Lügen, Depressionen, Wirkungslosigkeit – Die grausame Wahrheit über die Schwulenheilung.

Im vergangenen Dezember hat Malta sogenannte Konversionstherapien, also Behandlungsverfahren, die das Ziel verfolgen, die sexuelle Orientierung oder Identität von der Homosexualität zur Heterosexualität zu verändern, verboten. Aus dem Milieu der „Gender-Kritiker“ und der sogenannten „Ex-Gay-Bewegung“ gibt es an dieser Entscheidung massive Kritik bis hin zum Vorwurf des Totalitarismus gegenüber der maltesischen Regierung. Homosexuelle, so argumentieren die Anhänger der „Ex-Gay-Bewegung“, müssen frei darüber entscheiden dürfen, ob sie ihre Homosexualität annehmen, oder ob sie diese therapieren lassen. Indem man Verbote der umstrittenen Konversions- oder Reparativtherapie unterstütze, zwinge man anderen die eigene Meinung und den eigenen Lebensstil auf. (Auf die letzten beiden Sätze wird diese Arbeit noch zurück kommen.)

Nachdem Malta die kontroversen Behandlungen schon Ende vergangenen Jahres verboten hat, berät seit Jahresbeginn auch das taiwanesische Parlament über einen Gesetzesentwurf des Gesundheitsministers, der Versuche von „Schwulenheilung“ unter Strafe stellen soll. In Deutschland allerdings bleibt Konversionstherapie zunächst legal und in den USA wurde mit Mike Pence gerade ein Politiker zum Vizepräsidenten erhoben, der doch tatsächlich mehr staatliche Mittel in die Konversionstherapie investieren will. Verbote der umstrittenen Praxis bleiben global die Ausnahme.


Vorbemerkung: Die vorliegende Arbeit soll unter kurzer Bezugnahme auf aktuelle Ereignisse die wissenschaftlichen Grundlagen zur Konversionstherapie in aller Kürze zusammenfassen. Weiterführende Quellen sind am Ende des Artikels zu finden.


Verbot in Malta und Situation in Deutschland.

Die Entscheidung, Konversionstherapien zu verbieten, fiel im Parlament der Mittelmeerinsel einstimmig. Schon vor der eigentlichen Abstimmung hatten sämtliche Parlamentsmitglieder ihre Unterstützung für das Gesetz zugesichert. Seit dem Jahreswechsel drohen dort nun jedem eine Geldstrafe von 1000 bis 5000 Euro sowie fünf Monate Gefängnis, der versucht, die sexuelle Identität einer Person auf therapeutische Weise zu verändern. Für ausgebildete Ärzte und Therapeuten sind die Strafen noch deutlich härter: Ihnen drohen 2000 bis 10000 Euro Geldstrafe sowie bis zu ein Jahr Haft. Ausdrücklich ausgenommen sind in dem Gesetz allerdings PsychotherapeutInnen, die „unvoreingenommen“ Menschen beim Umgang mit ihrer sexuellen Identität unterstützen.

Malta gilt gemeinhin als das LGBTI-freundlichste Land Europas, nirgendwo sonst genießen Lesben, Schwule, Trans- und Intersexuelle so viele Rechte wie in dem kleinen Inselstaat.

In Deutschland sähe das wohl anders aus, eine Einstimmigkeit für ein Verbot käme zumindest nicht zustande – wenn eine entsprechende Vorlage es denn je in die Parlamente schaffen sollte -, denn obwohl Menschenrechtsverbände und progressive Kräfte seit langem politisches Handeln in der Thematik fordern, hat die „Ex-Gay-Bewegung“ sowohl bei der Union als auch bei der AfD einflussreiche Unterstützer. Zu den wichtigsten Advokaten der Umpolungsbehandlungen gehören in Deutschland das fundamentalistische „Deutsche Institut für Jugend und Gesellschaft“ (DIJG), das Teil der evangelischen Amtskirche ist, sowie der evangelikal-konservative Verein „Wüstenstrom“ mit Sitz im baden-württembergischen Tamm, der bereits wegen emotional schädigender Therapieansätze bis hin zum psychischen Zwang in die öffentliche Kritik geraten ist. Wobei „Wüstenstrom“ mittlerweile wohl in der „Bewegung“ kaum noch Relevanz hat, der Organisator,  Markus Hoffmann, tritt stattdessen jüngst häufiger mit der „Bruderschaft des Weges“ auf, einer kleinen Gruppe von Personen – offenbar aus dem „Wüstenstrom“-Umfeld, die angeben, ihre Homosexualität nicht auszuleben. Auch „Wüstenstrom“ hat Verbindungen zur evangelischen Amtskirche in Deutschland (EKD).

Zusätzlich erschwert wird in Deutschland eine Anti-Konversionsgesetzgebung, weil es im Grundgesetz – im Gegensatz zur maltesischen Verfassung – keinen expliziten Schutz der sexuellen Orientierung und Identität gibt. LGBTI-Organisationen streiten hierfür zwar seit Jahren, bisher scheiterte jedoch jeder Versuch, die nötige Änderung des dritten Verfassungsartikels in die Wege zu leiten – insbesondere an den Unionsparteien. Das DIJG spricht sich auf seiner Homepage klar gegen einen verfassungsmäßigen Schutz vor Diskriminierung wegen der sexuellen Identität aus. Solche Position – hinterlegt mit religiös-pseudowissenschaftlicher – Scheinevidenz verbreitet das Institut über ein Netzwerk christlich-fundamentalistischer Vereine und Organisationen, die auch politische Lobbyarbeit leisten und beispielsweise Mitorganisatoren der „genderkritischen“ „Demo für alle“ sind, auf der sich auch AfD-Politiker immer wieder gerne sehen lassen. Dabei setzt übrigens das DIJG auch entgegen aller wissenschaftlichen Forschung auch Pädophilie und Homosexualität gleich. Eines der Hauptargumente gegen den Schutz der sexuellen Identität wird damit der Schutz von Kindern vor sexuellen Übergriffen. Tatsächlich ist die Argumentation des Instituts hierzu ziemlich bemerkenswert – um nicht zu sagen unverschämt.

Wissenschaftliche Betrachtung der Wirksamkeit von Konversionstherapie.

Trotz aller religiös-fundamentalistischen Motivation der „Ex-Gay-Initiativen“ – und hinter solchen Initiativen stecken ausnahmslos religiöse Motive – behaupten das DIJG, „Wüstenstrom“ und andere immer wieder, sich auf wissenschaftliche Studien zur Wirksamkeit der sogenannten Konversions- oder Reparativtherapien berufen zu können. Es gilt daher zunächst, diese Studien einmal auszuwerten, um die Evidenz zu beurteilen, auf die sich die selbsternannten Schwulenheiler stützen.

Hierzu stellte Dr. Reinhold Weicker von der „ökumenischen Initiative Homosexualität und Kirche“ (HuK) in einer Arbeit für den Evangelischen Kirchentag Dresden am 03.06.2011 zunächst fest, dass die angebliche Evidenz einerseits in aller Regel sehr allgemein und ungenau zitiert wird, die Initiativen blieben demnach bewusst undeutlich. Andererseits gebe es aber auch Fälle, in denen die Studienergebnisse, auf die sich die „Ex-Gay-Bewegung“ stützt, schlicht falsch oder irreführend wiedergegeben wurden.

So erklärte die Kinderärztin und Leiterin des DIJG, Dr. Christl Ruth Vonholt bei einem Vortrag in Wien im Februar 2008 fälschlicherweise: „Eine größere Zahl wissenschaftlicher Studien belegt, dass eine Abnahme homosexueller Empfindungen und die Entwicklung einer reifen Heterosexualität möglich sind. So führte Robert Spitzer, Columbia Universität New York (2003) eine detaillierte Untersuchung durch. Über 60 Prozent der Männer und über 40 Prozent der Frauen hatten nach entsprechender Therapie dauerhaft zu einem ‚guten heterosexuellen Leben‘ gefunden.” Aus Spitzers Studie lassen sich die angegebenen Zahlen jedoch nicht entnehmen, sie sind schlicht erfunden, zumal ohnehin fraglich ist, ob sich Spitzers Untersuchung überhaupt für Aussagen über die „Heilbarkeit“ von Homosexualität eignet.

Ähnlich wie Dr. Vonholt äußerte sich auch der Geschäftsführer des „Werks für Sexualethik – weißes Kreuz”, einer dritten bedeutenden Institution in der deutschen „Ex-Gay-Bewegung“, der Pfarrer Rolf Trauernicht in einem Text auf der Website seiner Organisation: „Wenn man die Ergebnisse verschiedener Studien zusammenfasst, kann man davon ausgehen, dass ca. 40% der Homosexuellen die Kraft haben, an sich zu arbeiten und Veränderung in Richtung Heterosexualität zu erfahren. Ca. 30% leiden weiter an ihrer Neigung, ohne den sexuellen Kontakt zu leben und ca. 30% bleiben ihrer homosexuellen Neigung und Praxis treu.” Auch bei Trauernicht bleibt völlig unklar, woher seine Prozentangaben stammen – von einer veröffentlichten Studie sind sie nicht gedeckt.

