Der schleichende Tod von PEGIDA.

Dresden. Noch immer ziehen Islamkritiker, selbsternannte Patrioten und Rassisten allmontäglich in die Dresdner Innenstadt, um gegen die „Islamisierung des Abendlandes“ zu demonstrieren, doch es werden weniger. So verzeichnete das rechte Bündnis am Montag die niedrigste Teilnehmerzahl seit ihren Gründungsaufmärsche 2014.

Das Interesse an den wöchentlichen Aufmärschen der rechtsextremen PEGIDA-Bewegung in der sächsischen Landeshauptstadt ließ in den vergangenen Wochen deutlich nach. Am Montag erlebten die Veranstalter einen weiteren Tiefpunkt: Nach Angaben der unabhängigen Initiative „Durchgezählt“ kamen nur zwischen 950 und 1200 Menschen, um den Tiraden von PEGIDA-Vize Siegfried Däbritz zuzuhören. Das niedrige Interesse begründet PEGIDA mit dem kalten Wetter: „Eisregen, Glatteis, Minusgrade, fieser Wind, aber #PEGIDA hält Stand!“, ist auf der Facebookseite zu lesen.

Kämpferische Worte angesichts der Tatsache, dass sich sinkende Teilnehmerzahlen schon seit Monaten abzeichnen. Am schlechten Wetter allein dürfte es also nicht gelegen haben, zumal noch im Dezember vergangenen Jahres um die 3.000 Personen an der rechten Montagsdemo teilnahmen – bei anhaltendem Regen. Und auch am 9. Januar diesen Jahres sah es noch besser aus: Bei geschlossener Schneedecke trafen sich zwischen 1900 und 2200 Menschen zum fremdenfeindlichen Protest vor der Semperoper. Gegenüber den Spitzenwerten vor rund zwei Jahren – als bis zu 17.000 Teilnehmer zu einem Aufmarsch der Rechten kamen – sind das aber kleine Hausnummern.

Anfang Januar hatte bereits der – radikalere – Leipziger Ableger des Rechtsbündnisses, „LEGIDA“, aufgegeben und sich von der Straße zurück gezogen. Die LEGIDA-Organisatoren hatten damals auf einer deutlich zusammengeschrumpften Kundgebung mitgeteilt, dass man in Zukunft keine Aufmärsche dieser Größe mehr mobilisieren werde – stattdessen wolle man Kabarettabende und Gesprächsrunden abhalten. In der Realität heißt das wohl: LEGIDA ist, wenn schon nicht offiziell Geschichte, so doch zumindest marginalisiert. Die rechte Bewegung in Leipzig stehe „im Abseits“ und die „deutliche Ausrichtung auf neonazistische Strukturen“ habe sich als „fatal für ‚LEGIDA‘ erwiesen“, erklärte das Leipziger Aktionsnetzwerk gegen Rechts „Leipzig nimmt Platz“ am 10. Januar.

Ganz so weit ist es bei der Dresdner Mutterorganisation allerdings noch nicht, zwar zeichnete sich schon im Juli vergangenen Jahres ab, dass die Teilnehmerzahlen nur ausnahmsweise über die 2000 hinaus klettern und dass die Bewegung auf der Stelle tritt, aber obwohl mittlerweile nicht mehr jeden Montag demonstriert wird, gibt man sich weiter kämpferisch: Das rassistische Bündnis mobilisiert bereits für seinen nächsten Aufmarsch Anfang Februar und spricht von einem „Jahr der Entscheidung“.

Demo in Istanbul: Antisäkulare Türken geloben Kadavergehorsam

Istanbul (Türkei). In Istanbul haben sich am Sonntag Hunderttausende Antisäkularisten und Rechtsnationalisten zu einer Demonstration gegen den Putschversuch Mitte Juli versammelt.

Zu der Kundgebung, die unter unter dem Motto „Demokratie und Märtyrer“ stand, war von Präsident Recep Tayyip Erdogan höchst selbst aufgerufen worden. Sie wird auch als Machtdemonstration angesichts der Kritik an den von der türkischen Führung ausgerufenen „Säuberungen“ in Militär, Justiz und Verwaltung gewertet. So waren auch die meisten Demonstranten auf dem Yenkapi-Platz Anhänger Erdogans und seiner islamistischen antisäkularen Partei AKP.

