Nachdem die Bundesregierung insbesondere von Friedensaktivisten aufgrund der Verdoppelung der deutschen Rüstungsexporte im vergangenen Jahr scharfe Kritik einstecken musste, verteidigten Regierungssprecher Steffen Seibert und der zuständige Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel diese als eine Momentaufnahme.
„Wir haben Gott sei Dank eine sehr verantwortungsvolle Rüstungsexportpolitik mit sehr strengen und zuletzt sogar noch strenger gefassten Grundsätzen“, erklärte Seibert am Montag. Wirtschaftsminister Gabriel erklärte den massiven Anstieg der Ausfuhrgenehmigung mit „Sondereffekten“, die teils die Vorgängerregierung zu verantworten habe.
Nach einem Bericht der „Welt am Sonntag“ habe die Bundesregierung im vergangenen Jahr Rüstungsexporte im Gesamtwert von 7,86 Milliarden Euro genehmigt. 2014 waren es noch knapp vier Milliarden Euro gewesen. Zwar wurden diese Zahlen, die noch höher liegen als die von Gabriel im Februar genannten, bisher vom Wirtschaftsministerium nicht bestätigt, der Minister sprach in der „Süddeutschen Zeitung“ aber von einem „erheblich gestiegenen Gesamtvolumen“.
Enthalten seien unter anderem 1,6 Milliarden Euro für einen Kampfpanzer-Auftrag an Katar, welches im dringenden Verdacht steht, die Terrormiliz „Islamischer Staat“ zu unterstützen. Von der Befürchtung vieler Menschenrechtsexperten, das islamistische Regime könnte die Kampfpanzer im Falle eines Aufbegehrens gegen das eigene Volk einsetzen ganz zu schweigen. Den Deal habe er nicht stoppen können, rückgängig machen könne er das Geschäft nun leider auch nicht mehr, so Gabriel.
Nach unserer Auffassung liegt der Wirtschaftsminister hier falsch: Solange nicht zweifelsfrei widerlegt ist, dass die Monarchie in Katar den IS unterstützt und solange der Staat nicht eindeutig erklärt, dass die gekauften Waffen nicht gegen das eigene Volk, oder zur Vorbereitung eines Angriffskrieges genutzt werden, sollten kurzfristig sämtliche Waffenlieferungen an das islamistische Regime zurückgehalten werden! Mittelfristig sollten die Richtlinien dahingehend verschärft werden, dass Rüstungsgüter und Waffen nur noch an EU- und NATO-Mitgliedsländer verkauft werden dürfen. Dies gilt insbesondere für Militärfahrzeuge wie Panzer und für Hand-Kriegswaffen wie Sturmgewehre oder Panzerfäuste.

Während Vizekanzler Gabriel die Verdopplung der gesamten Rüstungsexporte auf die Vorgängerregierung schiebt nimmt der Sozialdemokrat wie selbstverständlich die positive Entwicklung der Kleinwaffenexporte für sich in Anspruch. Da diese häufig in Bürgerkriegen verwendet werden, sei der Rückgang der Exporte in diesem Segment ein großer Fortschritt. Hier seien die wenigsten Ausfuhrgenehmigungen seit 15 Jahren ausgesprochen worden. Man könnte diese Einlassung ohne viel Fantasie so lesen: Gabriel hält es für weniger gravierend, hochgerüstete Kampfpanzer an eine Diktatur zu liefern, die wahrscheinlich die gefährlichste Terroristenmiliz der Welt unterstützt, als Gewehre irgendwohin zu exportieren.
Neben dem fragwürdigen Geschäft mit Katar, enthalten die geleakten Zahlen laut Gabriel auch 1,1 Milliarden Euro für ein Tankflugzeug-Geschäft mit Großbritannien, dass er für politisch unbedenklich hält. Wenigstens hier ist dem SPD-Vorsitzenden zuzustimmen: Rüstungsexporte in EU-Länder halten wir, sofern dadurch nicht, wie im Fall Griechenland, deren Staatshaushalt übermäßig belastet wird, für relativ unbedenklich und gerade in Anbetracht der zunehmenden terroristischen Bedrohung für rechtfertigbar.
Aus der Opposition gab es naturgemäß Kritik. Insbesondere die Linkspartei, welche für einen deutlich strengeren Kurs bei Waffengeschäften steht, den SPD-Vorsitzenden scharf an. Linken-Politiker Jan van Aken sagte im Deutschlandfunk, man könne nicht im Wahlkampf versprechen, die Rüstungsexporte zu senken, und diese dann verdoppeln.
Während Vizekanzler Gabriel wenigstens den Anstand besitzt, öffentlich die gesteigerten Rüstungsexporte zu bedauern, macht Finanzminister Wolfgang Schäuble keinen Hehl daraus, dass ihn die Verdopplung der Waffenausfuhren nicht sonderlich kümmert. Als ein Beispiel, um die Wirtschaft der EU nach dem BREXIT in Schwung zu halten, nannte Schäuble am Montag gemeinsame Rüstungsprojekte von EU-Staaten. Generell gebe es dabei aber immer das Problem, dass, „wenn wir in bestimmten Punkten europäische Lösungen wollen, muss jeder bereit sein, … seine nationalen Regelungen ein Stück weit danach überprüfen zu lassen, was denken eigentlich die anderen“. Das gelte auch für die Richtlinien der deutschen Rüstungsexportpolitik.
Finanzminister Schäuble sagt also, die deutsche Politik müsse ihre Richtlinien zur Waffenausfuhr den Gegebenheiten der Märkte anpassen. Gemeinsame Rüstungsprojekte sieht er wirtschaftlich als „Schritt in die richtige Richtung“. Implizit fordert er mehr deutsche Waffenexporte und eine Lockerung der Richtlinien, um diese „europatauglich“ zu machen.
Eine Frage nach den moralischen Grundsätzen dieses Politikers erübrigt sich! Dagegen darf man sich durchaus fragen, wofür das „C“ im Kürzel seiner Partei heute noch steht!

Die Linkspartei erklärte in einer Pressemitteilung zu den fragwürdigen Einlassungen des Finanzministers:
„Es ist völlig wahnsinnig, die deutsche Vormachtstellung in Europa zu nutzen, um der deutschen Rüstungsindustrie Aufträge zu verschaffen. Wer auch nur einen Funken Geschichtsbewusstsein besitzt muss fürchten, Bundesfinanzminister Schäuble habe den Verstand verloren. Jede Waffe tötet, jede Waffe findet ihren Krieg, mit Krieg macht man keine Geschäfte. DIE LINKE fordert ein Ende der Waffenexporte.“
Ein Gedanke zu „Gabriel verteidigt die Verdopplung der Rüstungsexporte, während Schäuble sogar noch mehr Waffenausfuhren will!“