Hinzu komme, so Weicker, dass in den Aussagen über die „Heilungschancen“ regelmäßig wertende Begriffe aus dem religiösen statt aus dem wissenschaftlichen Kontext verwendet werden. So beantwortete „Exodus International“, der amerikanische Dachverband der „Änderungsbefürworter“, die Frage „Was ist die Erfolgsquote, wenn es um die Änderung von homosexuell nach heterosexuell geht?“ auf seiner Website folgendermaßen: „Lass uns die Frage umformulieren. Gibt es begründete Hoffnung dafür, dass Männer und Frauen, die Anziehung zum gleichen Geschlecht erleben, diese Versuchungen überwinden und ein Leben in sexueller Integrität führen können?” Die benutzten Worte seien hier bewusst nicht neutral gewählt, so Weicker.

Neben den inkonsistenten Aussagen über die tatsächliche „Heilbarkeit“ beobachtet Dr. Weicker, dass bei allen mehr oder weniger ernstzunehmenden „Ex-Gay-Initiativen“ aus der Position, Homosexualität sei nicht – wie von der angeblichen Propaganda der „Schwulen-Lobby“ behauptet – genetisch oder biologisch bedingt, der unberechtigte Umkehrschluss gezogen werde, dass sie dann nur psychisch bedingt sein könne, also prinzipiell änderbar sei. Öffentlich werde dabei zumeist von“Änderung“ gesprochen, von „Heilung“ und dem „homosexuellen Problem” nur gegenüber Gleichgesinnten.

Zur tatsächlichen wissenschaftlichen Überprüfung von Behauptungen über Erfolge und Misserfolge von deutschen Schwulenheilern schreibt Dr. Weicker: „Aus dem deutschsprachigen Raum gibt es Einzelberichte (‚Ich kenne da jemanden‘, ‚viele‘), mir sind aber keine systematischen Studien von neutraler Seite bekannt.“ Ihm selbst sei jedoch niemand namentlich bekannt, der sich als „erfolgreich geheilter Homosexueller“ identifiziert, der nicht „in der Beratung mit dem Ziel einer Umorientierung tätig“ sei.

Das selbe gelte allerdings auch in Bezug auf die Schädlichkeit der Therapieversuche: Da sich Personen, die sich an die Presse wenden in der Regel ihre Anonymität bewahren wollen, sei es schwierig, deren Einlassungen nachzuprüfen – wenngleich durchaus verständlich sei, dass diese Personen unerkannt bleiben wollen.

Belastbare Empirie gebe es demnach aus Deutschland weder zur Wirksamkeit, noch zur Schädlichkeit von Konversionstherapie. Aus den USA dagegen stammen inklusive der bereits genannten Spitzer-Studie insgesamt drei empirische Untersuchungen, die (mehr oder weniger) quantifizierbare Ergebnisse erzielten:

  • Robert Spitzer: „200 Interviewteilnehmer, die sagen, dass sie ihre homosexuelle Orientierung zugunsten einer heterosexuellen Orientierung verändert haben.” (Vortrag, APA 2001, später Zeitschriften-Veröffentlichung).
  • Ariel Shidlo / Michael Schroeder: Änderung der sexuellen Orientierung: Ein „Verbraucher-Bericht” (Vortrag, APA 2001, später Zeitschriften-Veröffentlichung). Englisch.
  • Stanton Jones / Mark Yarhouse: „Ex-gays? A Longitudinal Study of Religiously Mediated Change in Sexual Orientation”. Buch (414 S., 2007), nur englisch verfügbar.

Auf alle drei Untersuchungen geht Weicker in seinem Referat im Detail ein, im Folgenden seien seine Ergebnisse kurz zusammen gefasst:

Die Spitzer-Studie, die bei Verfechtern der „Änderbarkeit” besonders beliebt ist, weil er bei der Entscheidung der American Psychological Association (APA), Homosexualität 1973 aus der Liste der psychischen Krankheiten zu streichen, eine wesentliche Rolle gespielt hatte, ist nicht geeignet, überhaupt eine Aussage über die Erfolgsquoten von Konversionstherapien zu treffen, weil nur solche Personen telefonisch befragt wurden, die sich selbst als „Erfolgsfall“ identifizierten. Einen Versuch, Menschen zu finden, die mit einer Therapie begonnen haben, diese aber abbrachen, gab es nicht. Zu bedenken gibt Weicker beider Untersuchung außerdem, dass 78 Prozent der Probanden sich vorher schon „in der Öffentlichkeit für das Recht auf Veränderung eingesetzt” hatten. Verbunden mit der späteren Einlassung Spitzers, wie schwer es gewesen sei, 200 passende Teilnehmer zu finden, deutet sich eine Beeinflussung der Untersuchung durch „Ex-Gay-Aktivisten“ an.

Seltener zitiert wird die Studie der beiden homosexuellen Psychiater Ariel Shidlo und Michael Schroeder, die ihre Ergebnisse auf dem selben Kongress 2001 vorstellten wie Spitzer. Sie hatten auch beinahe die selbe Anzahl an Studienteilnehmern (202, von ursprünglich 216) wie Spitzer. In der Untersuchung wurden die Probanden zu ihren Erfahrungen mit Konversionstherapien befragt, wobei die Autoren zwischen „klinischen” (durch therapeutische Fachleute durchgeführten), und „nicht-klinischen” (meist durch religiös motivierte Gruppen durchgeführten) Therapieansätzen unterschieden.

87 % der Befragten bezeichnen sich in der Shildo/Schroeder-Studie als „Fehlschlag”, nur 13 % als „Erfolg”, wobei nur ein Teil der „Erfolge“ angaben, zur Heterosexualität gefunden zu haben, die Übrigen gaben an, sich mit einem selbst auferlegten Zölibat zufrieden gegeben zu haben. Zu bedenken geben die Autoren allerdings, dass unter den acht Personen (oder vier Prozent) in der Gruppe, die von einer „Verschiebung zum Heterosexuellen hin” berichteten, sieben in der „Ex-Gay-Beratung“ tätig waren, vier davon hauptamtlich. Auch hier scheint eine Beeinflussung der Studie alles andere als ausgeschlossen.

Die dritte Studie, die gerne als wissenschaftliche Evidenz für die Möglichkeit, die sexuelle Identität zu verändern, herangezogen wird, ist die vom amerikanischen Dachverband der Schwulenheiler, „Exodus“, finanzierte Langzeit-Untersuchung von Stanton Jones und Mark Yarhouse, die im Buch „Ex-Gays?“ erschien. Jones und Yarhouse begleiteten im Gegensatz zu den bisher erwähnten Wissenschaftlern die Probanden ihrer Untersuchung direkt von Anfang an, während deren Behandlung – auf diese Weise mussten die Probanden sich nicht längere Zeit zurück erinnern. Das Buch ist durchaus an wissenschaftlichen Standards orientiert, so verschwiegen die Autoren auch nicht, dass sich zur Zeit der Untersuchung außerhalb der Studiengruppe zwei Personen infolge von Konversionstherapie das Leben nahmen. Das Forschungsprojekt hatte allerdings einen Haken: Alle 98 Probanden wurden von „Exodus“ selbst ausgewählt und den Forschern vermittelt – was der Organisation ungeheuerlichen Spielraum für Beeinflussung ermöglichte. 

Die Autoren nennen am Ende eine Erfolgsquote von unglaublichen 38 Prozent beziehungsweise von 26 Prozent, sofern Therapieabbrüche, die häufig waren (33 Prozent), als Misserfolge gewertet werden – und nicht aus der Statistik herausgerechnet werden. Diese 26 Prozent teilen sich allerdings wiederum auf in 15 Prozent, die sich letztlich vorgenommen haben, gar keine Sexualität auszuleben, während nur 10 Prozent der Probanden am Ende angaben, eine Wandlung zur Heterosexualität erfahren zu haben. Wobei mindestens einer davon seine Angabe mittlerweile – noch vor Erscheinen des Buches – revidierte und klarstellte, er akzeptiere nun seine homosexuelle Identität. So bleiben von 98 Personen am Ende neun Personen, die – nach eigenen Angaben – durch die Behandlung heterosexuell wurden, ob sie sich heute noch so einstufen würden ist unbekannt. Und selbst bei diesen neun „Erfolgsgeschichten“ gibt es noch offene Fragen.

Nach Analyse der drei zentralen Studien und deren Abgleich mit den Behauptungen der Schwulenheiler-Organisationen kommt Weicker zu dem Schluss, dass am Anfang immer die Überzeugung „Homosexualität ist etwas Schlechtes, ist abzulehnen” steht. Um diese Überzeugung herum werde dann eine Pseudowissenschaft mit der Prämisse „sexuelle Identität ist veränderbar“ gesponnen, deren Ergebnisse entsprechend des eigenen Weltbildes interpretiert werden können. Weicker zitiert in diesem Zusammenhang auch die Ärztin Dr. Valeria Hick, die dazu 2007 schrieb: „Die Prämisse, Homosexualität müsse von der Bibel her falsch sein, ist so stark, dass mit aller Macht der wissenschaftliche Nachweis gesucht wird. Allzu oft wird dabei bestenfalls selektiv wahrgenommen und schlimmstenfalls auch kurzerhand ein wissenschaftliches Ergebnis völlig verbogen.”

