiken) können Schwule sogar ganz offiziell zum Tode verurteilt werden. Hass und Grausamkeit im Namen einer Religion, die doch Liebe predigt, oder? Die Fundamentalisten können sich in ihrer Homophobie jedoch auf mehrere Bibelstellen beziehen: So heißt es in Levitikus 18:22 „Du sollst nicht bei einem Mann liegen wie bei einer Frau; es ist ein Gräuel“  Zwar streiten sich Bibelforscher über die tatsächliche Bedeutung des Verses, in homophoben Christengemeinden ist er jedoch trotzdem der meistzitierte. Die Todesstrafe für Schwule wird dann abgeleitet von Levitikus 20:13, wo der oben beschriebene Vers um den Zusatz „sie seien beide des Todes“ erweitert wird. Der Gott Israels ruft hier klar zu Mord und Barbarei auf! Oder? Wer versucht alte religiöse Texte zu lesen und zu deuten muss sich auch immer bewusst machen, dass diese Texte mehrfach hin und her übersetzt wurden, gerade im Falle des alten Testaments sind Ursprung und ursprüngliche Bedeutung der Texte kaum noch zu rekonstruieren.

Der fundamentalistische Christ mag nun sagen, dass ja aber auch Paulus in den Briefen an die Korinther gegen Homosexualität hetzt. Tut er das? Zugegeben hetzt er gegen so ziemlich alles, was ihm gerade an Verfehlungen einfiel, wobei böse Zungen behaupten mögen, er hätte diese Sünden seiner eigenen Biographie entlehnt. Schließlich war Paulus jemand, der sich wohl heute einen „wiedergeborenen“ Christen nennen würde. Ein Sünder also, der zum Glauben fand und ihn fanatischer auslebte als alle anderen Gläubigen. An dieser Stelle sei übrigens erwähnt, dass Paulus seinen Lehrer, Jesus von Nazareth, nie getroffen hat. In seiner schier endlosen Hatz gegen allerlei größere und kleinere Verfehlungen, die der Extremist alle auf die gleiche Stufe stellt, kommt er jedenfalls irgendwann auch auf die „Lustknaben“. Diese könnten nach seiner Auffassung nicht das Reich Gottes erben. Hier predigt er doch aber eindeutig gegen Homosexualität. Tatsächlich? Er könnte auch im speziellen gegen homosexuelle Prostitution sprechen klar ist das keineswegs.

Dem Fundamentalisten ist da freilich gleich, scheint es doch fast als nutze er insbesondere jene Stellen der ihm heiligen Schrift, die andere verurteilen und verdammen. Von Liebe keine Spur. Leider gibt es Fundamentalisten aber in jedem Glauben und in jeder Ecke der Welt.

Und so ist es wenig überraschend, dass auf Sardinien ein katholischer Pfarrer bildhaft von Hölle und Teufel und vor allem gegen Homosexualität predigt. Don Massimiliano Pusceddu vertritt seine Thesen auch im Internet und hat eine eigene Radiosendung. Ein besonderer Dorn im Auge ist dem Priester das zurückhaltende Gesetz, mit dem nun Italiens Parlament gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften institutionalisierte. „Wir müssen die traditionelle Familie verteidigen und das verfehlte Gesetz der Zivilunionen ablehnen. Wie uns Gott ermahnt, verdienen Homosexuelle den Tod.“ Zum Glück machen auch im mehrheitlich katholischen Italien Priester heute keine Gesetze mehr.

hassprediger Don Massimiliano Pusceddu
Der homophobe Priester Don Massimiliano Posceddu soll früher auch Gläubige verprügelt haben, nun gibt es eine Petition gegen den „Hassprediger“.