„Du bist ein Geschenk Gottes, Erdogan“, stand auf Transparenten, die Demonstranten mit sich trugen. Zwar hatte Ministerpräsident Binali Yildirim im Vorhinein die AKP-Mitglieder angewiesen, keine Parteisymbole mitzubringen, da es sich um eine parteiübergreifende Veranstaltung handele, dennoch zeigte sich schon vor Beginn des Demonstrationszugs gegen 16 Uhr deutscher Zeit, dass die Veranstaltung auch eine Huldigung des AKP-Präsidenten sein würde. Bedenklich: „Befiehl uns zu sterben, und wir werden es tun“, stand auf anderen. Wenn in solchen Gelöbnissen zum Kadavergehorsam nicht die Vorstufe zu einer faschistischen Gesellschaftsordnung gesehen wird, dann ist es wohl für die Türkei endgültig zu spät, dies zu erkennen. Selbstverständlich war die Kundgebung neben überlebensgroßen Bildnissen ihres Präsidenten auch von türkischen Flaggen überladen.

„Wir sind hier, um zu zeigen, dass diese Flaggen nicht abgenommen werden, dass die Gebete nicht verstummen werden, und dass unser Land nicht geteilt wird“, sagte ein 46-jähriger Mann, der aus der Stadt Ordu am Schwarzen Meer nach Istanbul gereist war. „Hier geht es um mehr als um Politik. Hier geht es um Freiheit oder Tod.“ Der islamistische Nationalpopulismus der AKP wirkt, immer mehr Türken verstehen sich als Volk unter internationalem Beschuss – sie verstehen Kritik an ihrem Präsidenten als Kritik an der Türkei, als Kritik an den Türken. Sich dabei an die von den faschistischen Systemen der 30er-Jahre beschworene „Einheit von Volk und Führer“ – die heute eigentlich nur noch in den nordkoreanischen Staatsmedien propagiert wird, erinnert zu fühlen, erscheint durchaus angebracht. Ein Leitspruch der deutschen NSDAP war übrigens „Führer befiel, wir folgen dir bis in den Tod!“. Unter diesem Leitspruch brachten sich am Ende des dritten Reiches tatsächlich tausende NS-Sympathisanten um.pl007052

Auch war die Veranstaltung nach AKP-Willen geprägt von nationalem Antisäkularismus, so wurde zur Eröffnung nicht nur die türkische Nationalhymne gesungen, es wurden auch Passagen aus dem Quran verlesen.

Auf Einladung des Präsidenten kündigten im Vorhinein auch Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu von der sozialdemokratischen Parei CHP und der Vorsitzende der rechtsnationalistischen MHP, Devlet Bahceli, ihre Teilnahme an. Die kurdische HDP wurde dagegen nicht eingeladen, obwohl deren Führungsriege sich noch vor der Niederschlagung des gescheiterten Militärputsches Mitte Juli auf die Seite der Regierung gestellt hatte. Offiziell wirft Erdogan der zweitgrößten Oppositionspartei im Parlament Verbindungen zur verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK vor. Schon seit langem hat deshalb die HDP mit schweren Restriktionen durch das Erdogan-System zu kämpfen.

Die Großkundgebung wurde in der Türkei zuvor intensiv beworben: Ein Plakat zeigt einen Zivilisten, der mit erhobener Hand einen Putschisten-Panzer stoppt.

Netzwerk von Juristen und Journalisten ruft zu Kundgebung gegen das türkische Regime auf.

Berlin. Durch die „Säuberungen“ im Nachgang des gescheiterten Putschversuchs in der Türkei Mitte Juli sehen sich immer mehr Berufsgruppen in der Türkei bedroht – wurden doch bislang mehr als 60.000 Personen aus dem Bildungssystem, der Verwaltung, der Judikative und den Medien entlassen sowie mehr als 18.000 Menschen verhaftet. Das „Grundrechtekomitee“, eine Vereinigung kritischer JuristInnen ruft deshalb für den 3. August ab 14 Uhr zu einer Demonstration gegen das türkische Regime vor dem Bundeskanzleramt in Berlin auf.