Abschließend stellt Weicker fest: „Ich will nicht behaupten, dass es nirgendwo eine ‚erfolgreiche‘ Veränderung geben kann. Es kann ja irgendwo auf der Welt einen weißen Elefanten geben; nur mir ist noch keiner begegnet.“

Dass Homosexualität also veränderbar zur Heterosexualität ist, dürfte zumindest als sehr unwahrscheinlich, wenn nicht sogar als ausgeschlossen gelten, wenn man zusätzlich die offensichtliche Einflussnahme der „Ex-Gay-Bewegung“ auf die einzigen drei empirischen Studien mit wissenschaftlichem Anspruch bedenkt. Andererseits lassen sich vielleicht einige „Erfolge“ der Konversionstherapie auch damit erklären, dass Sexualität nicht absolut bipolar ist: Zwischen Homosexualität und Heterosexualität liegt ein breites Spektrum sexueller Identitäten (aber das wollen die „Gender-Kritiker“ ja erst recht nicht wahrhaben).

Nicht nur nutzlos, sondern auch gefährlich?

Dass es „sehr unwahrscheinlich“ sei, dass „Individuen [durch Konversionstherapie] fähig sind, gleichgeschlechtliche Anziehung zu verringern oder heterosexuelle Anziehung zu verstärken, geht auch aus einem Papier einer Forschungsgruppe der American Psychological Association von 2007 hervor, zusätzlich stellte die Forschungsgruppe damals fest, man könne keine definitive Aussage darüber treffen, inwieweit Konversionsbehandlungen sogar schädlich sein könnten.

Allerdings gibt es sehr klare Evidenz, die zeigt, dass gesellschaftliche Vorurteile signifikante medizinische und psychologische Probleme bei LGBTI-Personen auslösen. So belegte beispielsweise ein Forschungsprojekt zur familiären Akzeptanz von LGBTI-Jugendlichen, das an der San Francisco State University durchgeführt wurde, dass Jugendliche, die wegen ihrer sexuellen Identität oder Orientierung von ihren Eltern stark zurückgewiesen wurden, verglichen mit LGBTI-Jugendlichen, die deshalb keine oder nur geringe Zurückweisung erfuhren, mit achtfacher Wahrscheinlichkeit suizidgefährdet waren, mit sechsfacher Wahrscheinlichkeit starke Depressionen entwickelten, mit dreifacher Wahrscheinlichkeit unter sexuell übertragbaren Krankheiten litten und mit dreifacher Wahrscheinlichkeit illegale Drogen konsumierten.

Diese Zahlen zeigen: Sozialer Druck auf LGBTI-Menschen kann gravierende Auswirkungen haben und so ist es nur logisch, anzunehmen, dass Konversionstherapie ähnliche Auswirkungen hat, wenn sie unter der Prämisse „Homosexualität ist Sünde/unnatürlich/falsch“ durchgeführt wird – und das wird sie in aller Regel. Insbesondere wenn „Patienten“ feststellen, dass keine Ergebnisse durch die Behandlungen erzielt werden, kann dies zu weiterem Stress, Depressionen und der Isolation von Betroffenen führen.

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Menschenrechtsverbände versuchen auch in Deutschland ein Verbot der Konversionstherapie zu erwirken. Gerade bei jungen Menschen findet diese häufig vor dem Hintergrund starken sozialen Drucks statt.

In Deutschland spricht sich die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), die größte Fachgesellschaft für Psychiater und Psychotherapeuten klar gegen Versuche aus, Homosexualität zu behandeln: „[LGBTI-Personen] entwickeln häufiger affektive Störungen, Angststörungen und Substanzmissbrauch und zudem besteht eine dreifach erhöhte Suizidrate bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit homo- oder bisexueller Orientierung. Die höhere Prävalenz psychischer Störungen bei Menschen mit homo- oder bisexueller Orientierung ist durch direkt oder indirekt erfahrene Diskriminierung bzw. durch eine andere psychische Entwicklung (wie z.B. internalisierte Homophobie, Selbstentwertung oder starke Schuld- und Schamgefühle) bedingt.“

Bedenkt man zusätzlich, dass Konversionstherapien wohl meistens aufgrund von familiärem, religiösem oder gesellschaftlichen Druck – bei Jugendlichen bis hin zum elterlichen Zwang – begonnen werden, dann fällt es nicht schwer, zu erahnen, welches psychisches Leid Menschen erdulden müssen, die an solchen Behandlungen teilnehmen. (Womit sich der Kreis zur Behauptung, ein Verbot von Konversionstherapie richte sich gegen den freien Willen, schließt: Ein Verbot solcher Behandlungen ist nicht totalitär, sondern dient dem Schutz der LGBTI-Community vor religiösem und weltanschaulichem Totalitarismus!)

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Jugendliche, die in ihrem Umfeld wegen ihrer sexuellen Identität starke Zurückweisung erfahren, sind deutlich öfter depressiv als LGBTI-Jugendliche, die Akzeptanz erfahren.

Für die Erforschung der Schädlichkeit von Konversionsbehandlungen stellt es allerdings ein Problem dar, dass Betroffene sich seltenst zu erkennen geben. Weiterhin gibt es Vermutungen, dass das Problem der Konversionsversuche weit über das fundamentalistisch-christliche Niveau hinausgehe, so erklärte die Psychologin Gisela Wolf im „Stern“ im April 2015, man wisse aus britischen Erhebungen, dass selbst Hausärzte – vor allem männliche, ältere Hausärzte – regelmäßig aufgrund ihrer eigenen Vorurteile versuchten, ihren Patienten deren Homosexualität „auszureden“.

Wie soll Konversionstherapie eigentlich funktionieren?

Wie schon erwähnt, ist allen Therapieansätzen gemein, dass sie aufgrund eines klassisch fehlerhaften Umkehrschlusses von einer rein psychologischen Ursache der Homosexualität ausgehen, ansonsten gibt es allerdings erhebliche Unterschiede.

Nicht religiöse, psychotherapeutisch-orientierte Ansätze, sind oft orientiert an psychoanalytischen Ansätzen, so wird die Homosexualität beim Mann beispielsweise durch einen zumindest emotional abwesenden Vater und eine über-aktive Mutter erklärt.

Findet die „Therapie“ auf „christlich-seelsorgerlicher” (ergo fundamentalistischer) Basis statt, gehen die Ansätze von der „Gesundung“ durch Gebet und Lobpreisung Gottes über den Exorzismus mit psychoanalytischem Einschlag bis hin zur „Aversionstherapie“ bei der das Zeigen von homosexuell erotischen Bildern mit negativen Impulsen verbunden wurde – letzteres ist glücklicherweise zumindest in der westlichen Welt quasi ausgestorben. Es gibt allerdings auch „kreativere“ Überlegungen, wie die im evangelikalen Milieu der USA populären Wochenendkurse „Journey into Manhood” von „People Can Change”, bei denen Personen in typische Geschlechterrollen konditioniert werden sollen, um ihre Homosexualität zu überwinden.


Anmerkung der Redaktion: Im Folgenden sind weiterführende Artikel, interessantes und Informationsquellen zur Konversionstherapie angegeben. Es ist uns ein besonderes Anliegen, dass Personen, die sich in ihrer sexuellen Identität unsicher sind, die unter Druck geraten an einer solchen Therapie teilzunehmen, oder die sexuell unsichere Personen in ihrem Umfeld haben, sich intensiv mit den Gefahren und Problemen der Konversionstherapie – die wir für zutiefst unwissenschaftlich halten -, auseinandersetzen.

Wir erklären uns solidarisch mit allen politischen Kräften, die solch pseudowissenschaftliche Therapieansätze verbieten wollen. 

Die Arbeit von Dr. Reinhold Weicker sei an dieser Stelle übrigens durchaus empfohlen, aus Sicht eines homosexuellen Christen und Wissenschaftlers ergründet der Mathematiker nüchtern und objektiv die vorhandene Evidenz zur „Konversionstherapie“.

Zu Mike Pence: Tagesspiegel – Der radikale Vizepräsident.
Zum Verbot in Malta: Männer.de – Malta verbietet Konversionstherapien.
Zum Verbot in Taiwan: Queer.de – Taiwan will „Homo-Heilung“ verbieten.
Zur Haltung der AfD: Übermedien – Der Kampf der AfD gegen das Kindeswohl.

Zur Haltung des DIJG: DIJG – Keine „sexuelle Identität“ im Grundgesetz.
Zum Verein „Wüstenstrom“: Mission-Aufklärung – „Wüstenstrom“.
Zu Wüstenstrom: Stuttgarter Nachrichten – Aussteiger warnt vor Wüstenstrom.
Zur Wirksamkeit von Konversionstherapie: HuK –Homosexualität lässt sich doch verändern” – Wirklich?
Zur Schädlichkeit von Konversionstherapie und zur Lage in den USA: HRC – Gay-conversion-therapy.

Beispiel für Konversionstherapie: FAZ – Hetero in drei Tagen.
Stellungnahme der DGPPN (PDF): DGPPN – Konversionstherapie.
Stern-Interview mit Gisela Wolf: Stern – Umerziehung mit grausamen Folgen.
Video zu „Journey into Manhood“: VICE – Homosexuelle heilen.

Eine späte Entschuldigung für ein fast vergessenes Verbrechen gegen Schwule und Lesben.

Washington D.C. (USA). Der kalte Krieg war in vielerlei Hinsicht ein Krieg der Ideologien: Im Westen stand staatlich geförderter Kapitalismus, im Osten stand planwirtschaftlicher Pseudokommunismus. Auf beiden Seiten gab es aber auch unsägliche Menschenrechtsbrüche, die zunächst nicht mit wirtschaftspolitischer Ideologie verbunden zu sein scheinen. Für einen dieser Rechtsbrüche, einen beinahe vergessenen, die sogenannte „Lavender Scare“ (etwa: lila Panik), also die massenhafte – unbegründete – Entlassung von Homosexuellen aus dem öffentlichen Dienst im Rahmen der antikommunistischen Hexenjagden des „McCarthyismus“ hat sich nun US-Außenminister John Kerry entschuldigt.

