Bangkok (Thailand). Handelsblatt Korrespondent Mathias Peer führte ein kritisches Interview zum Thema Zwangsarbeit in der Fischerei mit Thiraphong Chansiri, Chef des thailändischen Konzerns Thai Union, des drittgrößten Fischexporteurs der Welt, bis dieser aufsteht und geht. Verdutzt sieht der Journalist dem Fischmogul nach. Es war doch von Anfang an verabredet, dass auch über die Vorwürfe der Zwangsarbeit in der asiatischen Fischereiwirtschaft gesprochen wird. „Er ist sonst nicht so,“ entschuldigen die Pressesprecherinnen ihren Chef. Ob das stimmt? Jedenfalls scheint er nicht über die Arbeitsbedingungen von Gast- und Zwangsarbeitern in Thailand sprechen wollen. Zwar versichert Thiraphong, er habe Pläne, um gegen Sklaverei bei seinen Zulieferern vorzugehen, aber auf die Nachfrage des Handelsblatt-Korrespondenten, warum Organisationen wie Greenpeace seine Maßnahmen für unzureichend halten, reagiert der Konzernchef abschneidend. Nach einer Viertelstunde ist das Interview beendet, der Fischmogul steht auf und geht, ohne den Journalisten eines weiteren Blickes zu würdigen. Erkenntnisreich war das Gespräch für Mathias Peer trotzdem, schließlich zeigte sich dadurch erneut, wie ungern Konzernchefs auf schlechte Arbeitsbedingungen in ihren Unternehmen angesprochen werden. Kritik ist unerwünscht!
Thai Union ist Weltmarktführer bei Fischkonserven. Durch die Übernahme der in Sassnitz ansässigen Rügen Fisch AG mit Traditionsmarken wie Hawesta und Lysell, erobert der umstrittene Konzern auch den deutschen Konservenmarkt.
Der Vorwurf der Sklaverei ist dabei nicht von der Hand zu weisen. Die Löhne sind haarsträubend niedrig und werden oft erst nach mehreren Monaten überhaupt bezahlt. Nicht selten arbeiten Gastarbeiter im ersten Jahr ganz ohne Lohn, bei unterirdischen Arbeitsbedingungen: Barfuß, ohne Arbeitsschutzkleidung, häufig monatelang auf See bei mangelhafter Ernährung. Viele Gastarbeiter sind illegal nach Thailand gekommen, um Arbeit zu finden. Einschüchterung, auch physischer Natur durch Vorgesetzte ist an der Tagesordnung und die Ausweispapiere werden – wie im modernen Menschenhandel üblich – den Zwangsarbeitern vom Management abgenommen. Auch Kinderarbeit kommt bei Zulieferern der asiatischen Fischindustrie regelmäßig vor.
Wie ist nun mit diesen Erkenntnissen umzugehen? Was kann unternommen werden, um derartiges Verhalten der Konzerne zu unterbinden? Menschenrechtsorganisationen kämpfen schließlich seit Jahren vergeblich gegen die Arbeitsbedingungen in der Fischindustrie. Letztlich müssen Handel, Verbraucher und Politik gleichermaßen jene Konzerne abstrafen, die Sklaverei, Menschenhandel und Kinderarbeit in ihren Lieferketten zulassen. Thailand muss seine leeren Absichtserklärungen, man wolle gegen den Menschenhandel verschärft vorgehen, endlich umsetzen, und von den großen Industrienationen muss ein klares Zeichen gesetzt werden: Wir wollen keine Sklaverei in der Dose! Nur, wenn Handel und Verbraucher keine Produkte mehr ordern, die im Zusammenhang mit Zwangsarbeit stehen, kann das Problem langfristig gelöst werden.