Der klare Zickzack-Kurs der Bundesregierung in der Russland-Frage.

Die Bundeskanzlerin fordert eine russisch-europäische Wirtschaftszone und will die von den Amerikanern und Briten angeregten EU-Sanktionen zurückschrauben! Oder doch nicht? Die Bundeswehr wird ihr Engagement in der NATO erweitern, mehr Truppen stellen, intensiver an Manövern teilnehmen und sich auch finanziell stärker einbringen! Oder doch nicht? Ursula von der Leyen wird sich für einen erhöhten Wehretat einsetzen! Oder doch nicht? Der Schlingerkurs der Bundesregierung im derzeitigen NATO-Russland-Konflikt ist kaum noch nachvollziehbar, was auch daran liegt, dass er auf mehreren Ebenen stattfindet: Einerseits gibt es die vertragliche Bündnisverpflichtung gegenüber den USA und der NATO auf der militärischen Ebene, andererseits die Abhängigkeit Europas vom russischen Gas auf der wirtschaftlich-sozialen Ebene, und die nostalgische Verbundenheit insbesondere vieler Ostdeutscher mit Russland auf der soziokulturellen Ebene. Sich einzubilden, der Konflikt sei nur militärischer oder nur wirtschaftlicher Natur, wäre eine fatale Fehleinschätzung.

Die Bundesregierung muss versuchen dem Konflikt auf allen Ebenen gerecht zu werden, und geht dabei ganz offensichtlich den falschen Weg, indem sie versucht auf zwei Hochzeiten nicht nur zu tanzen, sondern der Trauzeuge zu sein: Ja man will eine bessere Beziehung zu Russland, schließlich fordern das die deutschen Wirtschaftsverbände, aber aus dem gleichen Grund braucht man auch ein gutes Verhältnis zu den USA. Die Lage ist schon knifflig. Nähert man sich einem an, verärgert man den anderen und umgekehrt.

NATO-Soldaten
Wo die Bundesregierung im Konflikt zwischen Russland und der NATO steht ist kaum zu beurteilen.

Was tut also die Bundesregierung? Sie spielt ein taktisches Verwirrspiel mit beiden Partnern, anders ist ihre „Nicht-Position“ kaum zu erklären. Zuletzt hatte Außenminister Frank-Walter Steinmeier die Administration des transatlantischen Militärbündnisses in der „Bild am Sonntag“ ermahnt, nicht „durch lautes Säbelrasseln und Kriegsgeheul die Lage weiter anzuheizen“ Vorwände für eine Konfrontation dürfe man nicht liefern. „Wer glaubt, mit symbolischen Panzerparaden an der Ostgrenze des Bündnisses mehr Sicherheit zu schaffen, der irrt“, so der Minister. Er betonte außerdem, es sei „fatal, jetzt den Blick auf das Militärische zu verengen und allein in einer Abschreckungspolitik das Heil zu suchen“. Wobei hier die Betonung auf das Wörtchen „allein“ gelegt sei, denn grundsätzlich kann der Außenminister nichts gegen die Praktiken der NATO haben, oft genug hat er die Beteiligung Deutschlands an deren umstrittenen Manövern im ehemaligen Ostblock verteidigt. Das kleine Wörtchen „allein“ liefert dem Bundesminister sowohl gegenüber der Bevölkerung, die mittlerweile das Engagement der NATO in Osteuropa mit überwältigender Mehrheit ablehnt als auch gegenüber dem Bündnispartner jede nötige Rechtfertigungsmöglichkeit, der gesagte Satz verkommt zur hohlen Floskel, der keine politischen Konsequenzen folgen müssen – und aus bündnispolitischer Sicht keine Konsequenzen folgen können. Der Satz mit dem Steinmeier die NATO kritisiert ist ein „Nicht-Satz“, eine politische Platzpatrone: Es gibt zwar einen kurzen Knall, aber keine weiteren Folgen. Zwar sagte der Außenminister auch, mit den Bündnspartnern müsse auch wieder „verstärkt über den Nutzen von Abrüstung und Rüstungskontrolle für die Sicherheit in Europa“ gesprochen werden, aber auch mit diesem Satz verband keine politische Forderung, eine weitere Platzpatrone. Wir würden uns wünschen, ein Regierungspolitiker stellte sich eines Tages der Bundespressekonferenz und sagte einen Satz wie: „Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland fordert durch mich, den Außenminister, dass die NATO-Staaten in Europa endlich einen dringend notwendigen Abrüstungsprozess einleiten!“ Dieser Satz würde einen politischen Eklat bedeuten, er wäre damit allerdings auch erstmals eine substanzielle Forderung eines Deutschen Politikers in der NATO-Russland-Krise, erstmals keine Platzpatrone.

Die Einlassungen des Außenministers fanden im Nachgang der NATO-Manöver in Osteuropa statt, einige Tage nachdem die Verteidigungsministerin angekündigt hatte, den Verteidigungshaushalt aufstocken und die Bundeswehr „modernisieren“ zu wollen. Auch dass am selben Tag bekannt wurde, dass die Bundesregierung mit dem Diplomaten Martin Erdmann erstmals in der Geschichte der NATO einen Kandidaten für den Posten eines NATO-Vizegeneralsekretärs ins Rennen schickt, scheint nicht nur zufällig. Es soll wohl suggeriert werden, ja man bewirbt sich für den mächtigen Posten, aber man werde die NATO ja in eine bessere Richtung lenken. Wahrscheinlich mit Platzpatronen.

Dieser Schlingerkurs und diese politische Floskelei sind Symptome einer kraft- und mutlosen Politik. Die Bundesregierung ist zerrissen zwischen den Großmächten des alten und des neuen kalten Krieges, unfähig zu agieren, versucht sie auf den Zeitgeist zu reagieren, ohne wirklichen Eindruck zu hinterlassen. Forderungen? Zu klar. Standpunkte? zu starr. Gerade in diesen Zeiten bräuchte es aber eine handlungsfähige Regierung, die sich für ein Deutschland einsetzt, das eine neutrale Mittelmacht sein sollte in Zentraleuropa. Eine wirklich neutrale deutsche Bundesregierung könnte die wirtschaftlichen Verbindungen mit beiden Ländern nutzen, um nicht nur zu vermitteln, sondern Ziel und Kurs der Verhandlungen vorzugeben.

Ausgerechnet in der zunehmend unsicheren Stimmung zwischen mehr oder weniger NATO, trat nun auch der russische Präsident Vladimir Putin wieder auf den Plan: „Wir hegen keinen Groll und sind dazu bereit, unseren europäischen Partnern entgegenzukommen“ Die EU bleibe ein wichtiger Handelspartner für Russland, „Aber das kann natürlich keine Einbahnstraße sein.“ Wie die Bundesregierung wohl auf diese Annäherung reagieren wird? Es bleibt spannend.

6 Gedanken zu „Der klare Zickzack-Kurs der Bundesregierung in der Russland-Frage.

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