Kerry erkannte dabei im Besonderen die Schuld seines Ministeriums bei der Diskriminierung von Schwulen und Lesben an: „In der Vergangenheit – seit den 1940er Jahren, aber auch in den Jahrzehnten darüber hinaus – war das US-Außenministerium unter den vielen öffentlichen und privaten Arbeitgebern, die gegen Angestellte und Bewerber auf der Grundlage ihrer wahrgenommenen sexuellen Orientierung diskriminierten, indem es einige Angestellte zur Kündigung zwang und sich von vornherein weigerte, bestimmte Bewerber einzustellen,“ so der Außenminister. „Diese Aktionen waren damals genauso falsch, wie sie heute falsch wären.“

„Im Namen des Ministeriums,“ So Kerry weiter, „entschuldige ich mich bei jenen, die von solchen Praktiken der Vergangenheit betroffen waren und beteuere das unerschütterliche Engagement des Ministeriums in Sachen Diversität und Inklusion all unserer Mitarbeiter, einschließlich der Mitglieder der LGBTI-Community.“

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Senator John McCarthy, federführend verantwortlich für die Hexenjagden gegen Kommunisten – und auch gegen Homosexuelle. (Foto von 1950)

Bedenkt man, dass die meisten der Betroffenen aus der McCarthy-Ära, in der die „Lavender Scare“ nur eine von mehreren Hexenjagden gegen angebliche Sowjet-Sympathisanten war, bereits verstorben sind, fragt man sich doch unweigerlich, warum es zu solchen Entschuldigungen immer erst so spät kommt.

Auslöser der Entschuldigung war wohl ein Schreiben des Senators Ben Cardin, des führenden Demokraten im außenpolitischen Ausschuss des US-Senats, aus Maryland, das den Minister im vergangenen November erreichte. Cardin bezeichnete die McCarthy-Ära und die „Lavender Scare“ in diesem Schriftstück als „dunklen Fleck auf unserer Nationalgeschichte und auf der Geschichte des Außenministeriums“. Der Senator will auch an einer Vorlage mitwirken, um eine offizielle Entschuldigung von Seiten des Kongresses zu bewirken.

US-Republikaner fordern Gesetz zum „Zwangsouting“ von LGBT-Schülern.

Richmond, Virginia (USA). Es sind orwellsche Zeiten! Unter dem – nicht unabsichtlich – irreführenden Titel “The Physical Privacy Act” brachte im Parlament des US-Bundesstaates Virginia ein republikanischer Abgeordneter jüngst einen Gesetzesvorschlag ein, der Lehrer dazu zwingen würde, die sexuelle Orientierung von LGBT-Schülern gegenüber deren Eltern zu „outen“.

Laut der amerikanischen Tageszeitung „The Washington Blade“ ähnelt das vom republikanischen Delegierten Bob Marshall vorgeschlagene Gesetz sehr dem unsäglichen „H.B. 2“-Gesetz aus North Carolina, welches auch als „Badezimmer-Gesetz“ bezeichnet wurde und welches im vergangenen Jahr international für Furore sorgte. In diesem Gesetz wurde es Transgender-Personen verboten, in öffentlichen Gebäuden die Toilette für das Geschlecht, mit dem sie sich identifizieren, aufzusuchen. Mehrere solcher Gesetze und Entwürfe hatten international für solches Aufsehen gesorgt, dass einige europäische Länder – unter anderem die Bundesrepublik – im vergangenen Jahr Reisewarnungen für den Süden der USA herausgaben.

In Marshall’s Gesetzentwurf „H.B 1612“ ist jedoch eine Besonderheit zu finden, die an politischer Kurzsichtigkeit und Ignoranz kaum zu überbieten ist: Gemäß einer „elterlichen Benachrichtigungsklausel“ in der Vorlage würden künftig in Virginia – sofern das Gesetz ratifiziert wird – Lehrer und Erzieher dazu verpflichtet, den Eltern von Kindern und Jugendlichen mitzuteilen, dass ihr Kind lesbisch, schwul, transgender, bisexuell oder unentschlossen sein könnte. Damit würde das Gesetz nicht nur das Vertrauensverhältnis zwischen Schülern und Lehrern nachhaltig und tiefgreifend beeinflussen, sondern es LGBT-Jugendlichen auch noch schwerer machen, sich den Rat von Erwachsenen zu holen. Pädagogisch sei deshalb diese Klausel eine Katastrophe, so Cathryn Oakley von der „Human Rights Campaign“.

Jugendliche mit alternativer Sexueller Orientierung oder Identifikation leiden gerade in konservativen Familienumfeldern häufig unter psychischem Druck und Unsicherheit, wenn sie ihre sexuelle Identität entdecken. Die Aufgabe von Lehrern und Erziehern muss es gerade in solchen Lebensumständen sein, Jugendlichen bei Bedarf beratend zur Seite zu stehen und ihnen – neutral und ohne zu urteilen – die Möglichkeit und Zeit zu geben, sich über das eigene Selbst klar zu werden, statt die psychologische Belastung mit einem erzwungenen Coming-Out zu erhöhen!

Die Gesetzesvorlage „H.B. 1612“ ist dementsprechend gleich auf mehreren Ebenen ein Skandal und wäre in der Lage echten, lang anhaltenden Schaden anzurichten, wenn sie beschlossen wird. Gerade im Süden der USA, der immer noch religiös-konservativ geprägt ist, kämpfen LGBT-Jugendliche häufig mit der Akzeptanz im rückschrittlichen Umfeld. Ein Zwangsouting könnte dabei nicht nur psychologische Probleme auslösen, sondern Jugendliche auch in eine Lage bringen, in der sie von den Eltern misshandelt, aus der Wohnung geworfen, oder zur – unwissenschaftlichen und erwiesenermaßen unwirksamen aber mental schädigenden „Konversionstherapie“ gezwungen werden.

Der Vorschlag enthält des Weiteren – im Gegensatz zum Toilettengesetz in North Carolina – eine Vollstreckungsklausel für die transphobe Toilettenregelung. Laut „The Washington Blade“ regelt das eingebrachte Gesetz mit dem orwellsch-ironischen Titel „The Physical Privacy Act“ (etwa: Körperliche Privatsphäre Verordnung), dass regierungseigene Einrichtungen verpflichtet würden, Schadenersatz zu entrichten, wenn jemand „physischem oder emotionalem Stress“ ausgesetzt wäre, weil eine Person aufgrund ihrer geschlechtlichen Identifikation (und nicht aufgrund ihres angeborenen Geschlechts) eine nach Geschlechtern getrennte Toilette benutzen würde. Ana Kasparian, Moderatorin der linksliberalen Polit-Webshow „The Young Turks“ bezeichnete deshalb das Gesetz als „Toilettenregelung auf Steroiden“.

Überall in den USA versuchen Republikaner derzeit ähnliche Vorlagen in die Parlamente der Bundesstaaten einzubringen, trotz des phänomenalen Fehlschlages, den die Toilettenverordnung in North Carolina darstellte. Nachdem der Bundesstaat das diskriminierende Gesetz im Vorjahr verabschiedet hatte, hatten verschiedene Staaten mit Reisewarnungen reagiert, Sport- und Tourismusverbände hatten demonstrativ einen Bogen um den Staat gemacht, der Wirtschaft waren Milliarden verloren gegangen. Dennoch, so Menschenrechtsaktivistin Oakley, erwartet man in den USA weitere diskriminierende Gesetzesentwürfe.

Das diese Art von institutionalisierter Homophobie aber nicht nur ein Problem in den USA werden könnte, sondern auch in Deutschland, zeigt das Beispiel der Unisex-Toiletten in Berlin. Kaum waren diese beschlossen, brach von konservativer Seite der Shitstorm los – die Argumente waren dabei die gleichen wie in den Vereinigten Staaten. Spricht man über LGBT-Rechte in Deutschland, darf übrigens auch nicht vergessen werden, welche Partei stets ganz offen an der homophoben „Demo für Alle“ teilnimmt, und welche Partei ebenso offen mit selbsternannten Schwulenheilern debattiert, ohne deren generellen Standpunkt auch nur im Geringsten anzugreifen: Die AfD.


Anmerkung der Redaktion: Unsere Solidarität gehört denen, die sich in den USA und weltweit für die Grundrechte von Schwulen, Lesben, Transgender-Personen, Bisexuellen und anderen Alternativsexuellen einsetzen. Die Gefahr für ihre Rechte ist real – auch in der industrialisierten Welt, und es braucht eine starke, politische und vernetzte LGBT-Community, um dieser Gefahr entgegen zu treten! Es genügt eben nicht, einmal im Jahr auf dem CSD abzufeiern!

Gericht in Nordirland verurteilt Bäckerei wegen Verweigerung eines Kuchens für die Homo-Ehe.

Darf man jemandem eine Dienstleistung aufgrund dessen sexueller Orientierung verweigern? In Nordirland, dem einzigen Teil der Britischen Inseln, wo die Ehe für alle noch in der Zukunft liegt, jedenfalls nicht. Ein Berufungsgericht in Belfast entschied im Falle einer Bäckerei, welche sich – aus vermeintlich religiösen Gründen – geweigert hatte, einen Kuchen für eine Schwulenorganisation zu backen, diese habe den Auftraggeber aufgrund seiner sexuellen Orientierung diskriminiert. Ein Sieg für die Emanzipation Homosexueller? Hier gehen die Meinungen auseinander. Einige sehen darin auch einen Eingriff in die Handlungsfreiheit von Unternehmen, zu der es eben auch gehört, Geschäfte abzulehnen.

