Gerade Linke beschwören in Bezug auf die rechtspopulistische AfD gerne den Untergang der aufgeklärten Gesellschaft hervor, aber ist diese Panik angebracht? Im Folgenden setzt sich unser Autor mit der Entstehung und Entwicklung der Partei auseinander und beurteilt, welche reale Gefährdung von ihr ausgeht.
2013 wurde die rechtskonservative „Alternative für Deutschland“ (AfD) von ehemaligen CDU- und FDP-Anhängern um den Ökonomen Bernd Lucke als konservative und wirtschaftsliberale Partei gegründet. Zentrale Themen waren, im Zusammenhang mit der globalen Finanzkrise, die Eurokritik sowie ein protektionistisches Außenhandelsmodell. Mit der Zeit kam es allerdings zu einem starken Zufluss extrem Rechter in die Kreise der AfD.
Ein Flügelkampf brach aus, den die nationalkonservative Seite unter der Führung von Populisten wie Alexander Gauland, Frauke Petrys und Björn Höcke für sich entscheiden konnte. Unter dem Namen „Weckruf 2015“ standen schließlich der Austritt von Parteigründer Bernd Lucke und einiger Anhänger aus der AfD sowie die Gründung der neoliberalen Kleinstpartei ALFA (heute Liberal-Konservative Reformer, Namensänderung aufgrund eines Rechtsstreits), welche auch das Gros der EU-Parlamentssitze von der Mutterpartei übernahm. In der derzeitigen AfD kämpfen noch immer erzkonservative, wirtschaftsliberale und nationalistische Flügel um die Oberhand. Rechtspopulistisch ist die Gesamtpartei allemal, aber welche konkrete Gefahr geht von ihr aus?
Als einzige Partei des rechtsextremen Spektrums, die bundesweit über die Fünfprozenthürde kommt, hat die Partei vor allem ein Problem: Sie ist kaum kompromissfähig. Ihre stark populistischen Tendenzen sowie die Tendenz einiger Parteiströmungen zu etlichen Verschwörungsideologien, werden politische Verhandlungen deutlich erschweren. Alles in allem ist die Partei nicht regierungsfähig, aber muss sie das aus der Sicht ihrer Wähler überhaupt sein?
Die meisten AfD-Wähler wählen ihre Partei schließlich nicht wegen des Programms, sondern um „die Regierenden“ in Bedrängnis zu bringen. Die AfD soll demnach provozieren und auf die Ängste ihrer Wähler aufmerksam machen. Anstatt darauf entsprechend zu reagieren, haben jedoch Medien und etablierte Politik die AfD zunächst kleinzureden versucht, sie dann verspottet und schließlich deren Wähler als dumm oder geisteskrank verunglimpft. Solche Reaktionen aus dem Establishment stärken jedoch Populisten nur weiter: Betroffene fühlen sich nicht ernst genommen und populistische Kräfte erfahren Scheinbestätigung durch die Angriffe der etablierten Politik. Dieses Phänomen führte nicht nur in Deutschland zum Aufstieg der AfD, sondern fast zeitgleich in Großbritannien zum BREXIT oder in den USA zum Sieg des republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump.
Das Establishment ebnet somit den Weg der Populisten. Homophobie, Islamophobie, offener Sexismus und Rassismus wurden so auch in Deutschland wieder komplett salonfähig, nachdem CSU und CDU sie zumindest „warm gehalten“ haben.
Ein weiterer Faktor, der modernen Populisten – so auch der AfD – zugute kommt, sind die sozialen Medien. Zwar stehen im Internet immer mehr Informationen zur Verfügung, aufgrund der sogenannten Filterblase im Netz bewegen sich Netizens jedoch – verstärkt durch die Algorithmen von Google, Facebook und Konsorten – meist nur in Netzumgebungen, in denen eine bestimmte Position vorherrscht. Und weil der Mensch naturgemäß nach Bestätigung sucht, bewegt er sich gern in diesen Umgebungen. Eine Spaltung der Bevölkerung ist die Folge: Man ist Gutmensch oder Nazi! Dazwischen scheint es in der Welt der Populisten nichts zu geben! Diese Aufspaltung könnte sich noch zuspitzen, da das Vertrauen in die „etablierten“ Medien schon seit Jahren – teilweise berechtigterweise – ins Bodenlose stürzt, weshalb sich immer mehr Menschen nach – teilweise sehr unseriösen – Informationsquellen im Netz umsehen. Aus eben diesen Kreisen rekrutiert die rechtspopulistische Partei, deren Wahlkämpfe auf Verschwörungsideologien und einem unklaren Anti-Establishment-Gedanken aufbauen, den Großteil ihrer Anhängerschaft.
Bedeutet dies aber das Ende unserer modernen Gesellschaft?
Mitnichten! Schließlich scheint eine Regierungsbeteiligung der AfD zum jetzigen Zeitpunkt sehr unwahrscheinlich. Zwar ist die Möglichkeit, dass die Unionsparteien einen neuen Rechtsruck vollführen und früher oder später eine Koalition mit der AfD eingehen, nicht auszuschließen, aber da die Union dann wahrscheinlich ihre moderate Wählerschaft verlieren würde, kann es aus Unionssicht kaum als sinnvoll erachtet werden, dieses politische Risiko in der näheren Zukunft einzugehen.
Letzten Endes wird – im Guten und im Schlechten – außer bloßem Getöse im parlamentarischen Betrieb nicht viel von der streitlustigen AfD zu erwarten sein. Eine zentrale Gefahr bleibt allerdings: Da Rot-Rot-Grün zum jetzigen Zeitpunkt sehr unwahrscheinlich scheint, droht der Opposition im deutschen Bundestag eine ungesunde Spaltung. Wähler der AfD werden daher enttäuscht sein, wenn sie feststellen, dass „ihre“ Partei das „Durchregieren“ der kommenden Bundesregierung noch weiter vereinfacht.
Anmerkung der Redaktion: Es handelt sich hier um den ersten Bericht unseres neuen Jugendkorrespondenten, der in unregelmäßigen Abständen hier politische Überlegungen anstellen wird.
Das Beitragsbild stammt von der AfD in Baden-Württemberg und zeigt die Zusammenarbeit der rechtspopulistischen AfD und der rechtsradikalen NPD im Landtagswahlkampf 2016.