Berlin. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) fordert eine Erhöhung des Rentenalters, nur so könne die Stabilität der Sozialsysteme auch angesichts des demographischen Wandels erhalten werden. Wenige Stunden später legt die junge Union auch schon einen konkreten Vorschlag vor: Die Erhöhung des Rentenalters auf 70 Lenze für jeden Bundesbürger der nach 2030 geboren wird. Unwahrscheinlich ist, dass diese beiden Aussagen zufällig so kurz nach einander erfolgten, wahrscheinlicher ist eine gewisse Absprache, um eine größere Öffentlichkeit zu erreichen. Denkbar wäre sogar, dass der Plan komplett von Schäuble stammt, der sich jedoch nicht noch unbeliebter machen möchte, und deshalb die Verkündung seiner konkreten Pläne auf die junge Union abwälzt. Frank Underwood könnte es selbst nicht besser deichseln.
„Wir müssen uns auf die demografische Entwicklung vorbereiten, um die sozialen Sicherungssysteme zu stabilisieren“ – Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU)
Die Feststellung, die Erhöhung des Rentenalters, welche schlicht mit einer erhöhten Lebenserwartung begründet wird, sei die einzige Möglichkeit die Sozialsysteme angesichts einer Gesellschaftsüberalterung langfristig zu stabilisieren, ist übrigens faktisch falsch, aber das weiß Wolfgang Schäuble durchaus, rechnen kann der Finanzminister schließlich exzellent. Immer wieder wurde ihm aufgezeigt, dass eine Erhöhung des Rentenalters (die ja prinzipiell einer Leistungskürzung entspricht), nicht zwangsläufig notwendig sei, weil ja die Renteneinzahler immer produktiver würden und man davon ausgehen könne, dass auch diese Entwicklung weiter anhält, wodurch diejenigen, die 2100 in den Rententopf einzahlen, diesen durchaus ausreichend füllen würden. Der Finanzminister hat diesen Zusammenhang durchaus verstanden, er weigert sich aber aus rein politischen Gründen ihn anzuerkennen.
„Sie verwechseln offensichtlich Ihren Beruf mit dem der meisten Leute. Klar kann man auch mit achtzig noch im Bundestag rumdödeln, man kann aber kein Dach mehr decken!“ – Gregor Gysi, ehem. Fraktionsvorsitzender der Linkspartei
Eine weitere Fehleinschätzung besteht darin, dass die Rente künftig das größte Problemkind bei den Sozialversicherungen sein wird: Viel größere Probleme wird es z.B. bei der Pflegeversicherung geben, was sich jetzt schon abzeichnet. Ein viel größeres Problem bei den deutschen Sozialversicherungen ist nämlich folgendes: Quasi nur „gewöhnliche“ Angestellte zahlen in die „solidarischen“ Versicherungstöpfe ein, im Gegensatz zu Beamten, Unternehmern, Selbstständigen und Personen mit reinem Kapitaleinkommen. Und selbst gut bezahlte Angestellte stoßen irgendwann an ihre Beitragsbemessungsgrenze, wodurch sie anteilsmäßig deutlich weniger in die Sozialversicherungen einzahlen. Auch diese Problematik ist Herrn Schäuble bekannt und auch hier gedenkt er aus politischen Gründen nichts zu ändern, wodurch weiterhin Personen mit mittleren Einkommen tendenziell am meisten in die Sozialsysteme einzahlen, während sich Vermögende und Top-Verdiener ihrer solidarischen Pflicht vollständig entziehen können.
Rechenbeispiel: Eine alleinstehende Person mit einem monatliches Bruttogehalt von 2.000€ zahlt 413,50€ an Sozialabgaben. Das entspricht einem Anteil von 20,6%. Würde nun dieselbe Person das zehnfache, also 20.000€ monatlich verdienen, so müsste sie (wenn sie sich nicht sogar entscheidet gar nichts einzuzahlen und sich privat zu versichern), nur 5,4%, also 1089,03€, an Sozialabgaben zahlen. Mit Solidarität hat das wenig zu tun.