Konkret ging es in dem Prozess um eine Torte, die der Aktivist Gareth Lee vor rund zwei Jahren bei Ashers Baking Company in Auftrag gegeben hatte. Unter anderem sollte darauf der Slogan „unterstützt die gleichgeschlechtliche Ehe“ zu lesen sein. Dazu kam es jedoch nicht, der Bäcker lehnte stattdessen den Auftrag ab und berief sich dabei auf seine religiöse Freiheit: Das Motiv stünde demnach im Widerspruch zur Bibel. Laut nordirischer Gleichstellungskommission hätte er dies nicht tun dürfen, weshalb sie prozessierte und Recht gesprochen bekam.

Das Gericht bestätige damit die rechtliche Verpflichtung von Dienstleistern, nicht aufgrund sexueller Präferenz zu diskriminieren, so teilten Sprecher der Kommission nach der Urteilsverkündung mit.

Aus den USA sind ähnliche Fälle bekannt, in Arizona wurde zeitweise das Recht, Kunden aus religiösen Gründen eine Dienstleistung zu verwehren, ins Gesetz geschrieben. Abgesehen von allem religiösen Wahn zeigt sich jedoch, dass die Thematik kontroverser ist, als es auf den ersten Blick den Anschein hat.

Zwar werden die meisten Menschen es instinktiv ablehnen, aufgrund einer fundamentalen Auslegung einer Religion jemandem eine Dienstleistung vorzuenthalten, allerdings stellt sich zwangsläufig auch die Frage, wie weit solche staatliche Eingriffe führen können, wo doch grundsätzlich jedem gestattet sein soll, legale Geschäfte mit selbst gewählten Partnern zu machen. Dazu gehört es auch, Transaktionen ablehnen zu dürfen, wobei die Gründe dafür, dass ein Geschäft nicht zustande kommt, vielfältiger betriebswirtschaftlicher oder persönlicher Natur sein können.

Die Antwort auf die Frage, ob ein Bäcker sich weigern darf, einen Hochzeitskuchen für Schwule zu backen, muss also ein klares „Ja“ bleiben, mit der Einschränkung, dass er dies nicht tun darf, weil die Auftraggeber schwul sind. Wobei dieses Motiv in den meisten Fällen kaum nachweisbar sein wird.

Übrigens kann davon ausgegangen werden, dass sich stets ein Bäcker finden lässt, der bereit ist einen „Homoehekuchen“ zu backen, denn obgleich der Kapitalismus voller Fehler ist, findet doch jede Nachfrage immer ihr Angebot, sofern damit Geld zu verdienen ist.

Zuletzt möge diese Geschichte einmal mehr auch jene, denen AfD und Konsorten mittlerweile reichlich Angst vor dem Islam und den afrikanischen Zuwanderern eingeredet haben, daran erinnern, dass Homophobie auch eine Tradition der europäischen Christen ist. Intoleranz ist in jeder Schriftreligion zu finden.

Forderungen nach Entschädigung für verurteilte Schwule nach §175 StGB

Berlin. In einem Gesetzentwurf der Grünen im Bundestag, fordert die Fraktion eine baldige Entschädigung von Opfern, die auf Grundlage des früheren Strafrechtsparagrafen 175 wegen Homosexualität verurteilt wurden. Es demnach sei ein „monströser Schandfleck unseres Rechtsstaats“, dass Männer, die wegen einvernehmlichen Geschlechtsverkehrs unter Erwachsenen verurteilt wurden, bisher nicht entschädigt wurden, heißt es in dem Gesetzentwurf der Grünen.

Der Entwurf sei an die Fachpolitiker aller Bundestagsfraktionen verschickt worden, die mit dem Thema befasst sind. Die Zeit dränge, schrieben die Rechtspolitische Sprecherin der Grünen, Katja Keul und und ihr Kollege Volker Beck Medienberichten zufolge in einem beigefügten Schreiben. „Angesichts des Alters der Betroffenen und der inzwischen sehr langen Debatte sollten aber bis zum Ende der Sommerpause die Weichen zu einer schnellen Entscheidung des Bundestages gestellt werden.“ Der „fortbestehende Skandal“, dass in der Bundesrepublik weiterhin Männer mit dem Stigma leben müssten, wegen ihrer sexuellen Identität vorbestraft zu sein, müsse ein Ende haben.

Schon im Mai hatte Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) eine Rehabilitation und Entschädigung der nach dem Paragrafen verurteilten Männer angekündigt. Mit der Vorlage des Gesetzentwurfs wollen die Grünen das Verfahren vorantreiben. Die Partei strebt einen überparteilichen Konsens an.

Die Bundesrepublik hatte den 1935 durch die Nationalsozialisten verschärften Paragrafen 175 des Strafgesetzbuchs (StGB) wörtlich übernommen. Bis zur ersten Entschärfung 1969 wurden nach Schätzungen der Antidiskriminierungsstelle des Bundes etwa 50.000 Männer teilweise zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt, danach noch einmal rund 3500.

Während der Paragraf 175 in der DDR bereits 1968 abgeschafft wurde, waren homosexuelle Handlungen – unter Männern – in der BRD bis 1994 strafbar. Mit der Wiedervereinigung verloren also Schwule zunächst plötzlich ihr Recht einvernehmlichen Sex zu haben.

Vom Ende der Hoffnung: Die Türkei ist für die LGBT-Community kein sicheres Land.

Istanbul (Türkei) Zwischen den Meldungen aus der Türkei, die sich mit dem gescheiterten Putschversuch von Mitte Juli befassen, ging de Meldung über eine Tragödie, die emblematisch zeigt, wie viel weniger sicher das Land mittlerweile ist völlig unter: Offenbar wurde in Istanbul eine schwuler syrischer Flüchtling enthauptet.

Dies geht aus türkischen Medienberichten hervor. Die verstümmelte Leiche des homosexuellen Syrers soll demnach am 25. Juli im Bezirk Yenikapi entdeckt worden sein. Zwei Tage zuvor habe das Opfer, Muhammed Wisam S., seine Wohnung in einem muslimisch geprägten Stadtteil verlassen. Festnahmen oder behördliche Erklärungen zum Ermittlungsstand hätte es noch keine gegeben, berichten Bekannte des Getöteten, der sich offenbar sei rund einem Jahr in der Türkei aufhielt.

 Ein Mitbewohner des Syrers sagte dem türkischen LGBT-Magazin »KaosGL«, Wisam sei schon früher Opfer von  homophoben Übergriffen geworden. Eine Gruppe von Männern hätte ihn außerdem vor Monaten entführt und in einem Wald sexuell misshandelt. „Wir beschwerten uns bei der Polizei, doch nichts passierte“, erklärte der Mitbewohner. Queere Freunde von Wisam beklagten gegenüber dem Magazin weiterhin, mittlerweile sei selbst die bisher relativ progressive – und weltoffene – Metropolregion Istanbul für LGBT-Personen nicht mehr sicher: „Es ist egal, ob du Syrer oder Türke bist, wenn du hier schwul bist, wirst du angegriffen“, so eine Bekannte. „Sie wollen Sex und wenn du nicht mitmachst, wird es gefährlich.“
Zur letzten Aussage sei – für LeserInnen, denen hier ein berechtigtes Stirnrunzeln nicht ausbleibt – erklärt, dass homophobe Anschläge nicht selten sexuelle Demütigungen und Übergriffe auf das Opfers einschließen, was weniger mit der sexuellen Neigung des Täters, als mit dem Versuch das Opfer zu beschämen einhergeht. Besonders bei Gruppenvergehen kommt dieses Verhalten häufig vor.

Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) bevorzugt zwar nach eigenen Angaben LGBT-Flüchtlinge bei der Ausreise in Drittstaaten, der Bearbeitungsprozess würde aber dennoch im Durchschnitt bis zu zwei Jahre dauern. Auch die türkische „Vereinigung zur Solidarität mit Asylsuchenden und Migranten“ (ASAM) hat sich offiziell dem Schutz von sexuellen Minderheiten verschrieben, kann jedoch laut Betroffenen kaum etwas ausrichten. „ASAM und die UN machen nichts für uns“, sagte der Mitbewohner von Wisam. „Wir können uns nur selber verteidigen.“ Diese Auffassung wiederum, die bei LGBT-Menschen in der Türkei zunehmend verbreitet ist, öffnet der Selbstjustiz wiederum Tür und Tor, was die Lage nur weiter destabilisiert.

Auch sprechen Fakten gegen die Einlassung der ASAM, so wurde erst im Juni aus Griechenland ein schwuler syrischer Flüchtling in de Türkei abgeschoben. Seine Erklärung, er würde von Anhängern des Islamischen Staates bedroht, wäre nicht glaubwürdig, sagten die Richter. In Istanbul hätte er darüber hinaus für zwei Jahre ohne Probleme gelebt – eine Aussage, die an Zynismus kaum zu überbieten ist, betrachtet man die sich stetig verschlechternde Sicherheitslage in dem muslimisch geprägten Land.

