Das Landgericht Hannover wies am Montag eine Schadenersatzklage ab, mit welcher der Energiekonzern E.ON auf das Atommoratorium von 2011 reagiert hatte. Das Unternehmen forderte rund 382 Millionen Euro Entschädigung dafür, dass es nach der Nuklearkatastrophe im japanischen Fukushima mehrere Meiler für drei Monate abschalten musste. Die Klage war Teil der Bemühungen der Energiewirtschaft, Ausgleich für Einbußen rund um den von der Politik beschlossenen Atomausstieg zu erstreiten, man könnte ohne weiteres behaupten, die großen Atomkonzerne wollten sich vor ihrer Verantwortung im Rahmen des Ausstiegs zumindest finanziell drücken.
Seine Ablehnung begründete das Gericht unter anderem damit, dass der Versorger den Stopp mit einer Anfechtungsklage hätte verhindern können, sich aber für Unterlassung entschieden hatte. E.ON kann binnen eines Monats Rechtsmittel einlegen.
Eine Anfechtungsklage gegen das Moratorium hätte aufschiebende Wirkung gehabt, erklärte der Vorsitzende Richter Martin Schulz. E.ON hätte damit die Meiler entweder gar nicht abschalten müssen oder zumindest sofort wieder starten dürfen. Zumutbar sei der Schritt ebenfalls gewesen und hätte den nun beklagten Schaden verhindern können. „Das wäre ohne großen Aufwand möglich gewesen, weil zunächst auch keine Begründung notwendig gewesen wäre.“
Bei der Verhandlung im April hatte E.ON argumentiert, eine Anfechtungsklage hätte länger gedauert als das Moratorium selbst und wäre wegen der Haltung der Bundesregierung unangemessen gewesen. Es ist allerdings davon auszugehen, dass auf eine Anfechtung deshalb verzichtet wurde, weil sie vor dem Hintergrund der Fukushima-Katastrophe zu einem enormen öffentlichen Druck geführt hätte, welcher dem – zu der Zeit ohnehin schlechten – Image der Energiewirtschaft zusätzlich geschadet hätte. Weshalb der Energieriese nun versucht, gewissermaßen durch die juristische Hintertür, ohne große öffentliche Aufmerksamkeit, den Zwangsstopp zumindest finanziell rückgängig zu machen.
Bei der Urteilsverkündung am Montag waren keine E.ON-Vertreter anwesend. Konkret hatte der Atomkonzern Entschädigung für die Anordnungen Niedersachsens und Bayerns verlangt, seine Kernkraftwerke Unterweser (Niedersachsen) und Isar 1 (Bayern) nach der Fukushima-Katastrophe vorübergehend abzuschalten. Der Konzern klagte außerdem gegen den Bund, der das Moratorium angekündigt hatte. Über die gesetzliche Grundlage des Moratoriums hatte es 2011 intensive Diskussionen gegeben, ebenso über den plötzlichen Politikwechsel der Bundeskanzlerin, die bis dahin satirisch auch als Atomkanzlerin bezeichnet worden war. Sicher ist bis heute nicht, ob der Zwangsstopp der veralteten Atommeiler aus einem wirklichen Umdenken der schwarz-gelben Regierungskoalition, oder aus politischen Opportunismus hervorging.
In der aufgeheizten Debatte nach Fukushima hatte E.ON-Chef Johannes Teyssen zunächst einen Ausgleich mit der Politik gesucht und auf eine Klage gegen das Atommoratorium verzichtet. Der ehemalige Chef von RWE dagegen war in der Frage bald auf Konfrontationskurs gegangen und hatte geklagt. E.ON und EnBW zogen nach, als RWE den Prozess gewann. Das Landgericht Bonn hatte im April jedoch die EnBW-Schadenersatzklage ebenfalls mit der Begründung abgewiesen, der Versorger habe nicht sofort gegen die vorübergehende Abschaltung geklagt.
Das Moratorium mündete in den Beschluss zum endgültigen Atomausstieg, für den E.ON, RWE und Vattenfall Schadenersatz in Milliardenhöhe fordern. Hier steht ein Urteil des Bundesverfassungsgericht noch aus. Es bleibt zu hoffen, dass auch die Verfassungsrichter gegen die Energiewirtschaft entscheiden, damit diese sich ihrer Verantwortung nicht weiter entziehen kann.