„In der Türkei wird der Rechtsstaat mit Füßen getreten,“ heißt es im Aufruf zu der „Gemeinsamen Kundgebung von Richtern, Anwälten, Staatsanwälten und Bürgerrechtlern vor dem Bundeskanzleramt“.

Durch die Verhaftung und Entlassung von tausenden ihrer Kollegen, litten demnach nicht nur die direkt Betroffenen stattdessen treffe die fehlende Unabhängigkeit der Justiz jeden, Privatpersonen und Unternehmen gleichermaßen.

Hinter der Kundgebung in Anbetracht des Vorgehens der türkischen Staatsführung nach dem versuchten Militärputsch, stehen laut den Veranstaltern zehn Organisationen von Anwälten, Staatsanwälten, Richtern und Bürgerrechtlern.

Anlässlich der Kundgebung sollen Erklärungen verlesen werden, welche die aktuelle Situation der verschiedenen verfolgten, suspendierten und verhafteten Berufsgruppen wie verdeutlichen. Auch sollen den Anwesenden Interviewpartner aus den jeweiligen Berufsgruppen zum Gespräch zur Verfügung stehen.

Zu den Zielen der Kundgebung zählt unter anderem eine Verhinderung beziehungsweise eine Rückabwicklung des „Flüchtlingsdeals“ mit der Türkei: „Angesichts der massiven Menschenrechtsverletzungen in der Türkei darf es keinen Deal mit der türkischen Regierung über Menschenrechte – auch nicht mit den Menschenrechten von Flüchtlingen – geben.“

Die zehn Organisationen wollen weiterhin die Bundesregierung in einer gemeinsamen
Erklärung dazu auffordern, einen „sofortigen Abschiebestopp für die Türkei zu erlassen“, sich für ein Ende der Willkür und der „politisch motivierten Verhaftungen, Entlassungen oder Suspendierungen in der Türkei einzusetzen, und die Wiederherstellung der richterlichen Unabhängigkeit und der freien Berufsausübung von Rechtsanwälten und Rechtsanwältinnen, Staatsanwälten und Staatsanwältinnen und die Freiheit der Medien in der Türkei einzufordern.

Zwei rechte Demonstrationen in Köln – Eine Pro-Erdogan, eine Contra-Erdogan.

Köln. Im Eilverfahren entschied das Bundesverfassungsgericht am Samstagabend, dass bei der Demonstration von Anhängern des türkischen Präsidenten Erdogan am Sonntag keine Politiker aus der Türkei per Livesteam zugeschaltet werden dürfen. Parallel entschied das Oberverwaltungsgericht in Münster, dass eine rechtsextreme Gegendemonstration, gegen die es eine Beschwerde der Kölner Polizei gegeben hatte, endgültig ebenfalls stattfinden darf.

Das Bundesverfassungsgericht lehnte am Samstagabend einen Antrag der Veranstalter einer Pro-Erdogan-Demonstration auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Erlaubnis, Politiker aus der Türkei – wie beispielsweise den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan – live auf einer Großleinwand zuzuschalten, aus formalen Gründen ab. Denn die Vollmacht der Rechtsvertreter der Veranstalter entspreche nicht den gesetzlichen Erfordernissen, wie es hieß. Im Übrigen hätte eine Verfassungsbeschwerde offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Es sei demnach nicht erkennbar, dass die Entscheidungen der Vorinstanzen Grundrechte der Demo-Veranstalter verletzt hätten.

Nachdem das Oberverwaltungsgericht in Nordrhein-Westfalen gegen eine Live-Schaltung türkischer Politiker entschieden hatte, hatte der Anmelder der Pro-Erdogan-Demonstration in Köln das Bundesverfassungsgericht angerufen, um diese Entscheidung zu überwerfen. Auf diese Weise hätten doch noch Politiker aus der Türkei per Video zugeschaltet werden können.