Nach Auffassung der griechischen Gerichte handelt es sich bei der Türkei trotzdem um ein „sicheres Herkunftsland“ – auch für sexuelle Minderheiten. „KaosGL“ registrierte jedoch allein im vergangenen Jahr fünf Morde und 32 Anschläge, die als „Hassverbrechen“ gegen Angehörige sexueller Minderheiten gerichtet waren.

Nun steht die zunehmend schwierige Sicherheitslage zwar nicht im direkten Zusammenhang mit der vom Erdogan-Regime vorangetriebenen Autokratisierung der Türkei nach dem Putschversuch im vergangenen Monat, betrachtet man jedoch ein größeres Bild, nämlich die Islamisierung des einst säkularen Mittelmeerstaates, so ist durchaus ein Zusammenhang zwischen beidem zu erkennen. Besonders tragisch ist dabei, dass für viele LGBT-Personen die Türkei bislang als „Sprungbrett“ in de Westen fungierte, wenn sie aus islamistischen Regimen wie Saudi-Arabien, den Bereinigten Arabischen Emiraten, Qatar oder dem Iran flohen, wo Homosexualität – unter Umständen unter Androhung der Todesstrafe – verboten ist, während die türkische Gesetzgebung zwar konservativ ist, homosexuelle Handlungen unter Erwachsenen aber nicht unter Strafe stellt.

Wenn sich nun die Sicherheitslage für die LGBT-Community in der Türkei derart drastisch verschlechtert, bedeutet dies für viele Trans- und Homosexuelle in den umliegenden Diktaturen daher ein Ende der Hoffnung auf ein freies Leben.

Transgender in Uniform und die jüngste Geschichte der homosexuellen Inklusion im Militär.

Kennen Sie das? Sie lesen eine Nachricht, aber so genau wissen Sie nicht, was Sie davon halten sollen. So ging es mir, als ich las, dass nun Transgender-Personen offen in die US-Streitkräfte eintreten dürfen. Zunächst dachte ich mir: Toll, ein weiterer Schritt in Richtung Gleichberechtigung! Aber dann kamen mir ein paar sehr komische Gedanken: Darf man sich darüber freuen, dass jetzt zusätzliche Menschen in die Kriege der USA geschickt werden können? Will man wirklich, dass noch mehr Menschen ihr Leben und ihre Gesundheit für sinnlose Kriege aufs Spiel setzen? Und kommt diese Gleichberechtigung nicht unglaublich spät?

Als nächstes fragte ich mich, wie eigentlich die Rechtslage in Deutschland dazu aussieht. Als schwuler Mann oder lesbische Frau ist eine Mitgliedschaft in den Streitkräften schon länger kein großes Problem, während der Ausbildungszeit an der Offiziersschule der Luftwaffe hatte ich zeitweise gar die Theorie, fast alle männlichen Luftwaffensoldaten seien schwul. Ein Problem jedenfalls hatte ich deshalb nie. Weder gab es mir gegenüber offene systemische, noch versteckte individuelle Diskriminierung. „Wir tragen alle die selbe Uniform, wir lassen keinen zurück!“, Sagte unser Hauptmann immer, wenn es bei einem Leistungsmarsch darum ging, einen körperlich schwachen die letzten paar Kilometer zu tragen, oder jemandes Gepäck zu übernehmen. Ich schätze so war es auch in Sachen Homosexualität: Wir trugen alle die selbe Uniform, hatten den selben Dienstgrad, waren Gleiche unter Gleichen.

Das Problem der indirekten Diskriminierung dürfte allerdings in stark männlich dominierten Truppengattungen deutlich stärker hervortreten. Insbesondere, wenn es nicht „nur“ um einen Schwulen, sondern beispielsweise um einen Transmann geht.

Bis vor nur 16 Jahren sah die Sache jedoch noch ganz anders aus: Zwar war seit 1984 Homosexualität an sich kein Ausmusterungsgrund mehr, allerdings konnten Offiziere bis ins Jahr 2000 noch von jeglichen Ausbildungs- und Führungsaufgaben entbunden werden, nur weil sie offen homosexuell waren. Im Jahr 2000 kommt klagt dann Oberleutnant Winfried Stecher vor dem Bundesverfassungsgericht, weil er wegen seiner offen gelebten Homosexualität von seinem Dienstposten als Ausbilder entfernt worden war. Zu einem Urteil kommt es nie, stattdessen einigt man sich in einem außergerichtlichen Vergleich: Der Offizier wird mit sofortiger Wirkung auf seinen ursprünglichen Dienstposten als Ausbilder und Zugführer einer Luftwaffeneinheit zurückversetzt. Kurz darauf folgt eine beinahe revolutionäre Order aus der zentralen personalbearbeitenden Stelle im Verteidigungsministerium: „Homosexualität stellt keinen Grund für Einschränkungen hinsichtlich Verwendung oder Status und somit auch kein gesondert zu prüfendes Eignungskriterium dar.“ Der Institution Bundeswehr ist es von da an offiziell egal, welche sexuelle Orientierung ein Soldat hat. Von sexueller Identität ist allerdings noch keine Rede.

Einen weiteren Durchbruch für Homosexuelle in der Bundeswehr gab es 2003. Der Wehrbeauftragte des deutschen Bundestages, Dr. Willfried Penner, vermerkte damals in seinem Bericht, dass es im Truppenalltag zu Berührungsängsten, Intoleranz und Unsicherheiten im Umgang mit homo- und bisexuellen Soldaten kam und appelliert: Jeder Bundeswehrangehörige ist verpflichtet, Diskriminierungen auch im sexuellen Bereich zu unterlassen und ihnen entgegenzutreten.“ Für mich ist es dieser Satz, der die systemische Diskriminierung von Homosexuellen und Frauen in der Bundeswehr endgültig in die Vergangenheit rückte. Diskriminierung soll nicht nur unterlassen werden, sondern der Soldat hat ihr gezielt entgegen zu treten. Manchmal hat die Logik von Befehl und Gehorsam eben auch ihre Vorteile.

Lesbische Offiziere
Zwei lesbische Offiziere mit ihrem Kind: „Jeder Bundeswehrangehörige ist verpflichtet, Diskriminierungen auch im sexuellen Bereich zu unterlassen und ihnen entgegenzutreten.“ (Foto: Bundeswehr)

Seit 2006 steht rechtlich auch der Aufnahme von Transgender-Personen nichts mehr im Wege. In diesem Jahr wurde nämlich dem Allgemeinen Geleichbehandlungsgesetz (AGG) das Soldatinnen- und Soldaten-Gleichbehandlungsgesetz (SoldGG) hinzugefügt, dort wird endlich auch ganzheitlich von der sexuellen Identität gesprochen. „Benachteiligungen aus Gründen der sexuellen Identität“ sind demnach verboten.

Blickt man in die jüngste Geschichte zurück, so erkennt man, wie liberal die Gesellschaft eigentlich in den vergangenen zwei Jahrzehnten geworden ist. Noch bis 1994 gab es den unsäglichen Paragraphen 175 im Strafgesetzbuch, der bis zuletzt speziell Schwule diskriminierte, indem er (in seiner letzten, liberalisierten Fassung) schwulen Geschlechtsverkehr mit unter 18-Jährigen verbot. Die DDR hatte die Strafverfolgung von Schwulen übrigens schon sechs Jahre früher restlos aufgegeben.

Letztlich ist die Zulassung von Transgender-Personen im amerikanischen Militär wohl zumindest für die Gleichstellung der LGBT-Community in Amerika ein gutes Zeichen.

Allerdings haben dort Transgender-Personen in der Zivilgesellschaft noch ganz andere Probleme, so erhielt zuletzt das Thema der Nutzung öffentlicher Toiletten die Aufmerksamkeit internationaler Medien. Elf Bundesstaaten hatten Ende Mai die Bundesregierung in Washington verklagt, weil sie Schulen per Exekutivorder angewiesen hatte, Transgender-Menschen ihre WCs frei auswählen zu lassen. Die Anweisung aus Washington war wiederum vor dem dem Hintergrund eines Gesetzes im Bundesstaat North Carolina ergangen, welches Transgender-Personen die freie Toilettenwahl in staatlichen Einrichtungen explizit verbietet. Erreicht ist die Gleichstellung der LGBT-Community also noch lange nicht, weder in den USA noch in Deutschland, geschweige denn global.

Warum die „ZEIT“ keine homosexuellen Kinder will.

Liebe „ZEIT“,

Ich lese dich ja gerne, das habe ich immer getan, in meiner Schulzeit warst du immer mein Favorit gegenüber der spießbürgerlich-konservativen FAZ, schon weil ich aufgrund deiner Eigenschaft als Wochenzeitung tatsächlich in der Lage war dich vollständig zu lesen, während mich die konservative FAZ offenbar mit täglich neuen Bleiwüsten in den Wahnsinn treiben wollte (ernsthaft: Warum gibt man sich die Mühe eine Zeitung zu machen, die kein Mensch fertig lesen kann?). Aber in letzter Zeit entwickelst du ein paar Allüren, die mir gar nicht gefallen: Im Besonderen ist es die unterschwellige Homophobie, die manchmal gar nicht mehr so unterschwellig ist, die mir doch immer wieder sauer aufstößt.

