Wer hat uns verraten? EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker setzt sich offenbar derzeit für eine Verlängerung der Amtszeit ausgerechnet des Sozialdemokraten Martin Schulz als EU-Parlamentspräsident ein. Gleichzeitig will er den polnischen Konservativen Donald Tusk weiter an der Spitze des Europäischen Rates sehen.
Juncker, dessen Amtszeit bis Oktober 2019 dauert, plädierte in einem Interview mit dem „Spiegel“ dafür, „dass die europäischen Institutionen in den nächsten zweieinhalb Jahren so weitergeführt werden wie bisher. Wir brauchen Stabilität.“ Damit stellt Juncker, selbst Mitglied der konservativen „Europäischen Volkspartei“ (EVP) einmal mehr Vereinbarungen zwischen den beiden großen Parteien im Europaparlament in Frage, diese hatten sich ursprünglich darauf geeinigt, dass der SPD-Politiker Schulz im kommenden Januar seinen Posten zugunsten eines konservativen Kandidaten räumen sollte. Auch die Parteispitze der CDU, die wie ihre bayrische Schwesterpartei CSU Mitglied der EVP ist, sprach sich gegen eine Verlängerung der Amtszeit von Schulz aus. Anders als Juncker, werden die Europaabgeordneten von CDU und CSU jedoch konkret abstimmen dürfen für einen neuen Parlamentspräsidenten. Dass jedoch der „mächtigste Mann“ Europas, der bei den Lobbyisten der europäischen und internationalen Konzerne ein besonders beliebter Mann ist, nicht zuletzt weil er als luxemburgischer Premierminister einen beachtlichen Teil zum Ausbau des Kleinstaates zur Steueroase geleistet hat, soll wohl den Konservativen mitteilen: Ein besserer Kandidat findet sich nicht für euer (unser) Klientel.
Auch eine Verlängerung der Amtszeit des EU-Ratspräsidenten Donald Tusk, dessen erste Amtszeit bis Mai kommenden Jahres dauert, sähe Juncker laut Interview gern. Der liberal-konservative Pole ist zwar EVP-Mitglied, hat aber ein gespanntes Verhältnis zur grenzfaschistischen Regierung in seinem Heimatland. Die Staats- und Regierungschefs der EU wählen den Ratspräsidenten, der einmal mit qualifizierter Mehrheit für zweieinhalb Jahre wiedergewählt werden kann.
Von Schulz und Juncker ist bekannt, dass sich beide seit den Europawahlen 2014 eng zusammenarbeiten in der Bestrebung, die Macht von EU-Kommission und EU-Parlament gegenüber den EU-Staaten zu stärken. Schulz wird in der SPD auch für eine herausgehobene Rolle in der deutschen Innenpolitik bis hin zum Kanzlerkandidaten gehandelt, lehnte dies jedoch bereits ab.
Juncker hatte zuletzt von sich Reden gemacht, indem er vorschlug, dass umfassende kanadisch-europäische Handels und Investitionsabkommen CETA an den nationalen Parlamenten vorbei zu bewilligen, indem die EU-Kommission das konzernfreundliche „Freihandelsabkommen“ als reines EU-Abkommen, statt als „gemischtes Abkommen“ einstuft. Erneut hatte er mit diesem Vorschlag gezeigt, wer sein Klientel ist: Die europäischen und internationalen Wirtschaftskonzerne.