Trotz des Live-Schalte-Verbots wird allerdings ein Mitglied der türkischen Regierung bei der Demonstration zugunsten des türkischen Despoten auftreten. Der türkische Sportminister werde sprechen, so Kölns Polizeipräsident Jürgen Mathies am Samstagabend. Einen Auftritt des türkischen Außenministers habe er allerdings verhindern können. Zugleich wies der Polizeipräsident Erdogans Kritik zurück, türkischstämmige Bürger würden in Deutschland in ihrem Demonstrationsrecht eingeschränkt. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Herr Erdogan hier auch nur ansatzweise Recht hat.“ Erdogan hatte am Freitagabend in Ankara kritisiert, den Türken in Deutschland und Österreich werde das Recht zu Protesten verwehrt. Bei der Pro-Erdogan-Demo in Köln erwartet die Polizei bis zu 30.000 regimetreue Teilnehmer, des Weiteren wurden vier Gegendemonstrationen angemeldet.

Eine dieser Gegendemonstrationen, ein Demonstrationszug von Rechten gegen die geplante Pro-Erdogan-Kundgebung, wurde nun „in letzter Minute“ vom Oberverwaltungsgericht in Münster endgültig erlaubt. Es wies damit eine Beschwerde der Kölner Polizei zurück, wie ein Sprecher des Gerichts am Samstag bestätigte. Hinter dem ebenfalls für Sonntag geplanten Demonstrationszug steht unter anderem die rechtsextremistische Partei Pro NRW.

Die Polizei befürchtete Ausschreitungen, doch das Verwaltungsgericht Köln sah dafür keine ausreichenden Anhaltspunkte – Die Entscheidung der Kölner Richter wurde nun in zweiter Instanz bestätigt. Dennoch wurden die Polizeikräfte noch einmal aufgestockt: von 2300 auf nunmehr 2700. Er sei „zuversichtlich, dass Köln morgen einen friedlichen Tag erlebt“, sagte Polizeipräsident Mathies mit Blick auf diese massive Präsenz am Samstag.

Im Netz dagegen machten sich am Samstag bereits Spekulationen über etwaige Gewalteskalationen breit: Gerade die Gegeneinander-Demonstrationen zweier rechtsextremer Gruppen sei demnach geeignet, eine explosive Situation herbeizuführen.


Dieser Beitrag ist Teil unserer Sonntagsausgabe „Spartacus am Sonntagmorgen – die Frühstückszeitung“. Lesen Sie hier die komplette Ausgabe.

Medien „verschweigen auffällig deutlich“ soziale Proteste in Frankreich – Fernsehkritiker Holger Kreymeier erhebt schwere Vorwürfe gegen Fernsehanstalten.

Hamburg. Der bekannte Hamburger Fernsehkritiker Holger Kreymeier erhebt erneut schwere Vorwürfe gegen die deutschen Fernsehanstalten. Diese verschwiegen „auffällig deutlich, dass in Frankreich derzeit unglaubliche Konflikte stattfinden auf den Straßen“, so Kreymeier in der 184ten Ausgabe seiner beliebten Websendung „FernsehkritikTV“ am vergangenen Freitag. Insbesondere die öffentlich-rechtlichen Televisionsanstalten kritisiert der überzeugte Rundfunkbeitragsverweigerer richtigerweise scharf: Diese kämen ihrem im Rundfunkstaatsvertrag definierten Auftrag nicht nach.

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Medienkritiker, Gebührenverweigerer und Grimmepreisträger Holger Kreymeier: Konflikte werden „auffällig deutlich“ verschwiegen!

Zwar seien bis zu 1 Million Menschen zum Protest gegen die schwerwiegenden Einschnitte in das französische Sozialsystem auf den Straßen gewesen, das deutsche Fernsehen zeige dies jedoch entweder überhaupt nicht, oder thematisierten die Proteste unzureichend.

Kreymeier zitierte in der Sendung auch die Vorsitzende der Linkspartei Katja Kipping, welche den Medien ebenfalls ein bewusstes Herunterspielen des Konfliktes vorgeworfen hatte. Teilweise seien die Zahlen der DemonstrantInnen von fast einer Million auf „einige tausend“ reduziert worden, wenn überhaupt eine Berichterstattung stattgefunden hätte. Angesichts dieser Art von Journalismus, so Kipping, müsse „man sich jedenfalls nicht wirklich wundern, wenn das Vertrauen in viele Medien als Institutionen der Gewaltenteilung schwindet“. Kreymeier betonte, dass obwohl hier still der „Lügenpresse“-Vorwurf mitschwingt, Kipping in diesem Falle recht habe.