Einerseits ist da dein, ansonsten von mir sehr geschätzter, Kolumnist, der brillante Ironiker Harald Martenstein, der immer wieder ganz vorsichtig und pointiert gegen die Homosexuelle Community stichelt. Er hetzt nicht, er stichelt nur, niemals so sehr, dass sich wirklich jemand angegriffen fühlt und doch gerade so sehr, dass der Stich spürbar ist. Das Gefährliche an dieser sehr diffusen Art der Homophobie ist, dass sie nicht jedem gleich auffällt, dass nicht jeder sie als solche wahr nimmt. Und doch hat sie einen Einfluss auf den Leser, der in kleinen Schritten zur Vorverurteilung von LGBT-Menschen geführt wird, was vielleicht nicht Martensteins Absicht ist, dennoch schreibt er in seine Kolumnen die eigene homophobe Tendenz nur zu gern hinein. Vielleicht auch zur Bewältigung derselben? Dein Chefredakteur nennt das dann „Antikonformismus“ und könnte damit falscher nicht liegen, denn die Homophobie in Deutschland ist mehr als massenkonform. Nicht umsonst blieb der notwendige Aufschrei gegenüber den widerwärtig homophoben Äußerungen des AfD-Abgeordneten Andreas Gehlmann im Magdeburger Landtag quasi aus. Homophobie gehört zu jenen rechtsextremen Einstellungsdimensionen die in der Bundesrepublik absolut gesellschaftstauglich sind, antikonformistisch ist an ihr nichts, auch nicht, wenn sie pointiert und witzig vorgetragen wird.

Andererseits äußertest du dich auf deiner Titelseite nach dem schrecklichen Attentat von Orlando ganz offen dahingehend, dass Homophobie auch eine gesellschaftliche Reaktion auf die „enormen Emanzipationsgewinne“ der LGBT-Community ist. Interessante These. Ist dementsprechend Sexismus auch eine Reaktion auf die Ungeheuerlichkeit der Gleichstellung der Frau? Rassismus die Reaktion auf das Ende von westlichem Imperialismus und Sklavenhandel? Schriebe jemand, die NSU-Morde seien auch als Antwort auf die Integration von Migranten zu verstehen, so wäre dies ein Skandal. Jeder einzelne verständige Journalist dieser Republik würde denjenigen als Rassisten betiteln. Du aber, liebe „ZEIT“, weil du doch ein linksliberales Blatt bist, bist befreit von jedem Verdacht der gruppenorientierten Vorverurteilung. Niemand nennt dich rassistisch, niemandem fiele es ein nach Sexismus in deinen Seiten zu suchen und niemand vermutet Homophobie in deinen Artikeln. Du hast dir einen Freibrief verdient, der unverdienter nicht sein könnte.

„Homophobie ist nicht zuletzt eine Reaktion auf die enormen Emanzipationsgewinne der Schwulen und Lesben.“ – Einlassung der „Zeit“ zum Massaker von Orlando.

Spontane Trauerversammlung vor dem weißen Haus.
Spontane Trauerversammlung nach dem Massaker von Orlando vor dem weißen Haus: „DIE ZEIT“ gibt der Emanzipation von Schwulen und Lesben eine Mitschuld an Homophobie.

Nun jedoch gipfelte deine Homophobie in einem Titel, der gar nicht mehr unterschwellig war, der sich ganz offensichtlich der latenten Feindseligkeit der Deutschen gegen Homosexuelle anbiederte: „Was spricht gegen intelligente, kreative, heterosexuelle Nachkommen?“ Den Satz, den du zum Titel einer Geschichte von Ulrich Woelk zum Thema Gentechnik auf deiner Website erkorst, äußert der Protagonist dieser Geschichte, welche im Jahr 2056 spielt, als Antwort auf die gentechnik-kritischen Äußerungen seiner Tochter, als diese befindet, dass man an substanziellen Eigenschaften wie der sexuellen Identität nicht genetisch herumdoktern solle. Insgesamt ließt sich das Werk durchaus unterhaltsam. Pointiert stellt es die mögliche Zukunft der Genmanipulation dar, worin auch das Problem liegt: Wieder einmal ist hier ein offensichtlich homophober Satz eingebunden in ein teilweise ironisches Schmunzelwerk. Wäre er nicht aus Provokationsgründen auch zum Titel der Geschichte geworden, so hätten ihn vielleicht die Meisten überlesen. Das du aber ausgerechnet diesen Satz als Titel auswählst für eine ansonsten sehr gute und wichtige Geschichte, die insgesamt mit Homosexualität ja gar nichts zu tun hat, zeigt, dass du gerne bereit bist, dich jenen anzubiedern, die in diesem Lande Gefängnisstrafen für Schwule und eine Tabuisierung der Homosexualität fordern! Das ein Rechter dich ließt war in meiner Schulzeit undenkbar, schon meine erzkonservative Deutschlehrerin blickte, als ich in der zehnten Klasse war, mit Abscheu auf dich. Heute jedoch kann ich mir durchaus vorstellen, wie auch Andreas Gehlmann dich zum Frühstück ließt, schließlich tabuisierst du längst halbironische die Homosexualität und redest damit jedem konservativen Vater nach dem Mund, der seinen schwulen Sohn verstößt!

Liebe „ZEIT“, ich bin enttäuscht von dir! Zum Erhalt der eigenen Relevanz wirfst du dein linksliberales Ideal ganz einfach über Bord. Schade.

Mit herzlichen Grüßen,

Florian Reck
Für SpartacusTV.org

Orlando-Schütze war schwul: Islamistisches Motiv immer unwahrscheinlicher.

Orlando (Florida, USA). Immer mehr Details werden öffentlich zum schlimmsten Massenmord der jüngeren amerikanischen Geschichte, bei dem ein 29-jähriger Mann mit afghanischem Hintergrund 49 Menschen in einem LGBT-Nachtclub mit einem Sturmgewehr erschoss. Nun zeigt sich, dass wahrscheinlich auch die eigene Homosexualität zum Tatmotiv beigetragen hat.

Da der Attentäter Omar Mateen Muslim war, schossen sich zunächst Medien, Ermittler und Politik auf ein islamistisches Motiv ein, und tatsächlich hatte der Todesschütze in der Nacht gegenüber der Polizei behauptet, er sei ein Kämpfer des IS. Nach neuesten Informationen kann diese Theorie allerdings wohl zu den Akten gelegt werden. Einerseits fand nämlich das FBI keine Hinweise auf eine tatsächliche Verbindung mit der Terrormiliz und andererseits tritt langsam ein anderes Motiv in den Vordergrund: Die verdrängte Homosexualität des Täters.

Tatsächlich kamen schon früh in den Ermittlungen Fragen zur sexuellen Orientierung des jungen Mannes auf: Auf seinem Smartphone wurde eine Dating App für Schwule entdeckt und Augenzeugen hatten berichtet, dass der Killer zuvor schon Dutzende Male im Nachtclub „Pulse“ zu Gast gewesen war.

Der Täter galt in seinem Umfeld als gewaltbereit, homophob und psychisch labil. Hinweise auf ein islamistisches Motiv verdichten sich.
Der Täter Omar Mateen hatte offenbar selbst homosexuelle Tendenzen.

Nun gab sich allerdings ein mutmaßlicher Liebhaber des Täters zu erkennen, dessen Einlassungen (sofern sie wahr sind) keine Zweifel an den homosexuellen Tendenzen des Mörders. Der Mann, der zunächst anonym bleiben will und sich nur Miguel nennt, hatte sich dem US-amerikanischen Fernsehsender Univision anvertraut. Er wolle seine Geschichte erzählen, um klar zu stellen, dass Mateen seine Tat nicht aus terroristischem Fanatismus sondern aus Rache begangen hat, heißt es. Mateen sei in seiner Gegenwart ein sensibler Mensch gewesen, der selbstverständlich an Männern, speziell an lateinamerikanischen Männern interessiert war, so Miguel.

„Er sprach häufig über die Frustration über die Sicht seines Vaters, der entsprechend Schwule des Teufels waren und zu sterben hatten“, erklärte Miguel seine Einlassung weiter. Zuvor war bereits ein Video des Vaters bekannt geworden, in dem er über Schwule gehetzt hatte. Es ist also nicht auszuschließen, dass Teil des Tatgrundes ein tiefgreifender Selbsthass war. Nicht selten entwickeln junge Homosexuelle schwere psychische Störungen, wenn sie einer ständigen homophoben Indoktrination ausgesetzt werden. Gerade in konservativen Familien und Gemeinden aller abrahamitischen Glaubensrichtungen kommt diese Indoktrination allerdings immer noch regelmäßig vor.

Letztendlich könnte man also doch wieder argumentieren, dass Islamismus die Tat ausgelöst hat, man sollte dann aber bedenken, dass gerade in Amerika auch fundamentalistische Christen zur Repression von Homosexuellen beitragen. Tatsächlich gingen nach der Tat in Orlando mehrere Pastoren an die Öffentlichkeit und sagten Dinge wie „er hätte den Job ruhig beenden können“, oder „ich hoffe diejenigen, die im Krankenhaus liegen, sterben auch noch.“

Laut Miguels Angaben könnte zwar der indoktrinierte Selbsthass den Rahmen für die Tat vorgegeben haben, das konkrete Motiv sei aber spezifischer gewesen. So habe Mateen panische Angst davor gehabt HIV positiv zu sein, da er mit einem offenbar HIV positiven Puerto Ricaner geschlafen hatte. Außerdem habe sich der 29-Jährige von zahlreichen Männern, die er im „Pulse“ getroffen habe, benutzt gefühlt. Das habe ihn sehr mitgenommen, so Miguel.