In seiner Predigt greift der Pfarrer von St. Lucifero allerdings ein interessantes Argument der christlichen Rechten auf: „Homosexuelle Ehen gefährden die traditionelle Ehe.“ Auch in Deutschland wird dieses Argument regelmäßig gegen die Homo-Ehe ins Feld geführt, nicht von fundamentalistischen Irren sondern von Bundestagsabgeordneten der Unionsparteien. Volker Kauder, Bundesfraktionsvorsitzender der Unionsfraktion leiert es regelmäßig herunter, wenn man ihn nach der Homo-Ehe fragt. Inwieweit es allerdings irgendjemandes Familie gefährdet, wenn alle Menschen das gleiche Recht auf Eheschließung bekommen, ist kaum nachvollziehbar (und glauben Sie uns, wir haben es versucht). Allerdings zeigt das gewohnheitsmäßige herunter rattern dieser Argumentation zwei Dinge: Erstens gibt es keine wirklichen rechtlichen Gründe, die gegen die Homo-Ehe sprechen, weshalb sich die Union auf ihren Glauben berufen muss, und zweitens zeigt sich, dass die Homophoben der Union ideologisch näher am fundamentalistischen Pfarrer Don Massimiliano Pusceddu als am eigenen Koalitionspartner, die SPD wäre schließlich durchaus offen für die Homo-Ehe.

Es scheint fast, als unterscheide sich die Homophobie in den abrahamitischen Religionen nur in ihrer Radikalität: Die einen verweigern der LGBT-Community nur so viele Rechte, wie möglich, die anderen fordern gleich deren Deportation und Ermordung. In Italien gibt es nun eine Petition, Papst Franziskus möge den Hassprediger Don Massimiliano Pusceddu aus dem Priesteramt entfernen und erstmals in der Geschichte der katholischen Kirche stehen die Chancen recht gut, dass der Papst dieses Gesuch seiner Gläubigen auch erhört. Volker Kauder und die Union wird man so leicht leider nicht los.

Warum die „Wachpolizei“ des Innenministers eine Scheißidee ist.

Berlin. Als Reaktion auf die Zunahme bandenmäßiger Einbrüche will Bundesinnenminister Thomas De Maizière künftig kurz ausgebildete Hilfspolizisten einsetzen. Diese sollen nach einer 12-monatigen Ausbildung mit Uniform und Schusswaffe in besonders gefährdeten Vierteln Streife gehen. „Sie würden die Präsenz der Polizei erhöhen und können Meldungen machen.“ In Sachsen wurde die Wachpolizei bereits eingeführt. Ende Januar begannen die ersten 50 Wachpolizisten ihre Ausbildung. „Das ist ein zukunftsweisendes Modell,“ behauptet der Innenminister, ohne dabei Bezug auf tatsächliche Praxiserfahrung nehmen zu können. Mit der Einführung der Wachpolizei will der Innenminister wohl auch den häufiger werdenden Gründungen von rechtsextremen Bürgerwehren den Wind aus den Segeln nehmen.

Eine fürchterliche Idee. Noch hat die Polizei in der Bevölkerung einen Vertrauensstatus, auch aufgrund einer verhältnismäßig hochwertigen Ausbildung der Beamten. Ein Normalbürger jedoch wird nur schwer einen Hilfspolizisten, von einem voll ausgebildeten Beamten unterscheiden können, da sind Konflikte vorprogrammiert. Überhaupt wirkt die Idee, schlecht ausgebildeten, für den regulären Polizeidienst ungeeigneten jungen Männern Schlagstöcke und Faustfeuerwaffen in die Hand zu geben unbehaglich, zumal sich die Frage stellt, inwieweit diese Kräfte in brenzligen Situationen zur Deeskalation fähig sind. Steht nicht zu befürchten, dass ein überforderter Hilfspolizist das Gegenteil bewirkt, eventuell sogar unnötigen Gebrauch von der Schusswaffe macht?

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Innenminister De Maizière hält Hilfspolizisten mit Schusswaffen für eine gute Idee.

Ähnlich sieht das offenbar auch die Gewerkschaft der Polizei. Die Einführung der Wachpolizei in Sachsen bezeichnete der Landesvorsitzende Hagen Husgen als „eine absolute Alibi-Aktion, die der Lage nicht gerecht wird“ Gerade in der ohnehin angespannten Lage brauche es gut ausgebildete Polizisten. Insbesondere betont der Gewerkschafter, dass die kurz ausgebildeten Wachpolizisten psychologisch völlig unzureichend auf Konfliktlagen vorbereitet würden.