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In der derzeitigen Fernsehberichterstattung werden Terrorgefahren, Morde, Hooligan-Krawalle und soziale Proteste undifferenziert zusammengeworfen. Dadurch kann der Eindruck eines Zusammenhangs entstehen.

In der Tat untertreibe das Fernsehen die Zahl „massiv“ und vermische den Protest gegen die Sozialreformen mit anderen Krawallen im Rahmen der UEFA Europameisterschaft, dadurch würde die Berichterstattung gefährlich undurchsichtig. Am konkreten Beispiel eines Beitrages aus dem ZDF „heute-Journal“ zeigte der Medienkritiker auf, wie im Kern berechtigte Demonstrationen mit Hooligan-Krawallen und dem Doppelmord an einem Polizistenpaar einfach in einen Topf geworfen und „zusammen gemixt“ wurden. Dadurch entstünde der Eindruck drei völlig unabhängige Situationen stünden in direktem Zusammenhang: „Diese Dinge finden zwar zeitgleich statt, aber trotzdem kann man sie doch nicht über einen Kamm scheren!“ Auch die Anmoderation des Moderators Claus Kleber, in welcher die Fußball-Europameisterschaft als friedliches Fußballfest den Protesten gegen den Sozialabbau als gewalttätige Krawalle gegenübergestellt wurden, kritisierte Kreymeier. Diese suggeriere eine mangelnde Rechtfertigung der Demonstrationen insbesondere in Anbetracht der Fußball-Europameisterschaft.

Tatsächlich bewerten wir das ähnlich, es ist insbesondere Aufgabe der öffentlich-rechtlichen, über politische und gesellschaftliche Entwicklungen zu berichten, sich dann im Fernsehen darüber auszulassen, dass im Kern gerechtfertigte, wenngleich teilweise in Gewalt ausartende Demonstrationen die Sportberichterstattung „stören“ ist nicht nur eine „Unverschämtheit“, wie der Fernsehkritiker sagte, es wird auch dem Auftrag der öffentlich-rechtlichen Televisionsanstalten nicht im geringsten gerecht. Man könnte sogar noch weiter gehen und fragen, warum die ARD und ZDF überhaupt in einem solchen Umfang über die Fußballspiele berichten sollten. Wäre es nicht eher ihre Aufgabe als Informations- und Meinungsbildungsmedien, gerade über die von der EM medial überschatteten Ereignisse zu berichten? Ist es sinnvoll viele Millionen Euro an Abgabengeldern in eine EM-Berichterstattung zu stecken, wo doch ein Privatsender genau so gut über das Sportereignis berichten könnte?

fktv folge 184 heute-journal kleber
Claus Kleber: „Es herrschte einigermaßen Ruhe in Lille und der Fußball stand tatsächlich im Vordergrund, die Zeiten sind leider so, dass man das mit Dankbarkeit registrieren muss.“ Die Worte klingen wie ein Vorwurf gegenüber den französischen Demonstranten, diese stöhlen dem „friedlichen Fußballfest“ die Aufmerksamkeit. Das Gegenteil ist der Fall!

Selbst wenn man gnädig ist und nicht von bewusster Verfälschung ausgeht, ist es unmöglich auch nur annähernd alle Aspekte der Unruhen in Frankreich abzudecken in einem dreiminütigen Nachrichtenbeitrag. Hierfür würden mehrstündige Fernsehdokumentationen benötigt. Zwar hätte eine Reportage über die Proteste in Frankreich natürlich quotenmäßig keine Chance im Vergleich mit einem Fußballspiel zu bestehen, aber gerade deswegen muss sich das öffentlich-rechtliche Fernsehen trauen solche Beiträge zu liefern, bewusst als Kontrastprogramm zum „Wohlfühlfußball“, denn letztendlich haben unsere öffentlich finanzierten Sender keinen echten Quotendruck. Wenn sie also nicht über die relevantesten gesellschaftlichen Themen berichten und wenn sie kein quotenunabhängiges Programm liefern können, warum gibt es dann diese Sendeanstalten überhaupt noch? Ihren Auftrag jedenfalls erfüllen sie nicht! Aber vielleicht ist es ja doch, wie Katja Kipping sagte: Vielleicht hat man Angst, eine umfassende Berichterstattung über die sozialen Unruhen in Frankreich könnte auch in Deutschland den Funken des Protests entfachen, wäre schließlich nicht das erste mal, dass eine Revolution aus Frankreich herüber schwappt.