Nun versetze man sich einmal in die Situation hinein: Ein junger Mann stellt fest, dass er homosexuelle Neigungen hat, lebt aber in einem abartig homophoben Umfeld, hört ständig von seinem konservativen Vater, dass Schwule des Teufels seien und getötet werden müssen, wodurch er einen krankhaften Selbsthass entwickelt. Irgendwann beginnt er trotzdem seiner natürlichen Neigung nachzugeben, wird aber von schwulen Männern benutzt und fallen gelassen, einer steckt ihn unter Umständen auch noch mit HIV an (an dieser Stelle sei gesagt, dass diese Art von Menschen, die trotz bekannter Sexualkrankheiten ungeschützten Sex mit Gesunden praktizieren, zu den abartigsten Personen auf diesem Planeten gehören!). 

In dieser Situation beginnt nun die gesamte Indoktrination seiner Jugend zu greifen, er fragt sich, ob sein Vater nicht vielleicht Recht hatte, sucht unter Umständen Rat in einer Religion, die so homophob ist, wie eine Religion nur sein kann, und Stück für Stück radikalisiert er sich. Schließlich kommt er zu dem Schluss, Schwule seien das Böse und dementsprechend umzubringen. Im Nachhinein muss man wohl sagen, dass auch Omar Mateen nur ein Opfer der jahrhundertelangen Repression von Schwulen ist, vielleicht sogar ein besonders tragisches. Es bleibt jedoch die Frage, wie es sein konnte, dass ein psychisch labiler Mensch so absurd einfach an ein Sturmgewehr kam.

Derzeit gibt es in den USA aus der LGBT-Community weitreichende Proteste gegen die Waffenlobby NRA und für striktere Schusswaffenregulationen.


Anmerkung der Redaktion:

Schon am Tag nach dem Attentat von Orlando wurde auf dieser Seite propagiert, sich nicht vorschnellen Schlussfolgerungen auf islamistischen Terror hinzugeben, sondern die Ermittlungen abzuwarten. Die ersten Ermittlungsergebnisse geben uns nun recht, jene Politiker und Medienanstalten, die in den ersten Tagen die aus Orlando resultierende Terrorangst für ihre Zwecke missbrauchten und dem Täter sofort reflexartig Verbindungen zum IS unterstellten, sollten diesen Irrtum nun öffentlich eingestehen und sich entschuldigen. Diese Art und Weise der Berichterstattung war in weiten Teilen der Opfer unwürdig!

Heuchelei in der Causa Gedeon: Antisemitismus ist tabu, aber Homophobie und Islamophobie dürfen frei geäußert werden?

Stuttgart. Die AfD hat zunehmend mit internen Streitereien zu kämpfen. Zuletzt drohte der Stuttgarter Landtagsfraktion die Spaltung über den Antisemiten und Holocaust-Verharmloser Wolfgang Gedeon. Dieser hatte in seinen Schriften mehrfach den Holocaust verharmlost und dessen Leugner als politisch Verfolgte in der Bundesrepublik dargestellt.

Der Landesfraktionsvorsitzende und Bundessprecher Jörg Meuthen hatte aufgrund der offengelegten Vorwürfe (die ihm jedoch schon vorher bekannt gewesen sein müssen) gedroht, sein Amt nieder zu legen, sollte Gedeon nicht aus der Fraktion ausgeschlossen werden: „Antisemitisches Gedankengut passt nicht in unsere Partei,“ Erklärte der Volkswirt. Er werde nicht weiter mit Gedeon zusammen arbeiten. Die übrige Fraktionsspitze hatte sich daraufhin gegen ihren Frontmann Meuthen gestellt. Dieser habe bewusst die Spaltung der Fraktion in Kauf genommen, sogar darauf hin gearbeitet, so lautete der Vorwurf. Einen kurzen Moment lang sah es so aus, als würde sich die unselige AfD-Fraktion in Stuttgart selbst zerfleischen. Träumen darf man schließlich!

Afd-Gedeon
Dr. Wofgang Gedeon, mutmaßlicher Antisemit: Lässt seine Mitgliedschaft in der unseligen AfD-Fraktion im Landtag ruhen.

Heute fand nun die Fraktionssitzung statt, in der über das Schicksal Gedeons und Meuthens entschieden werden sollte, schließlich wollte letzterer zurücktreten, bliebe der mutmaßliche Antisemit Fraktionsmitglied. „Ich werde mit Gedeon in dieser Fraktion nicht weiterarbeiten“, betonte der 54-jährige Volkswirt auch am Dienstag. Statt eines Ausschlusses kam es zu einem beinahe salomonisch anmutenden Kompromiss: Wolfgang Gedeon lässt seine Fraktionsmitgliedschaft ruhen, während eine Kommission die gegen ihn erhobenen Vorwürfe prüft, die Causa Gedeon soll dann im September neu beraten werden. Mit großer Mehrheit wurde dem Kompromiss zugestimmt, leider, und auch Meuthen sieht sich als Sieger, leider, wäre doch die AfD-Fraktion im Landtag ohne den prominenten Frontmann schnell in der völligen Bedeutungslosigkeit versunken. Drei unabhängige Gutachten sollen nun feststellen, ob die Antisemitismus-Vorwürfe gerechtfertigt sind, sollten diese Gedeon nicht entlasten, werde er endgültig ausgeschlossen, so der Fraktionsvorsitzende Meuthen.

Jörg Meuthen (Landesparteitag AfD Baden-Württemberg)
Jörg Meuthen auf dem Bundesparteitag der AfD: Hetzt gegen Einwanderer, Muslime, Sozialisten und 68er.

Einen Grund für einen Rücktritt sieht der Volkswirt also nicht mehr. „Ich denke, dass ich mich klar durchgesetzt habe,“ sagte er am Dienstag und bekommt dabei ausgerechnet vom AfD-Bundesvize Alexander Gauland Rückendeckung, der sich in den vergangenen Wochen selbst gerne durch fremdenfeindliche und islamophobe Bemerkungen ins Rampenlicht gerückt hatte. „Jörg Meuthen hat in dieser Angelegenheit Führungsstärke bewiesen“, sagte der stellvertretende Bundesvorsitzende der deutschen Presseagentur. Er gehe fest von einem endgültigen Ausschluss Gedeons aus, zwar wolle er den Gutachten nicht vorgreifen, „aber wenn das kein Antisemitismus ist, dann weiß ich gar nicht, was denn überhaupt Antisemitismus sein soll“. Interessant ist, dass diese Bemerkung ausgerechnet von jemandem kommt, der regelmäßig gegen Islam und Einwanderer wettert, der außerdem mit dem offen fremdenfeindlichen Björn „Bernd“ Höcke eng befreundet ist.

AFD-Gauland
AfD Bundesvize Alexander Gauland: Fremdenfeindlichkeit und Islamophobie sind in Ordnung, aber bei Judeophobie wird eine Grenze gezogen?

An dieser Stelle soll noch einmal auf die Aussage Jörg Meuthens, Antisemitismus gehöre nicht zur AfD eingegangen werden. Warum passt dann Antiislamismus sehr gut in die Partei? Welchen unterschied macht es, gegen das Judentum, oder die Tochterreligion, den Islam zu wettern? Auch Meuthen hatte sich dem im Wahlkampf immer wieder hingegeben, tatsächlich ist die teils latente, teils offene Islamophobie in Deutschland oft das größte politische Kapital, auf das die rechtspopulistische Partei zurückgreifen kann. Warum dann nicht konsequent sein und mit Judeophobie weitermachen? Weil diese Teil der „abendländischen Kultur“ ist, die Meuthen und seine Jünger in der Vergangenheit so oft beschworen? Der Volkswirt nutzte in der Vergangenheit häufiger diesen Vorwand als Rechtfertigung, islamischen Gemeinden die selben Rechte wie christlichen Gemeinden vorenthalten zu wollen. Regelmäßig hetzt Meuthen auch gegen 68er und Sozialisten, die Heuchelei dieses Mannes und seiner Partei ist unfassbar!

„Dann kann nicht hier künftig der Ruf des Muezzins die gleiche Selbstverständlichkeit für sich beanspruchen wie das christliche Geläut von Kirchenglocken.“ – Jörg Meuthen emblematisch darüber, warum der Islam nicht die gleichen Rechte wie das Christentum haben kann.

Antiislamismus ist also in Ordnung, Antisemitismus nicht, wie das ins verquere Weltbild der AfD-Schergen passt, bleibt unklar, schließlich dürfte Gedeon nicht der einzige Antisemit unter den Parteikameraden und schon gar nicht unter den Wählern der Partei sein. Genug rechtsextreme Verschwörungstheoretiker, die des Öfteren von der Bilderberger-Regierung unter der Führung des Weltjudentums und anderen absurden Theorien faseln, haben schließlich ihre Unterstützung für die rechtspopulistische Partei schon kund getan.

Bemerkenswert ist auch, dass gegen regelmäßige homophobe Äußerungen von Parteifunktionären nichts unternommen wird. Warum also wird beim Thema Antisemitismus eine so willkürlich anmutende Grenze gesetzt? Eine mögliche Erklärung ist, dass man bei der AfD eben nicht ganz so offensichtlich in die Nähe der NSDAP rücken will.

Trotz des leider glimpflichen Ausgangs der Geschichte lässt die zunehmende Spaltung der AfD jedoch weiter hoffen auf einen Zerfall von innen, anders scheint dieses Geschwür im politischen Körper Deutschlands ja nicht besiegbar zu sein.