Berlin. Ein Spiel beherrscht die heutige SPD wohl wie keine andere pseudo-linke Partei der Erde: Wann immer Wahlen anstehen kann sie binnen Augenblicken umschalten von einer neoliberalen Industriepartei auf eine populistische Volkspartei – zumindest für die Öffentlichkeit. In diesem Zusammenhang ist auch der jüngste Vorschlag zu sehen, Freibeträge bei den Sozialabgaben einzuführen.
SPD-Parteivize Thorsten Schäfer-Gümbel nannte dies in der „Rheinischen Post“ vom Montag eine Möglichkeit, um Haushalte mit niedrigen und mittleren Einkommen finanziell zu entlasten. „Ein Freibetrag für Sozialabgaben analog zum Steuerfreibetrag wäre ein Instrument, das wirklich hilft“, erklärte er. Haushalte mit niedrigen Einkommen seien nämlich überproportional stark von Sozialabgaben belastet. „Auch eine Reduzierung der Sozialabgaben für Familien mit Kindern wäre denkbar“, fügte der SPD-Politiker hinzu.
Der Vorschlag ist durchaus vernünftig, und in anderen Ländern werden ähnliche Systeme, bei denen Niedriglöhner beispielsweise für die öffentliche Krankenversicherung gar nichts bezahlen müssen, mit Erfolg angewandt, diese Länder haben aber in der Regel keine sogenannte „Beitragsbemessungsgrenze“, in diesen Ländern gibt es in der Regel auch nur ein Versicherungssystem. In Deutschland könnte ein solches System nur dann finanziell funktionieren, wenn jeder Bundesbürger im gleichen Maße in das System einzahlen würde (geringere Einzahlungen durch Niedriglöhner müssten schließlich ausgeglichen werden).
Ob dieser Vorschlag allerdings die beste Variante ist, das öffentliche Gesundheitswesen gerechter auszurichten, ist fraglich – vielleicht würde es auch schon genügen, den Arbeitgeberanteil an den Sozialabgaben zu erhöhen, während man den Arbeitnehmeranteil senkt. Gerade bei Menschen mit kleineren und mittleren Einkommen würde dieser – deutlich kleinere – Schritt essentielle Erleichterungen bewirken.
Schäfer-Gümbel sieht im heraufziehenden Wahlkampf „eine große, mutige Einkommensteuerreform“, die die Bezieher von niedrigen und mittleren Einkommen entlastet, als einen der Schwerpunkte für seine Partei. Zur Gegenfinanzierung will er unter anderem Steuerbetrug wirksamer bekämpfen. „Hilfreich wäre dabei eine Art Finanz-TÜV“, sagte Schäfer-Gümbel. Unternehmen, die ein neues Steuersparmodell anwenden wollten, müssten es sich erst vom Staat genehmigen lassen. Außerdem pocht er auf „eine leistungsgerechtere Beteiligung höherer Einkommen und Vermögen“.