Terrorismus: US-Außenminister John Kerry will mehr militärische Koordination mit Russland.

Die USA und Russland wollen künftig in der Syrienkrise enger zusammenarbeiten, das ließ das US-Außenministerium mitteilen. Offenbar warb der US-Außenminister John Kerry beim russischen Präsidenten Wladimir Putin für die engere militärische und diplomatische Kooperation der beiden Fremdmächte im syrischen Bürgerkrieg. Inwieweit dies auch als Schritt der Wiederannäherung der beiden Staaten gewertet werden kann, ist unklar.

Ohne schnelle und konkrete Schritte könnten die diplomatischen Bemühungen zur Beilegung der Krise nicht ewig weitergehen, sagte Kerry nach Angaben seines Ministeriums bei dem dreistündigen Gespräch in Moskau. Nach einem von der „Washington Post“ vorab veröffentlichten Dokument wollte Kerry Putin eine neue Form der Kooperation in Syrien vorschlagen, wo die beiden Länder bisher gegnerische Seiten im jahrelangen Bürgerkrieg unterstützen.

Angesichts des schweren Terrorangriffs auf die französische Stadt Nizza, bei dem am Donnerstagabend 84 Personen getötet wurden, erhöhte Kerry den Druck auf die Regierung in Moskau zur Zusammenarbeit im Kampf gegen den Terror: „Menschen in der ganzen Welt warten darauf, dass wir einen schnelleren und konkreteren Weg finden, damit sie das Gefühl haben, dass alles, was möglich ist, getan wurde, um diese terroristische Plage zu beenden“, sagte Kerry am Freitag zum Auftakt eines Gesprächs mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow in Moskau. Es müsse gezeigt werden, dass die Welt vereint den „nihilistischen und verkommenen Ansatz zu Leben und Tod“ bekämpfe. „Sie und ich und unsere Mitarbeiter sind in der beneidenswerten Position, tatsächlich etwas dagegen unternehmen zu können“, adressierte er Außenminister Lawrow.“

Beide Seiten erhofften sich „große Fortschritte“ von den Gesprächen. Putin sagte zu Beginn des Treffens, sein letztes Gespräch mit US-Präsident Barack Obama habe ihn überzeugt, dass beide Seiten ernsthaft um eine Lösung in Syrien bemüht seien. Kerry teilte diese Ansicht offenbar und sprach davon, „eine solche Möglichkeit hoch zu schätzen“ zu wissen. Bei den Verhandlungen im Rahmen des zweitägigen Besuchs des US Außenministers in Moskau geht es laut Kremlsprecher Dmitri Peskow neben der Syrien-Krise auch um den Ukraine-Konflikt und die bilateralen Beziehungen zwischen der russischen Föderation und den USA.

Die USA und Russland unterstützen in Syrien bisher unterschiedliche Konfliktparteien. Beide beteiligen sich allerdings an der Bekämpfung besonders radikaler Gruppen wie der IS-Miliz und dem Al-Kaida-Ableger Nusra Front. Eine Koordination findet aber kaum statt und außer einer Absichtserklärung ergaben auch die Gespräche in Moskau bisher scheinbar keine konkreten Ergebnisse. „Es gibt noch viele Fragen, was die echte Interaktion bei der Umsetzung von Einsätzen in Syrien angeht“, sagte Peskow.

In der Folge der Annexion der Krim durch ein geheimdienstlich vorbereitetes Referendum, und der mutmaßlichen Unterstützung von kämpferischen Separatistengruppen in der Ostukraine durch das russische Militär, sind die diplomatischen Beziehungen der beiden Staaten derzeit von ständiger gegenseitiger Provokation und Abschreckung geprägt, wobei eine militärische Kooperation lange undenkbar schien. Der Vorschlag Kerrys kann demgemäß auch als ein Zeichen der Wiederannäherung zwischen Russland und den USA begriffen werden. Zuletzt hatte auch der russische Präsident Putin immer wieder die Bereitschaft für Verhandlungen mit dem Westen gezeigt, teilweise wohl aufgrund des desolaten Zustands der russischen Wirtschaft: Seit Beginn der westlichen Sanktionen infolge der Ukraine-Krise ist die Wirtschaftsleistung der russischen Föderation auf die Hälfte zusammengeschrumpft. Wenn sich also die russische Regierung nicht völlig abhängig machen will vom guten Willen der Volksrepublik China, bleibt ihr keine andere Möglichkeit, als nach jedem Strohhalm zu greifen, den die westlichen Mächte auswerfen.