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Streifenpolizisten müssen auch in Konfliktsituationen deeskalierend wirken können, Bürger erwarten „Freund und Helfer“.

Auch der stellvertretende SPD-Vorsitzende, Ralf Stegner, die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Ulla Jelpke, und Grünen-Innenpolitikerin, Irene Mihalic, lehnen den Einsatz von „billigen und unzureichend ausgebildeten Wachleute in Polizeiuniformen“ richtigerweise ab. „Ich halte es für verantwortungslos, unqualifizierte Leute nach einem Schnellkurs mit Schusswaffen, Handschellen und Pfefferspray auf die Allgemeinheit loszulassen.“, so Jelpke. Eine solche Schnellausbildung stünde im Kontrast zur Erwartung der Bürger, die in einem Polizisten insbesondere einen „Freund und Helfer“ sähen. Der Vorschlag sei eine Kapitulation vor der Aufgabe des Staates, die Sicherheit der Bürger mit qualifiziertem Personal sicherzustellen. Recht hat sie! De Maizières Wachmiliz kann nicht die Lösung des Problems sein, im Gegenteil wäre sie unter Umständen sogar gefährlich, insbesondere bei Konflikten und Gewalteskalationen. Würde es sich um reine „Melder“ handeln, die keine weitreichenden Befugnisse und insbesondere keine Waffe trügen, sähe die Situation eventuell schon anders aus: Grundlegende psychologische Kenntnisse lassen sich in einem Jahr erlernen und für alles weitere müssten die Wachleute dann ohnehin einen voll ausgebildeten Kollegen zu Hilfe rufen. 

Spartacus Five vom 13.06.2016

Spartacus Five bietet fünf berichtenswerte Kurznachrichten des Tages, redaktionell ausgewählt und aufbereitet nach persönlichem Interesse.

Luftverschmutzung: Neue Studie bringt psychische Erkrankungen bei Kindern mit zunehmender Luftverschmutzung in Verbindung. Wissenschaftler erkannten, dass bereits eine geringfügige Erhöhung der Luftverschmutzung zu signifikant mehr psychischen Erkrankungen bei Kindern führen. Es ist die erste Studie, die eine direkte Verbindung zwischen Luftverschmutzung und psychischer Gesundheit erforscht hat, die Ergebnisse decken sich jedoch mit früheren Erkenntnisssen, dass das kognitive Vermögen von Menschen durch zunehmende Luftverschmutzung eingeschränkt wird und dass Kinder besonders empfindlich darauf reagieren.

Immobilienwirtschaft: Wohnungsbau in Deutschland boomt wie seit fast einem Jahrzehnt nicht mehr, bleibt aber weit hinter dem vorausgesagten Bedarf zurück. 2015 seien 247.700 Wohnungen fertiggestellt worden, 1% oder 2400 mehr als ein Jahr zuvor, teilte das Statistische Bundesamt am Montag mit. „Eine höhere Zahl an fertiggestellten Wohnungen hatte es zuletzt 2006 gegeben.“ Damals waren es 255.600. Trotz des Booms wird noch zu wenig gebaut. Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) und die Immobilienwirtschaft gehen davon aus, dass bis 2020 jedes Jahr 350.000 bis 400.000 neue Wohnungen erforderlich sind, um den auch durch den Flüchtlingszuzug erhöhten Bedarf zu decken. Zur Förderung des Mietwohnungsbau plant die Bundesregierung Vergünstigungen bei der Steuer in Milliardenhöhe, die im Bundestag aber auf Eis liegen. Das nicht bedarfsdeckende Angebot stellt insbesondere für Menschen mit niedrigem Einkommen ein Problem dar, denn günstiger Wohnraum bleibt dadurch weiterhin rar. Von der Regierung wird trotzdem kein sozialer Wohnungsbau vorangetrieben. (Reuters)