Kreymeier erhob weiterhin Vorwürfe, die Medien berichteten einseitig über die Hooligan-Ausschreitungen zwischen deutschen, englischen und russischen Hooligans. Zwar sei bekannt, dass gerade auch die englischen Hooligans „ganz schön heftige Typen“ und ebenso brutal wie die russischen Krawallmacher seien, stattdessen würden diese in der Berichterstattung teilweise sogar in die Opferrolle gerückt, wohingegen die russischen Krawallmacher als Aggressoren dargestellt würden. Dies sei eine anti-russisch tendenziöse Darstellungsweise so der Fernsehkritiker. „Propaganda will ich nicht sagen.“ Ein „völliger Unsinn“ sei es, dass englische Hooligans in irgendeiner Form besser seien als russische.

Russische Hooligans mit erbeuteter englischer Flagge: ZDF betreibt erneut tendenziöse Berichterstattung!
Russische Hooligans mit erbeuteter englischer Flagge: ZDF betreibt erneut tendenziöse Berichterstattung!

Auch hier ist Kreymeier zuzustimmen. Diese Art tendenziöser Berichterstattung gegen Russland lässt sich schon seit dem Beginn der Krimkrise beobachten, bisher nur bei politischen oder militärischen Themen, aber es scheint fast, als würden hier die französischen Krawalle zur Miniatur des Russland-NATO-Konflikts, eine weitere Möglichkeit auf perfide Art Russland als Aggressor und den Westen in Form unbescholtener englischer Staatsbürger als Opfer darzustellen. Kreymeier will von Propaganda nicht sprechen und sicher ist es heikel, die Schlussfolgerung zu ziehen es würde bewusst verfälscht, aber wenn hier nicht unterschwellig eine anti-russische Stimmung vermittelt werden sollte, welchen Sinn hätten dann derlei tendenziöse Beiträge?

Betreffend der Berichte über die Hooligan-Ausschreitungen am Rande der Fußball-EM sind noch zwei interessante Überlegungen anzustellen. Erstens gibt es Fotos und Videos auch von deutschen Hooligans in Frankreich, warum wird von denen eigentlich so wenig berichtet? Zweitens ist gibt es mittlerweile starke Hinweise darauf, dass einige der als „russische Hooligans“ bezeichneten Gewalttäter gar keine Russen, sondern ukrainische Rechtsradikale waren, warum wird dem in den Medien nicht nachgegangen? Natürlich lässt sich auch hier nur spekulieren, aber vielleicht würden eben einfach prügelnde deutsche und ukrainische Gewalttäter nicht ins zu vermittelnde Bild passen?

Die gesamte 184te Folge des Webmagazins „FernsehkritikTV“ sehen Sie hier.

Ein-Mann-NAZI-Demo von Polizei „aufgelöst“.

Bad Segeberg. Unter dem Motto „Asylmissbrauch stoppen – Nein zur Politik Merkel“ war in Bad Segeberg in Schleswig-Holstein zu einer rechten Kundgebung aufgerufen worden. Allerdings tauchte nur ein einziger Demonstrant, der Anmelder der Demo, zum geplanten Beginn um 13 Uhr am Samstag auf. Damit seien die versammlungsrechtlichen Anforderungen nicht erfüllt gewesen. Diese schreiben eine Mindestanzahl von drei Personen vor, erklärte ein Vertreter der örtlichen Polizei und löste die Ein-Mann-Demo kurzerhand auf, sehr zur Freude der 50 Gegendemonstranten und 170 angeforderten Polizisten, die unverrichteter Dinge wieder heimgehen konnten.

Auch den Beamten, der den beklagenswerten Nazi heim schickte, dürfte sich gefreut haben, oft genug müssen schließlich Polizisten das verfassungsmäßige Versammlungsrecht der Rechtsradikalen schützen, welche Genugtuung muss es da sein, eine Nazi-Demo einfach so auflösen zu dürfen. Auch wenn es nur eine kleine war. Vielleicht sogar, wie der Spiegel schrieb, die kleinste Nazi-Demo aller Zeiten.