Ich find‘ Fußball Scheiße und die Deutsche Fahne trotzdem toll.

Alle zwei Jahre ist es so weit, zu jedem großen internationalen Turnier muss man sich als deutscher Fußballfan ernsthaft dafür rechtfertigen, dass man die schwarz-rot-goldene Flagge der Bundesrepublik hisst. Ich habe es da leicht, denn ich bin kein Fußballfan und einen Fahnenmast im Garten habe ich auch nicht. Hätte ich jedoch einen, dort flatterte im Wind das ganze Jahr die deutsche Trikolore. Nach Ansicht mancher Linker (insbesondere wohl der grünen Jugend) bin ich ein Patriot, nach Ansicht aller Linker (inklusive mir) ist Patriotismus eine Form des Nationalismus, des Ausschließens all derer, die nicht die gleiche Herkunft teilen.

Sicher haben die Kritiker des sogenannten Party-Patriotismus recht, wenn sie behaupten einige versteckten dahinter ihren latenten Nationalismus, ist deshalb aber ein Verteufeln der Bundesfarben nötig, die doch mittlerweile für so viel mehr stehen als nur den Nationalgedanken, waren sie doch die Farben der deutschen Revolutionen im 19ten Jahrhundert, ein Zeichen für die Gleichheit aller Klassen, Symbol für den Widerstand gegen die Aristokratie und den Wunsch nach einer Demokratie. Die Farben standen für das erlittene Leid, das vergossene Blut und das zu erreichende Ziel, das golden in der Ferne leuchtete. Über die Jahrhunderte luden sich die „Dreifarbene“ Flagge mit immer mehr Bedeutung auf, sie atmete den Wind der Geschichte, fing das Blut von Freiheitskämpfern und Revolutionären auf und hörte die Reden der Parlamentarier in der ersten deutschen Volksvertretung in der Frankfurter Paulskirche. Die Geschichte der Nationalflagge mag von Kriegen und Deutschtum geprägt sein, aber sie ist auch eine Geschichte der schrittweisen Republikwerdung unseres Landes, das heute soviel mehr ist als ein Nationalstaat, ein Staat der Nationen möchte ich sagen. Nicht ohne Hintergedanken schafften übrigens die Nationalsozialisten die Schwarz-rot-goldene wieder ab, stand sie in ihren Augen doch für die republikanischen Kräfte in der Weimarer Republik und damit geeignet der Nationalsozialistischen Propaganda entgegen zu wirken.

Heute leben wir in einem Deutschland, von dem der preisgekrönte Schriftsteller und Sohn iranischer Flüchtlinge, Navid Kermani, sagt, es sei das beste Deutschland, das es je gegeben habe. Die Nationalfarben stehen heute auch für unser Grundgesetz, dass unter der Prämisse von Frieden, Gleichheit und Weltoffenheit geschaffen wurde, die Nationalfarben stehen für die Überwindung der europäischen Teilung im kalten Krieg und für viele tausend Flüchtlinge, die sich jeden Tag auf den Weg nach Europa machen stehen die Nationalfarben auch für die Hoffnung auf ein bisschen Frieden, ein bisschen Freiheit und die Chance zu leben.

Nicht zuletzt steht die Nationalfahne derzeit auch für eine Fußballmannschaft, die schon durch ihre Zusammensetzung Weltoffenheit zeigt. Wenn die deutschen also mit den Bundesfarben wedeln, um eine pluralistische Mannschaft mit türkischen, polnischem, ghanaischem, albanischem, tunesischem und spanischem Migrationshintergrund in einem erstaunlich albernen sportlichen Wettkampf anzufeuern, wo ist das dann Nationalismus?

Symbole haben nie nur eine Bedeutung, jeder deutet sie mit seiner Vorgeschichte, seinen Erfahrungen und seinem persönlichen Hintergrund. Zu behaupten die Bundesfarben stünden einzig für die Ausgrenzung nicht-nationaler zeugt einmal mehr von linkem Elitarismus bei der grünen Jugend in Rheinland Pfalz. Übrigens sei den Grünen an dieser Stelle eines gesagt: Wer Wähler gewinnen will, sollte den Deutschen tunlichst nicht ihre drollige Begeisterung für Fußball nehmen wollen, der Fall Gauland und der damit verbundene Umfrageabsturz der AfD hat schließlich gezeigt, dass man als Politiker in Deutschland alles sagen kann, solange man nicht „die Mannschaft“ angreift. Womit ich nicht sagen will, die Hetzkampagne gegen die Grüne Jugend, welche derzeit im Web stattfindet sei gerechtfertigt, aber sie ist keinesfalls unprovoziert.

Mein Fazit deshalb: Hisst die Nationalfahne zum Fußballgucken, denkt beim Mitsingen der Nationalhymne eine Sekunde lang an darüber nach, wie weit wir gekommen sind in Sachen Demokratisierung und Weltoffenheit, trinkt ein Bier und lasst euch nicht von den Grünen sagen, ob ihr Nationalisten seid, dass müsst ihr schon selber wissen. 


Bei Spartacus vertreten wir übrigens die Theorie, dass unter bestimmten weiteren Umständen ein Sieg der deutschen Nationalelf zum Endsieg über die AfD führen kann, vielleicht sollten also die Grünen auch anfangen fleißig Fahnen zu wedeln.

Ein Gedanke zu „Ich find‘ Fußball Scheiße und die Deutsche Fahne trotzdem toll.

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