Windhose erfasst Kind samt Trampolin. Eine Windhose hat am Samstagabend ein Trampolin in Banzkow (Mecklenburg-Vorpommern) aus der Verankerung gerissen und dadurch ein fünfjähriges Mädchen auf ein Hausdach befördert. Das Mädchen habe Prellungen und Abschürfungen erlitten, sagte die Mutter dem Radiosender NDR 1 Radio MV. Nach NDR-Informationen hatte das Mädchen zusammen mit zwei anderen Kindern auf dem Trampolin im Garten gespielt. Als eine Windhose das Trampolin erfasste und aus der Verankerung riss, habe die Großmutter des Mädchens zwei der drei Kinder noch herunterziehen können. Die Fünfjährige sei jedoch mit dem Trampolin in die Luft und dann gegen das Hausdach geschleudert worden. Dort habe sie sich in fünf Metern Höhe festhalten können, während das Trampolin zu Boden stürzte. Ihr Großvater habe sie mit Hilfe einer Leiter gerettet. Neben dem Trampolin hatte die Windhose auch ein Planschbecken erfasst, das Feuerwehrleute in 800 Metern Entfernung fanden. (dpa)
Atomare Bewaffnung: Investitionen der Atomwaffenmächte in nukleare Arsenale wachsen. „Die ambitiösen Modernisierungspläne der Obama-Administration stehen wirklich in einem scharfen Kontrast zu den persönlichen Versprechen des Präsidenten, was eine Reduzierung der Nuklearwaffen und deren Rolle in der künftigen Sicherheitsstrategie der USA angeht“, sagt Hans Kristensen vom renommierten Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri. Trotz einer numerischen Abnahme der Atomwaffenzahl von 70.000 in den 80ern über fast 23.000 Atomsprengköpfe im Jahr 2010 und 15.850 im Vorjahr auf 15.395 im Januar, bliebe die Aussicht auf eine Welt frei von Atomwaffen „düster“, auch weil sämtliche Atommächte ihre militärischen Atomprogramme derzeit „modernisieren“. Das umfassendste Programm hätten die USA, die bis 2024 348 Milliarden Dollar in Erhalt und Modernisierung ihrer Atomwaffen stecken wollten, entgegen der Bestrebungen des amerikanischen Präsidenten und Friedensnobelpreisträgers Barack Obama, der schon kurz nach seinem Amtsantritt öffentlich von einer Welt ohne Atomwaffen träumte. So kann einen die Realpolitik einholen.

Cem Özdemir: Kein EU-Beitritt der Türkei unter Erdogan. Für den Grünen-Vorsitzenden Cem Özdemir steht fest: So lange, wie Recep Tayyip Erdogan Präsident der Türkei ist, wird das Land kein Mitglied der Europäischen Union. Mit dem derzeitigen politischen Kurs nähere sich die Türkei der Europäischen Union nicht an, so Özdemir am Montag im ZDF-Morgenmagazin. „Sie macht genau das Gegenteil. Die Türkei entfernt sich jeden Tag von der Europäischen Union. “ Unehrlich sei auch die Debatte in Deutschland. „Ehrlichkeit würde bedeuten zu sagen: Mit Erdogan, mit diesem Kurs, den die Türkei gegenwärtig fährt, gibt es keine Mitgliedschaft.“ Özdemir kritisierte auch das Flüchtlingsabkommen zwischen der EU und der Türkei. Es sei „falsch, Erdogan zu hofieren, weil es kurzfristigen Interessen dient“. In der Türkeipolitik habe die Union ihren außenpolitischen Kompass verloren. „Die Union hat stets nur einen taktischen Blick auf die Türkei, aber keinen strategischen“, sagte der Grünen-Chef. Wir fühlen uns gezwungen Herrn Özdemir an dieser Stelle zu korrigieren, denn wir gehen nicht davon aus, dass die Union je so eine Art „außenpolitischen Kompass“ hatte, vertritt sie doch größtenteils eine Politik der großkapitalistischen Chancenungleicheit, auch außenpolitisch.