Terrorismus in Kabul – Stammgebiete des IS bleiben im Orient.

Erneut wird die afghanischen Hauptstadt Kabul von einem schweren Terroranschlag getroffen: Bei einer Demonstration von Angehörigen der Hasara-Volksgruppe haben Selbstmordattentäter nach offiziellen Angaben mehr als 60 Menschen in den Tod gerissen.

Rund 200 Personen seien verletzt worden, teilte das Gesundheitsministeriums am Samstag mit. Unklar ist bisher, wie viele Bomben gezündet wurden. Präsident Aschraf Ghani erklärte, Terroristen hätten sich unter die Demonstranten gemischt und Bomben gezündet. Später erklärte die fundamentalistische Terrormiliz Islamischer Staat (IS) über ihre Agentur Amak, zwei ihrer Anhänger hätten Sprengstoffgürtel gezündet. Die ebenso radikalislamischen Taliban erklärten, sie hätten mit diesem „tragischen Anschlag“ nichts zu tun. Er sei das Werk von ausländischen Feinden.

Tausende Demonstranten hatten gegen den Verlauf einer geplanten Stromleitung protestiert. Die Hasara sind eine persischsprachige Minderheit und zumeist schiitische Muslime, während die Mehrheit der Afghanen Sunniten sind. Auch der IS ist eine sunnitische Organisation.

Die Demonstranten forderten, dass die von Turkmenistan nach Kabul geplante Hochspannungsleitung auch durch zwei überwiegend von Hasaras bewohnte Provinzen geführt werden soll. Die Regierung lehnt dies mit der Begründung ab, das Projekt würde dadurch deutlich teurer und langwieriger. Die Versorgung der beiden Provinzen sei auch so gesichert. Außerdem könnte es Spannungen mit anderen Provinzen geben, wenn sich deren Stromversorgung verzögert.

Die Hasara stellen mit etwa neun Prozent der Bevölkerung die drittgrößte Minderheit nach den Paschtunen und den Tadschiken. Sie wurden lange diskriminiert. Während der Herrschaft der Taliban wurden Tausende Hasara Opfer eines Völkermordes.

Experten gehen davon aus, das es gerade im nahen und mittleren Osten in der kommenden Zeit zu mehr Terroranschlägen kommen wird, weil der IS vor allem im Irak, aber auch im benachbarten Syrien zunehmend unter Druck gerät. Das „Stammgebiet“ des IS, der teilweise aus der in Afghanistan entstandenen Terrorgruppe Al-Qaida entstand, bleibt deshalb der Orient. Afghanistan kommt nicht zur Ruhe.

Der Engel von Nanjing: Wie ein Antiheld mindestens 300 Menschen rettete.

Nanjing (Volksrepublik China). 1968 wurde in Nanjing die bis dato längste Doppelstockbrücke der Welt zur Überquerung des längsten Flusses der Volksrepublik, des Jangtsekiang, für den Bahn- und Straßenverkehr eröffnet. Die Stahlbrücke stellte mit einer Länge von 1557m das erste große, ohne die Hilfe ausländischer Ingenieure konstruierte, Brückenbauprojekt Chinas dar. Die Stahlkonstruktion galt damals als ein Wunderwerk chinesischer Ingenieurskunst. Heute gilt sie bei den Einwohnern der Millionenstadt Nanjing und darüber hinaus insbesondere als die Selbstmordbrücke, denn an keinem Ort der Erde werden so viele Suizide begangen wie hier. Von der Straßenverkehrsebene gemessen ist das einstige Prestigebauwerk 150 Meter hoch, die Überlebenschance bei einem Sprung ist gleich null.

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Bau der Stahlkonstruktion, die später als Selbstmordbrücke bekannt werden soll.