All jenen, die glauben, der Konflikt zwischen Russland und den USA müsse zu einem dritten Weltkrieg führen, sei demgemäß gesagt: Russland hat den Krieg längst verloren, auch weil der Westen nach dem Fall des eisernen Vorhangs nicht aufhören konnte zu siegen. Eine Wiederaufnahme der militärischen und diplomatischen Kooperation zu westlichen Bedingungen ist nur eine Frage der Zeit.

Erdogan plant massenweise Einbürgerung von Syrern. Will die AKP so ihre Machtbasis stärken?

Ankara (Türkei). Präsident Recep Tayyip Erdogan hat syrischen Flüchtlingen in der Türkei einen erleichterten Zugang zur türkischen Staatsbürgerschaft in Aussicht gestellt. „Wir betrachten euch als unsere Brüder und Schwestern“, so Erdogan am Samstag auf einer Feier zum Ende des Fastenmonats Ramadan in der südtürkischen Provinz Kilis. Den Feiernden Syrern sagte er: „Die Türkei ist auch euer Vaterland.“

Einzelheiten des vereinfachten Verfahrens zur Annahme der türkischen Staatsbürgerschaft werde das Innenministerium bald veröffentlichen, kündigte Erdogan an. Details blieb er schuldig. Auch das Motiv des Präsidenten ist unklar. Einige Medien mutmaßten, das türkische AKP-Regime wolle Syrern in der Türkei das Wahlrecht geben, in der Hoffnung, diese würden bei künftigen Wahlen für die rechtskonservative Partei votieren. Die Naturalisation syrischer Flüchtlinge wäre dann nur ein weiterer Schritt Erdogans zur Errichtung eines Quasi-Einparteienstaates.

Schon früher war dem Präsidenten vorgeworfen worden, die Macht der AKP im Parlament dadurch vergrößern zu wollen, dass er die kurdische HDP und die türkisch-nationalistische MHP mittels politischer Denunziation und selektivem „Wählerfang“ im rechtsextremen Milieu unter die in der Türkei geltende 10 Prozent Hürde drückt. Auf diese Weise hätte Erdogans AKP die notwendige Dreifünftel-Mehrheit (60%), um selbst gravierende Verfassungsänderungen ohne Widerstand durchzusetzen. Aus der Luft gegriffen ist also der Vorwurf, die konservativ-muslimisch geprägte AKP wolle die Einbürgerung von Flüchtlingen nutzen, um ihre Machtbasis auszubauen, nicht.

Bevor jedoch voreilige Schlüsse aus dem Satz es Präsidenten gezogen werden, gilt es zunächst abzuwarten, wie die konkrete Verfahrensvorlage des Innenministeriums schließlich aussehen wird.

Derzeit halten sich in der Türkei rund 2,7 Millionen Syrer auf, die meisten flohen vor dem Bürgerkrieg in ihrer Heimat. Viele Syrer sind Erdogan und der islamisch-konservative Regierungspartei AKP für die Gewährung von Asyl sehr dankbar. Nach der offizieller türkischer Lesart sind die syrischen Flüchtlinge „geladene Gäste“ des Staates.

Die Erklärung Erdogans kommt zu einer Zeit, in der die Türkei auch wirtschaftlich in einer Krise steckt, seit dem Erstarken der Terrormiliz in den Nachbarländern, hat auch die Türkei mit einem enormen Rückgang des Touristenverkehrs zu kämpfen. Die Wirtschaftsleistung des Mittelmeerstaates war in den vergangenen Jahren dementsprechend beachtlich gesunken, die Arbeitslosigkeit auf mittlerweile 10,77 Prozent gestiegen.