Berlin. Der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke sorgt mit seinen kontroversen Einlassungen vom vergangenen Dienstag weiterhin für Furore. So genügt es mittlerweile der Mehrheit der Deutschen nicht mehr, für die AfD den verharmlosenden Begriff „rechtspopulistisch“ zu benutzen – sie bezeichnen die relativ junge Partei als rechtsextremistisch.
Kritik an der Ausrichtung der Partei kommt dabei naturgemäß auch von den politischen Gegnern, so vermutete Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) im Nachrichtenmagazin „Spiegel“: „Die AfD hat es offenbar darauf abgesehen, zur neuen politischen Heimat für Neonazis zu werden.“ Zwar seien ganz sicher nicht alle AfD-Wähler Rechtsradikale, „aber wenn AfD-Politiker versuchen, zu relativieren, welche Schande der Holocaust war, zeigt sich das rechtsradikale Gesicht der Partei.“
Volker Kauder, Chef der Unionsfraktion im Bundestag bewertete Höckes Rede als Beleg dafür, „dass in der AfD typisch rechtsradikales Gedankengut eine Heimat hat“. Was eine gewagte These ist, wenn man bedenkt, dass einerseits die AfD zu großen Teilen Tochter der CDU ist und dass andererseits auch die Union rechtsnationalistische Kräfte wie Erika Steinbach, die erst vergangene Woche ihren Parteiaustritt erklärte, beheimatet. Dennoch – und vielleicht deswegen – betont Kauder in der „Welt am Sonntag“, dass Höcke in der AfD kein Außenseiter sei. „Er wird nicht nur in der AfD toleriert, sondern offen von vielen unterstützt.“ Die AfD sei demnach eben keine bürgerliche Partei, sondern auch „ein Sammelbecken für braunes Gedankengut, was sich übrigens auch in ihrem Umgang mit der Presse zeigt. Ähnlich hat sich vielfach die NPD verhalten.“ Mit dem Kommentar über den Umgang der AfD mit der Presse spielt der CDU-Politiker unter anderem darauf an, dass der AfD-Politiker Marcus Pretzell jüngst mehreren Journalisten großer Zeitungen und der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten die Akkreditierung für den Kongress der europäischen Rechtspopulistenfraktion in Koblenz verweigerte.
Nicht nur Politiker, Journalisten und Wissenschaftler empören sich allerdings über die AfD. Mittlerweile stufen laut einer Emnid-Umfrage 59 Prozent der deutschen die Partei als rechtsextremistisch ein. Auch Höcke selbst verurteilt die Öffentlichkeit hart. 61 Prozent der Befragten, würden demnach einen Parteiausschluss des Rechtsextremen aus der AfD befürworten. Nur 23 Prozent sprechen sich dagegen aus. Wobei zumindest die letzte Umfrage völlig nichtssagend ist, da zum einen nicht die Öffentlichkeit, sondern die Partei über den Ausschluss Höckes bestimmt und da der Wert zum anderen keinen Aufschluss über die Unterstützung Höckes und der „patriotischen Plattform“ (der Neonazis in der AfD) bei Unterstützern der Partei gibt – das wäre aber deutlich interessanter.
Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, forderte außerdem, Höcke vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen. „Die rote Linie ist zum wiederholten Male überschritten“, erklärte Krüger in der „Mitteldeutschen Zeitung“ am Samstag.
Die Innenexpertin der Grünen-Bundestagsfraktion, Irene Mihalic, lehnt allerdings die Beobachtung der AfD als Ganzes ab: Eine Partei sollte demnach schon aus historischen Gründen nicht die Beobachtung einer anderen verlangen, sagte sie dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Ich würde mich als Verfassungsschutz vielmehr auf die rechtsextremistischen Bewegungen konzentrieren, die die AfD unterstützen.“
Die AfD-Führung ging mittlerweile pflichtbewusst – wenngleich halbherzig – auf Distanz zum Parteikollegen Höcke. So erklärte die AfD-Vorsitzende Frauke Petry auf dem Kongress der rechtspopulistischen Fraktion im EU-Parlament in Koblenz, dass „Einzelmeinungen nicht repräsentativ für unsere Politik“ seien. Dass die „Einzelmeinung“ Höckes, der mittlerweile wörtliche Zitate aus seiner Rede, von der es Filmaufnahmen gibt, als „bösartige und bewusst verleumdende Interpretationen“ bezeichnet – und sich dabei mit keinem Wort entschuldigt, allerdings nicht nur die Position eines beliebigen Parteimitglieds ist, sondern die Meinung des Landes- und Fraktionsvorsitzenden in Thüringen, der im Parteivorstand hervorragend vernetzt ist, ignoriert Petry dabei.
Bemerkenswert ist allerdings, dass man sich im medialen Umgang mit Höckes Rede so sehr auf seine Kritik am Holocaust Mahnmal in Berlin und so wenig auf seine Fantasien von der „Verzehrung der Jugend im Dienste am Vaterland“ konzentriert.