Gleichzeitig handelt es sich bei der Nanjing-Jangtse-Brücke um eins der beliebtesten Touristenziele in der Metropole. Was mindestens ein bisschen makaber ist. Insgesamt sind mindestens 2000 Selbsttötungen durch Sprung von der Brücke bekannt. Dass es nicht noch mehr sind, ist nur einem einzigen Mann zu verdanken, Chen Si, der in der Presse häufig als der Engel von Nanjing bezeichnet wird. Aber Chen Si ist kein Engel, er ist ein ganz normaler Mann, der etwas zu viel trinkt, etwas zu viel raucht, sich etwas zu ungesund ernährt und der es nicht mit ansehen kann, wenn sich Menschen von seiner Brücke stürzen. Regelmäßig patrouilliert er auf der Selbstmordbrücke, hält Ausschau nach potentiellen Selbstmördern. Mindestens 300 Personen hat er so in den vergangenen elf Jahren schon gerettet – einen Menschen alle zwei Wochen.

Ende März erschien über den Fall der vielfach preisgekrönte Dokumentarfilm „Angel of Nanjing“ von den Filmemachern Jordan Horowitz und Frank Ferendo. Ein Film, der einerseits in bewegenden Bildern die beklemmende Situation auf der Brücke einfängt und andererseits zeigt, dass es nicht viel braucht um ein Held zu sein. Chen Si wird als schräger aber sehr durchschnittler Mensch gezeigt, der das Leben liebt. Der Film zeigt aber auch eine andere Seite: Die Spuren jener, die der „Engel von Nanjing“ nicht retten konnte.

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Chen Si beobachtet die Selbstmordbrücke. Über 300 Menschen hat er mittlerweile gerettet.

In einem Interview mit Chris Chapel auf dessen Youtube-Kanal „China Uncensored“ erzählte nun Regisseur Jordan Horowitz, der den Chinesen ein Jahr lang begleitete, über Chen Si und sein Tun. Chen sei ein Mann mit einem großen Ego, seine Methode sei auf unkonventionelle Wiese direkt und wenngleich jeder Psychologe sie als falsch abstempeln würde, rettete sie doch Leben, so Horowitz. Es sei leicht aus einem Büro heraus die Methodik desjenigen zu kritisieren, der tatsächlich alltäglich auf der Brücke sei und Menschen vom Suizid abbringe. Im Gegenteil sei Chen wohl deshalb so effektiv, weil er nicht einer chinesischen Elite angehöre, sondern ein durchschnittlicher Mann sei, der eine natürliche Verbindung zu den häufig sehr armen Menschen habe, die er rettete.

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Chen Si greift ein: Er zerrt einen potentiellen Selbstmörder von der Ballustrade der Todesbrücke.

Zu Beginn seiner Tätigkeit hätten die chinesischen Behörden Chen immer wieder gedroht, so Horowitz, denn sie befürchteten durch die Medien-Aufmerksamkeit, die er auf das Problem an der Brücke gelenkt hatte, ihr Gesicht zu verlieren. Und tatsächlich rückt diese Geschichte das chinesische Regime nicht unbedingt in ein gutes Licht. Besonders traurig sei, dass die Regionalregierung wohl bereits durch die Errichtung höherer Zäune auf der Brücke unzählige Menschen retten könnte. Dies würde aber aus Kostengründen nicht passieren. „Die chinesische Regierung macht das nicht, wenn Sie von der Brücke springen, landen Sie im Wasser und stören niemanden,“ so Horowitz. Der kurze Teil der Brücke, unter welchem eine Bahnlinie durch führt, sei dagegen durch hohe Zäune geschützt, damit der Bahnverkehr nicht aufgrund von Selbstmorden aufgehalten würde. „Es ist unglaublich traurig, denn es wäre so einfach dieses Szenario zu ändern.“ Es könnte aber auch sein, dass man einfach das Wahrzeichen der Stadt nicht dadurch „verschandeln“ will, dass man die Sicht darauf durch höhere Zäune blockiert.

Die Geschichte zeigt einmal mehr, wie wenig dem Regime der Volksrepublik seine Einwohner bedeuten. Sozialismus jedenfalls sieht anders aus! Die Dokumentation sei jedem ans Herz gelegt, allerdings sei im Vorfeld auch gesagt, dass es sich nicht um einen Wohlfühlfilm handelt, er fordert durchaus Nerven! Sie können den zu recht preisgekrönten Film hier herunterladen, die Website des Films bietet auch die Möglichkeit dem „Engel von Nanjing“ eine persönliche Spende zukommen zu lassen.

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